Abarth 205 Vignale Berlinetta im Fahrbericht

Unterwegs im ersten Abarth

Mit dem Abarth 205 Vignale Berlinetta entwarf Karl „Carlo“ Abarth 1949 seinen ersten eigenen Wagen: Der 205 stammt vom Cisitalia 202 ab, den das Tuning-Genie dort als Rennleiter selbstständig schon zum 204 weiter entwickelt hatte.

Abarth 205 - 102 - Der erste Abarth Foto: Hans-Dieter Seufert 12 Bilder

Sehr flach, sehr silbern und sehr sprungbereit. Das Abarth 205 Coupé, das da auf uns wartet, strahlt die animalische Grazie eines schlanken, gefährlichen Raubtiers aus, das nur noch ein einziges Ziel kennt: losschnellen und Beute machen. Gute Rennfahrzeuge sind so, speziell, wenn sie aus dem Stall der legendären Tuning-Koryphäe Carlo Abarth stammen.

Drehorgel mit 78 PS bei 7.000 U/min

Der Abarth 205 nimmt spontan die Arbeit auf, sein 1.100er-Vierzylinder holt hörbar Luft durch die beiden Vergaser, dann die erste Fahrstufe. Die Einscheiben-Trockenkupplung geht ein wenig ruppig zur Sache – etwas mehr Drehzahl, vielleicht 2.500/min, nachdrücklich rollt der Abarth 205 an. Kaum zu glauben, dass unter der Fronthaube nur ein 1.180er-Motor arbeiten soll, ein Hubraum-Zwerg sozusagen, der aber für einen Auftritt sorgt wie ein ganz Großer.

Die Maschine neigt schon früh zum Knurren, wenig später dann zum Brüllen. Und wer denkt, dass anno 1950 bei höchstens 5.000/min Schluss gewesen ist, der irrt. Bis etwa 7.000/min darf der Motor des Abarth 205 gedreht werden, dann liegen volle 78 PS an – damit sengt sich der Abarth 205 bei vollem Auslauf bis dicht an die 180-km/h-Marke heran.

Die vier Vorwärtsgänge des Gertriebes rasten knochentrocken, der lange, gekröpfte Schalthebel verlangt dabei eine konsequente linke Führhand. Im Dritten, also rechts oben, verschwindet er fast vollständig unter dem blechernen Instrumententräger. In zügiger Gangart auf den wohl asphaltierten Nebenwegen des Bergischen Landes gemahnt der Abarth 205 an ein Dichterwort aus der Vollgas-Lyrik der Formel 1. „Mit dem“, hätte der frühere Formel-1-Pilot Gerhard Berger seinerzeit gesagt, „kannst' freseln.“ Was ein hübscher mundartlicher Ausdruck ist für das anmutige Gleiten im Grenzbereich, immer auf des Messers Schneide zwischen „Grip“, „No Grip“ und „Uijuijuijui!“ Mit einem beherzten Gasstoß das Heck herumzuwerfen und dann den Blick zurücktrüben zu lassen vom Qualm wild durchdrehender Reifen, bleibt Vision. 78 PS sind erst die Juniorportion auf der Menükarte des Motorsports.

130 Siege für den ersten Abarth

Mäßig warm, genügen die Trommelbremsen den zeitgenössischen Ansprüchen an Verzögerung. Wie sie im Rennbetrieb funktionierten? Wir denken, zufriedenstellend, denn das hier vorgestellte Abarth 205 Coupé verbuchte immerhin nicht weniger als 130 Siege. Den folgenden Rückblick in die Jugend des Abarth 205 unternimmt für Motor Klassik Klaus Zerhusen, Spezialist für die Abarth-Geschichte: „Nachkrieg, Italien, Motorsport – Zeitreise in ein Labyrinth technischen und stilistischen Wagemuts.“

Abarth 205, so heißt das Kind zweier Väter, Geburtsjahr 1949. Papa Nummer 1 heißt Piero Dusio, Inhaber von Cisitalia in Turin. 1947 erschien der ältere Bruder des Abarth-Erstlings, der Cisitalia 202. 1947 tritt auch Papa Nummer 2 ins historische Spiel, Carlo Abarth, gebürtiger Wiener, als Italiener angelernt. Er erwirbt sich frühe Meriten als Motorrad-Rennfahrer, vertreibt zeitweise Bianchi-Motorräder in Zagreb – und fungiert 1946 als Italien-Repräsentant für das Konstruktionsbüro Porsche.

Die Gespräche führen 1947 zum Verkauf eines Porsche-Entwurfs an Cisitalia: Allradantrieb, Mittelmotor-V12, 1,5 Liter Hubraum. Hightech, zum Fürchten schön und diffizil. Abarth wird Chef der Cisitalia-Rennabteilung. 1949 macht er sich selbständig, nimmt drei Cisitalia 204 mit – das sind die von ihm weiterentwickelten 202 – und zwei Chassis künftiger Rennwagen, samt Antrieb.

Giovanni Michelotti und Alfredo Vignale erklären sich bereit, das Kleid für den ersten Abarth zu entwerfen. Die Vorderachse bekommt nach Porsche-Muster Längslenker und Torsionsstäbe, der neue Plattformrahmen wird steifer, leichter und kürzer. Die beiden aus den Rohchassis verfertigten Coupés – Chassisnummer 205-101 und 205-102 -, fahren jedoch bei der Mille Miglia 1950 nur unter ferner liefen mit. Die 205-103 fertigt sich Abarth als elegante GT-Version für den eigenen Gebrauch.

205-102 wird erst umgebaut und dann zurückrestauriert

Die 102, der hier vorgestellte Abarth 205, wird zum Exemplar mit der schillerndsten Geschichte: Es wird noch 1950 an die Mailänder Firma Sirca verkauft, komplett mit zwei Motoren, dann an den Österreicher Lothaler. 1964 an den Privatfahrer Fischer; der heimst damit 130 Siege ein. 2004 wird der Abarth 205-102, im Lauf der Jahre schwer umgebaut mit Alfa-Motor und -Getriebe, auf einer Auktion in Paris versteigert.

Ein Kölner, Spezialist für alte Meister im Kunsthandel und einst im Hillman Imp bei Flugplatzrennen unterwegs, ersteht den Abarth 205 – und beschließt, das Auto exakt zum Original zurückzurestaurieren. Auch Glück spielt eine Rolle: Als der neue Besitzer den Abarth per Achse nach Italien zum Restaurieren bugsieren will, streikt in den Alpen die Hinterachse. Zufällig kommt ein Herr Bruni des Wegs, erkennt das Auto, identifiziert es auf alten Bildern, recherchiert die Zulassung, kommt auf die Firma Sirca – und ihren greisen Chef Alfredo Pallavidini, der noch lebt und sich an den Abarth von 1950 gut erinnert.

In einem Sirca-Keller taucht der zweite Originalmotor des Abarth 205 auf, 1.180 Kubikzentimeter, 78 PS bei gut 7.000/min. Die Technik baut Altmeister Bepi in Florenz auf, die Karosserie Signore Faralli in Pisa – samt der seitlichen Plexiglas-Scheiben. Es ist das Ziel, so viele Originalteile wie möglich zu erhalten. Jetzt dient die Nummer 205-102 als Referenz-Auto für die erste Kleinserie von Abarth, als substanziellste Mischung aus Zustand und Originalität; ein faszinierender Blick in die Kinderjahre der legendären Marke aus Turin.„