Ford Capri RS im Tracktest

Lauter als ein Düsen-Jet

Der 415 PS starke Ford Capri RS von 1974 war ein Star der Deutschen Rennsport Meisterschaft. Fahrbericht des mehrfachen DRM-Siegers in Hockenheim, dessen Motor man entgegenschreien muss, damit das Trommelfell nicht platzt.

Ford Capri RS, Frontansicht Foto: Frank Herzog 17 Bilder

Seine Ohren muss man schützen. Ich bilde mir ein, bei einem Linn LP 12 im Vergleich sehr gut zu hören, ob der aus Schottland stammende Plattenspieler nun auf einem leichten Holztischchen oder auf einem schweren Betonklotz steht, und diese Freude will ich mir erhalten. Im Umgang mit einem Ford Capri RS mit 3,4-Liter-Vierventil-Cosworth-Motor heißt das: Vor dem ersten Zünden gehört unbedingt Lärmschutz in beide Ohren.

In den Helm schreien, um Gegendruck aufzubauen

"Der Motor ist wirklich sehr laut", meint auch Ford Classic Car-Chef Wolfgang Laufer: "Wenn du damit beispielsweise auf der Nürburgring-Nordschleife das lange Bergaufstück ab dem Bergwerk bis hoch zum Karussell fährst, bekommt der Motor des Ford Capri RS im vierten Gang einen ganz eigentümlichen, sehr hohen Klang, der in den Ohren schmerzt - ich habe sogar schon während der Fahrt in den Helm gebrüllt, um irgendwie eine Art Gegendruck zu erzeugen."

Nun sind wir hier zwar auf dem großen Kurs in Hockenheim, wo der V6 dauernd mit wechselnden Drehzahlen bewegt wird, dennoch geht der Griff zum Ohropax, bevor die feuerfeste Sturmhaube und dann der Helm auf den Kopf gezogen wird. Sechs Warmlaufkerzen in die Leichtmetall-Zylinderköpfe, Zündung ein, ein Druck auf den Startknopf in der Mitte des Instrumentenbretts: Ziemlich laut, ziemlich wütend und ziemlich Respekt einflößend erwacht der Rennmotor. Es klingt im Ford Capri RS nach Leistung.

415 PS plus 1.040 kg macht Vmax von 280

"415 PS bei 8500 Touren", grinst Laufer. Gewicht? "1.040 Kilogramm fahrfertig." Vmax? "Zwoachtzig." Alle Achtung. Mir wird leicht warm in meiner feuerfesten Unterwäsche. Tatsächlich ist dieser Ford Capri RS von 1974 die höchste Entwicklungsstufe der frühen Werks-Capri, mithin der stärkste Capri mit Saugmotor. Erst 1980 und 1981 erreichten die Turbo-Versionen von Zakspeed mit bis zu 580 PS noch höhere Leistungswerte.

Da waren die verschiedenen Ausführungen des Kölner Sport-Coupés schon mehr als ein Jahrzehnt auf allen möglichen Rennstrecken und sogar Rallye-Pisten unterwegs und hatten reichlich Siegerlorbeer eingefahren. Im März 1969, nur zwei Monate nach der offiziellen Präsentation des Ford in Neapel in Sichtweite der Insel Capri, gelangen Dieter Glemser und Klaus Kaiser sowie François Piot und Jean Todt (heute FIA-Präsident) bei der Rallye Stuttgart - Lyon - Charbonnières mit zwei Werks-Capri 2300 GT ein Doppelsieg in der Klasse sowie ein vierter und siebter Gesamtrang.

Ford Capri RS sammelt unter Neerpasch reihenweise Rennsiege

Die uramerikanische Strategie "Win on Sunday, sell on Monday" funktionierte für Ford mit dem Capri prächtig: Flotte Familienväter stürmten die Autohäuser, und schnelle Privatfahrer orderten eifrig den ab 1970 erhältlichen Ford Capri RS, der als Basis für den Motorsport diente. Unter Rennleiter Jochen Neerpasch eilte Ford von Sieg zu Sieg; 1971 wurde Dieter Glemser Tourenwagen-Europameister und Jochen Mass Deutscher Rundstrecken-Meister, 1972 ging der Tourenwagen-Europameistertitel an Mass, Glemser wurde Vizemeister, und der erst 21-jährige Hans-Joachim Stuck feierte den Titel in der neuen Deutschen Rennsport Meisterschaft. Dazu fuhren die Capri beim 24-Stunden-Rennen in Spa einen Dreifachsieg ein.

1973 aber wechselte Neerpasch zu BMW, nahm Cheftechniker Martin Braungart gleich mit und lieferte den Nachfolgern Michael Kranefuß und Thomas Ammerschläger mit dem BMW CS einen harten Kampf, den die Bayern schließlich dank mehr Leistung und besserer Aerodynamik für sich entschieden. Glücklicherweise hatte Ford bereits im Jahr zuvor bei Cosworth einen neuen Motor für den Capri auf Basis des im englischen Essex gebauten Dreiliter-V6 in Auftrag gegeben.

Cosworth trimmt den V6 auf Leistung

Mike Costin und Keith Duckworth, die Väter des Cosworth-DFV-V8, des bis heute erfolgreichsten Formel 1-Motors aller Zeiten, ließen bei dem Stoßstangen-gesteuerten Vergasermotor keinen Stein auf dem anderen: Sie verordnetem dem alten Graugussklotz des Ford Capri RS zwei Leichtmetall-Zylinderköpfe mit je zwei obenliegenden, per Zahnriemen angetriebenen Nockenwellen und vier direkt betätigten Ventilen pro Brennraum, verstärkte Lager, Trockensumpfschmierung, eine Einspritzanlage und eine elektronische Zündung.

"Der Motor wurde dann im Chassis um drei Zentimeter nach hinten versetzt, außerdem wanderten die Wasserkühler vor die Hinterräder, um insgesamt möglichst viel Gewicht auf die Antriebsachse zu bekommen", erklärt Wolfgang Laufer, der damals zum Teil in der Rennabteilung tätig und später selbst mit einem Ford Capri III erfolgreich auf der Rennstrecke unterwegs war.

Die Hinterachse wiederum zählt zu den besonders trickreichen Details des Ford Capri RS: "Es handelt sich zwar um eine simple Starrachse, was aber beim vollen Beschleunigen gar nicht schlecht ist, weil der Sturz im Vergleich zur Einzelradaufhängung konstant bleibt - die Reifen also immer voll aufliegen - und man so mehr Kraft auf die Straße bringen kann", erläutert Laufer. "Allerdings ist natürlich mit den Blattfedern kein Staat zu machen, weshalb der Capri hinten Schraubenfedern erhielt und eine Kunststoff-Blattfeder als Alibi - damit war dem Reglement Genüge getan."

Rennkerzen rein und los

Die Instrumente unseres Ford Capri RS vermelden nun endlich Betriebstemperatur, also schnell die Rennkerzen reingeschraubt und ab auf die Piste. Erster Gang links unten, die Kupplung packt hart, aber nicht unfair zu, das ZF-Fünfganggetriebe schaltet sich angenehm weich und präzise. Das beeindruckendste aber ist der Cosworth-V6, der vorn in seinen Aufhängungen tobt und wütet, wie ein Derwisch durch das Drehzahlband stürmt und dabei infernalisch aus den beiden Auspuffenden unter dem rechten Schweller brüllt.

Die Höchstleistung liegt erst jenseits der 8.000er-Marke an, da klingt der Motor bereits wie kurz vor der Kernschmelze. "Keine Bange, er ist bis über 9.000 drehzahlfest", beruhigt Laufer. Na gut. Wenn die 40 Zentimeter breiten Slicks an der Hinterachse warm sind, geht es jedenfalls richtig voran, in den unteren Gängen kommt man mit dem Schalten kaum nach. Die breiten Slicks auch an der Vorderachse sorgen jedoch für heftige Lenkkräfte. "Dafür kannst du in dem Ding nicht einschlafen", meint Laufer: "Auf der Nordschleife läuft der Ford Capri RS jeder Unebenheit hinterher, da muss man ihn festhalten - und auf der Döttinger Höhe bist du jedesmal froh, wenn du eine weitere Runde geschafft hast, ohne dich zu drehen."

Auf dem topfebenen Hockenheimring dagegen zeigt sich der Ford Capri RS als ein wunderbar ausgewogenes Rennauto, das genau das macht, was es soll, und im Zweifel Fahrfehler großzügig verzeiht. Einmal in flotter Bewegung, lässt sich der Capri wunderbar zielgenau und abgesehen von den Lenkkräften erstaunlich leichtfüßig bewegen; das gegenüber manchem Konkurrenten geringere Gewicht von knapp über 1.000 Kilogramm macht sich zudem bei jedem Bremsen bemerkbar. Kurzum: Den möchte man fahren, bis der Sprit alle ist.

Mit 415 PS in die Saison 1974

Mit 100 PS mehr als im Vorjahr sowie einer ausgefeilten Aerodynamik mit neuen, eckigen Radkästen sowie einem Entenbürzel gingen die Kölner in die Saison 1974 - wenn auch, wie BMW, wegen der Energiekrise mit leicht gebremstem Schaum. Am Jahresende war die Welt aus Ford-Sicht wieder in Ordnung; der Ford Capri RS hatte ein paar Mal gesiegt und Hans Heyer (der auch im Escort fuhr) zur Europäischen Tourenwagen-Meisterschaft verholfen. Dennoch zogen sich die Kölner Ende des Jahres vom Profisport zurück, um künftig den Breitensport zu unterstützen, wie es hieß.

Von den vier gebauten Ford Capri RS mit Cosworth-Motor hatte einer die Saison nicht überlebt, zwei wurden verkauft (einer zunächst an die Rennfahrerin Waltraud Odenthal, heute mischt Peter Mücke damit die Youngtimer auf), der letzte, hier abgebildete mit der Chassisnummer GAEC PB 19997 verblieb im Werk.

Eine Fehlzündung, und wir wären in die Luft geflogen

"Anfang der 90er Jahre wollten wir ihn in der Werkstatt probeweise laufen lassen; beim Startversuch entdeckten wir auf einmal, dass Benzin aus einer maroden Leitung im Schweller direkt auf den Auspuff tropfte - eine Fehlzündung, und wir wären mit dem Ding in die Luft geflogen", erzählt der Ford Capri RS-Kenner Laufer.

Konsequenterweise ordnete der 64-Jährige eine Totalrestaurierung an, wobei der V6 lediglich nach neuen Lagern verlangte. Seither sorgte der renovierte Ford Capri RS in seiner auffälligen blauweißen Werkslackierung auf vielen Veranstaltungen für Furore.

Fazit zum Ford Capri RS

Es gibt Rennautos, bei denen man froh ist, wenn man wieder aussteigen kann, weil man in ihnen ständig ums Überleben kämpfen muss. Aus dem Ford Capri RS möchte man am liebsten gar nicht mehr aussteigen: Abgesehen von hohen Lenkkräften ist er ein wunderbar ausgewogenes Rennauto – ein Kumpel, der einen im Zweifel nicht im Stich lässt.