Einkaufs-Report

15 Youngtimer ab 798 Euro

Saisonstart auf dem Kiesplatz. Mal sehen, was es alles so gibt, denn ewig lockt der Preis. Ein Feldversuch mit 15 Autos von Audi über BMW und Mercedes-Benz bis hin zu Jeep und Lada.

15 Youngtimer ab 798 Euro, Kiesplatz, Händler, Impression Foto: Jörg Künstle 36 Bilder

Es tut gut, einmal den Horizont zu erweitern. Das gilt auch für den Kauf eines Youngtimers. Nicht immer Fünfer-BMW, 124er-Mercedes, Ford Sierra oder S-Klasse. Viele Autofans suchen zu Frühlingsbeginn beinahe klischeehaft ein Cabrio, ich habe mir einen SUV eingebildet oder einen Geländewagen. Einen Allradler mit großer Klappe, kräftig motorisiert, von mir aus auch ein wenig derb.

Zu Besuch beim Kiesplatzhändler

Kurzum: Ein Auto, mit dem man über Bordsteine hinweg wenden kann, das durch Kiesgruben pflügt und bei zwei Tonnen Anhängelast nicht in die Knie geht. Vielleicht ist diese spontane Idee auch nur ein Alibi, um nach der Winterpause mal wieder Kiesplatzhändler an der A 8 zwischen Ulm und München aufzusuchen. Motto: Mal sehen, was es so zum Saisonstart gibt.

SUV-technisch sind die ersten Anlaufstationen glitzernd geschmückter Fähnchenhändler wenig ergiebig. Zu viele Friseurinnen-Vitara und Zwerg-Allradler à la Daihatsu Rocky treffen meinen Geschmack ebenso wenig wie der koreanische Galopper, der einem russischen ZIL-Lastwagen nachempfundene Ssangyong Korando oder ein kurzer knallroter Mitsubishi Pajero, dessen einziges Plus sein souveräner Motor ist.

„DOHC-24 V6 3500“ prangt stolz an seinen Flanken. Doch Kuhfänger und Zender-Look wirken peinlich. Gleich bei mir um die Ecke, nahe der B 10, stoße ich auf zwei potenzielle Kandidaten, um meinen Allrad-Fantasien nachzuhängen. Stop Automobile in Nersingen bietet einen verwitterten Jeep Cherokee mit rustikalem VM-Turbodiesel für nur 1.800 Euro an. Ein mattschwarzes Arbeitstier mit dem sandgestrahlten Charme eines Baustellenfahrzeugs.

Ein Auto wie eine Enduro

Der kompakte, radikaleckige Jeep Cherokee 2.5 TD gefiel mir schon immer. Der mattschwarze Kandidat kommt aus Portugal, er ist weder außen noch innen gepflegt. Das senkt die Hemmschwelle, mit ihm in eine der vielen nahe gelegenen Donau-Kiesgruben zu fahren. Der italienische VM-Vorkammerdiesel alter Schule ziert sich nicht lange mit dem Anspringen. Wir kennen ihn schon seit den Tagen des ersten Range Rover.

Im Jeep Cherokee leistet er als 2,5-Liter- Turbodiesel 116 PS. Erfreulich, wie kräftig er gleich oberhalb der Leerlaufdrehzahl zur Sache kommt. Zwar hätte ich den Vierliter-Reihensechszylinder lieber, aber der knorrige Diesel, der mangels Laufkultur auch von Caterpillar stammen könnte, wirkt recht temperamentvoll. Schnell sind die Gänge zwei bis fünf durchgeschaltet.

Selbst 100 km/h auf der Landstraße sind im Jeep Cherokee keine Zumutung, nur die Servolenkung wirkt bei diesem Reisetempo um die Mittellage schwammig. Zwölf Kilometer später auf der staubigen Zufahrt zur Kiesgrube ist der Cherokee in seinem Element. Dank des lockeren Untergrunds kommt man bei normal eingeschaltetem Hinterradantrieb schnell ins Driften.

Jeep Cherokee 2.5 TD zieht seine Bahn

Die anschließende Buckelpiste mit unzähligen ausgetrockneten Pfützen lässt den Rundum-Starrachser stoisch seine Bahn ziehen. Gelegentliche Versetzer der an spröden Blattfederpaketen aufgehängten Achsen erfordern am Lenkrad ein beherztes Zupacken. Der Cherokee fühlt sich wie ein Enduro-Motorrad unter den Allradlern an. Erst recht wenn der griffige Hebel am Mitteltunnel in Richtung 4WD bewegt wird. Dann macht er auch ohne Kastenrahmen seinem Namen Jeep alle Ehre.

Der kleine Cherokee ist relativ leicht, spurtstark trotz Diesel und von spielerischem Handling. Ein Auto, das viel Freude macht, auf losem Untergrund fühlbar in seinem Element ist, und das es einem nicht übel nimmt, wenn der Morast in den Radkästen klebt. Dieser hier schon gar nicht, sein matter Lack glänzt nur im Regen, der Zustand verlangt kein Verzärteln. Was bleibt, sind 1.800 Euro für eine kurze, leidenschaftliche Beziehung, maximal eine TÜV-Episode lang.

Da verspricht der Mercedes ML, unser nächster SUV-Kandidat, schon weit mehr. Mit einem Preis von 8.700 Euro lässt er sich allerdings kaum vom Girokonto finanzieren. Der gepflegte Wagen, nobel ausgestattet, mit modernem Common-Rail-Diesel und Partikelfilter fast ein Neuwagen, empfiehlt sich als Allround-Werkzeug. Denn er kann fast alles, ist leise, schnell, sparsam und zieht locker einen Pferdeanhänger mit zwei schweren Kaltblütern.

Leidenschaftsloser Mercedes ML 270 CDI

Kühl bleibt für mich hinter dem Lenkrad des Mercedes ML 270 CDI leider auch das Empfinden. Obwohl er sich innen so heimelig anbiedert wie der gute alte W 124, springt der Funke trotz vieler guter Eigenschaften nicht über. Das Fahrgefühl bleibt seltsam indifferent, wie in einem Van. Alles ist sehr vernünftig und leidenschaftslos im Mercedes ML, vielleicht hilft ja ein V8? Nein, ein ML ist es nicht, nicht für mich, erst recht kein früher, pummeliger Typ W 163.

Doch auch die nächsten beiden V8-Kandidaten in meiner SUV-Auswahl enttäuschen. Ein 96er Range Rover 4.6 HSE für 3.490 Euro weigert sich beharrlich anzuspringen, und dem ausgeguckten Jeep Grand Cherokee V8 bekommt der Umbau auf Gasanlage nicht. Nur im Benzin-Modus hält der konservative 5,2-Liter-V8 mit zentraler Nockenwelle, was er verspricht, nämlich souveräne, kultivierte Kraftentfaltung. Doch dann fällt der Blick auf die durchgerosteten Schweller.

Nein, SUV soll wohl nicht länger sein, wir erweitern unseren Auftrag auf alle Youngtimer. Aus der Menge der wie Glasperlen glitzernden Karossen sticht in der Autowelt Augsburg eine goldene S-Klasse hervor. Der abgerockte 126er in Champagner-Metallic steht ohne Radkappen da, ein typisches Zeichen fortgeschrittenen Verfalls...

Im Wagen liegt ein karg beschrifteter Zettel: „SE 380, 250.000 km, 1983, kein TÜV, fahrbereit, 1.200 Euro“. Leider ist der Händler nicht vor Ort, aber das Auto ist offen, und eine kurze Besichtigung ergibt, dass die Achtzylinder-S-Klasse jahrelang im Freien gestanden haben muss. Im Motorraum blühen alle Alu-Teile wie Blumenkohl, die dattelfarbenen Stoffpolster sind stark ausgeblichen, und „fahrbereit“ bedeutet wohl allenfalls „Motor läuft“, wenn man sich die völlig verrosteten Bremsscheiben ansieht.

Silberner W 124er ein wahrer Rubin

Ein paar Glasperlenschnüre weiter leuchtet in einer kleinen, übersichtlichen Charge mehr oder weniger silberner W 124er ein wahrer Rubin. Der leuchtend almandinrote Mercedes-Benz hat leider kein Preisschild. Fotograf Jörg Künstle fragt mich entgeistert, was ich an dem Wagen finde. „Der ist doch wunderbar“, höre ich mich wie in Trance sagen. „Schau mal, die vielen Extras, die Mittelkonsole neben dem Wählhebel ist voller Schalter, Tacho bis 240, Doppelrohrauspuff, also ein 260 E oder 300 E.“ 358.000 km, aber die Velours-Sitzwange ist unbeschädigt.

Ich hefte meine Karte an den Scheibenwischer, darauf steht: „Biete 1.000 Euro“. Mal sehen, was passiert. Drüben steht noch ein Mercedes-Benz 230 E in Rauchsilber, VB 1.290 Euro, aber kein TÜV und mit leicht ondulierter Seitenwand. Auch ein S 430 L in Türkismetallic weckt mein Interesse, nur 3.050 Euro für diese repräsentative S-Klasse der Baureihe 220.

Die kommt jetzt auch langsam ins Yountgtimeralter, denke ich. Gefällt sie mir? Ich schwanke: schon elegant, aber ein Chichi-Interieur, eher Alltagsauto als Youngtimer, das ML-Problem von vorhin. Um der Mercedes-Lastigkeit des Augsburger Angebots zu entkommen, halten wir in München verstärkt nach Alternativen anderer Marken Ausschau und werden rasch fündig.

Im sündigen Gebrauchtwagen-Dorado Bodenseestraße steht in der hintersten Reihe neben einem Garten-Blockhaus ein famoser Audi 80 CC für 2.750 Euro. Rentnerauto, rostfrei, nächstes Jahr H-Kennzeichen, Goldmetallic, Zweitürer, Automatik, nur 75.000 km. Im Heckfenster prangt der kultige Aufkleber: „Audi – Doppelweltmeister 1984“. Gerne hätten wir eine Probefahrt mit diesem unschuldigen Ringeltäubchen gemacht, aber „Chef nicht da“, antwortet der kleine untersetzte Mann im blauen Overall einsilbig, als er Künstles Profi-Kamera entdeckt.

BMW 525tds für 990 Euro

Keinerlei Berührungsängste mit dem Youngtimer-Team hat ein paar Kilometer später Sandro Aversente. Spontan kommt er auf uns zu, während ich das billigste Auto auf seinem Kiesplatz am Münchener Ostbahnhof heftig umkreise. Nur 990 Euro kostet der sehr ansehnliche silberne BMW 525tds mit moderaten 188.000 Kilometern auf dem Tacho. Bislang zeigt die bestens ausgestattete Limousine mit dem stärksten Sechszylinder-Diesel vor der Direkteinspritzer-Ära das beste Preis-Leistungs-Verhältnis unserer Spontan-Tour zum Frühjahrs-Opening.

„Über 1.500 Euro Reparaturen sind in den letzten zwei Jahren in den Wagen geflossen“, stellt Aversente fest und hält eine erfolgreiche Hauptuntersuchung für ziemlich wahrscheinlich. Fahrwerksbuchsen und Tragegelenke sind schließlich neu. Nur die rote Umweltplakette hält mich vom willenlosen Spontankauf des durchzugswütigen Power-Diesel ab. Also ohne Beute nach Hause.

Plötzlich fällt mir auf der Heimfahrt der türkisfarbene Mercedes-Benz 190 E ein. Er stand bei unserer ersten Station, Stop Automobile, ganz hinten neben dem Winterräder-Container. Für kleines Geld, wie ich im Augenwinkel sah, aber in meiner SUV-Fixiertheit habe ich den Wagen kaum wahrgenommen.

Der letzte Kandidat unserer illustren Kiesplatzrunde ist glatt hundert Euro billiger als der BMW 525tds und trägt selbstbewusst die grüne 4 in der Frontscheibe. Der Mercedes 190 E 2.0 in der polarisierenden Kultfarbe Beryll kostet gerade einmal 798 Euro, TÜV bis August, Euro 2. Kiesplatz-Händler Michael Huste wirft mit einladender Geste den Schlüssel rüber. Ein Blick unter die Haube, Ölstand okay, Kühlwasser klar, aber die zerklüftete Vierzylinder-Landschaft präsentiert sich arg verdreckt.

Mercedes 190 E 2.0 braucht dringend Zuwendung

Im Handumdrehen ist die rote Nummer dran, und der brave Einspritzmotor schnarrt unternehmungslustig im Leerlauf. Okay, der Wagen braucht dringend Zuwendung, vor allem im Innenraum. Das Tacho-Zählwerk hängt manchmal, der Auspuff scheppert. Schalthebel und Manschette sind nach zigtausend Gangwechseln gründlich aufgerieben. Viergangschaltung ist nicht wirklich prickelnd, aber der Preis relativiert alles.

Das ehrliche Auto sitzt wie ein Maßanzug, ist ungemein handlich und zeigt sich erstaunlich temperamentvoll. Mehr Auto braucht kein Mensch, wie konnte ich mir nur einen SUV einbilden? Nach einer gründlichen Aufbereitung samt Rostkur an Kotflügeln und Radläufen stünde er sauber da. Ich würde schon jetzt mit ihm nach Sizilien fahren, er läuft tadellos. Vielleicht würde ich irgendwo zwischen Brenner und Verona den fünften Gang vermissen. Aber nur kurz, weil der Vierte ja so lang übersetzt ist.

Export Achtung: Was ist beim Kiesplatz-Kauf zu beachten? Billige Autos sind oft für den Export. Sie werden für deutsche Kunden nur ohne Gewährleistung als Teileträger verkauft. Da ist Sachverstand nötig, der vor einem Fehlkauf schützt.