125 Jahre Automobil

Daimler Reitwagen - das erste Motorrad wird 125

2010 jährt sich die erste längere Demonstrationsfahrt des Daimler Reitwagens zum 125. Mal. Das erste Motorrad und zugleich der Vorreiter des Automobils legte 1885 rund drei Kilometer von Cannstatt nach Untertürckheim zurück.

Daimler Reitwagen Foto: Daimler AG 29 Bilder

Nach heutigem Maßstab ist die Strecke von 3.000 Metern kaum der Rede wert, doch vor 125 Jahren bewies Gottlieb Daimler mit dieser Premiere die Leistungsfähigkeit seiner Erfindung. Daimler ließ seinen Sohn Adolf ans Steuer des Reitwagens, der als erstes Motorrad mit schnell laufendem Benzinmotor gilt.

Ein halbes PS reicht für 15 km/h

Angetrieben wird der wie ein zu massiv geratenes Laufrad aussehende Reitwagen von einem Viertakt-Einzylinder, der eigentlichen Sensation des Gefährts. Der so genannte Standuhr-Motor ist ein Meilenstein in der Automobilentwicklung, er ist kompakt und stellt eine vergleichsweise hohe Leistung zur Verfügung. Immerhin produziert er aus 245 Kubikzentimetern rund eine halbe Pferdestärke bei 650/min. Den Motor, den Daimler gemeinsam mit Wilhelm Maybach entwickelte, meldet Gottlieb am 3. April 1885 zum Patent an. Die Patentanmeldung für den Reitwagen mit der Nummer DRP Nr. 36 423 erfolgt am 29. August 1885 - und wird rund ein Jahr später erteilt.

Durch seine kompakte Bauform und sein geringes Gewicht von etwa 60 Kilogramm ist der Standuhr-Motor prädestiniert für die Verwendung in mobilen Fahrzeugen. Zunächst wählt Daimler ein mit Stützrädern versehenes Laufrad - der Reitwagen ist also genau genommen ein Fortbewegungsmittel  mit vier Rädern. Die Holzfelgen sind mit einer Lauffläche aus Metall versehen, der Motor ist in der Mitte des Eschenholzrahmens aufgehängt und gibt seine Kraft über einen Leder-Transmissionsriemen an das Hinterrad weiter. Der Fahrer nimmt auf einem Sattel Platz, der über eine eingebaute Sitzheizung verfügt, der Auspuff sitzt direkt darunter.

Mit der damals Aufsehen erregenden Fahrt von Daimlers Werkstatt in Cannstatt nach Untertürckheim bewiesen die beiden Daimlers, dass ein Mensch die Maschine beherrschen kann, allen Unkenrufen zum Trotz. Denn die Angst vor herrenlos wütenden Maschinen war anno 1885 bei vielen Menschen groß. Immerhin erlebten die Zuschauer der Premierenfahrt auch einige Schrecksekunden, denn es sollen mehrfach Flammen zwischen den Beinen Adolf Daimlers nach oben gezüngelt sein. Und auch die Startprozedur ist sehenswert, denn vor dem Starten des Motors muss das zwischen den Holzplanken liegende Glührohr mit einer Lötlampe auf Temperatur gebracht werden.

Beginn der individuellen Mobilität

Doch die Demonstrationsfahrt mit dem rund 90 Kilogramm leichten Reitwagen gelingt und markiert einen Meilenstein in der Entwicklung der individuellen Mobilität. Rund zehn km/h erreicht der Reitwagen, wer es richtig knallen lässt, kann auch 15 km/h schaffen. 

Gottlieb Daimler hat nach der erfolgreichen Fahrt allerdings noch Größeres im Sinn, sogleich macht er sich an die Fertigstellung seines vierrädrigen Fortbewegungsmittels, einer Kutsche, die ebenfalls von dem Einzylinder-Viertaktmotor angetrieben wird. Wenige Monate nach dem Reitwagen präsentiert er seine Motorkutsche, ein Jahr später sorgt der Motor in einem Boot für Vortrieb. Neun Jahre nach dem Daimler Reitwagen wird die Hildebrand & Wolfmüller als erstes Serienmotorrad der Welt gebaut.

Der Daimler Reitwagen kann im Mercedes Museum besichtigt werden, allerdings handelt es sich dabei um einen Nachbau, der anlässlich des 100. Geburtstages des Automobils in einer Auflage von zehn Exemplaren aufgelegt wurde. Der originale Reitwagen wurde schon 1903 bei einem Feuer zerstört.