Großglockner Grand Prix

Höhen-Rausch

Beim Großglockner Grand Prix gingen erstmals seit dem Großen Bergpreis 1939 wieder Renn- und Sportwagen zwischen Ferleiten und dem Fuscher Törl auf Zeitenjagd. Motor Klassik jagte einen Mercedes SSK die Hochalpenstraße hinauf.

Großglockner Grand Prix, Mercedes SSK Foto: Hardy Mutschler 36 Bilder

Schön ist es hier oben, wunderschön - und kalt. Das Fahrerlager an der Mautstation Ferleiten liegt auf 1145 Meter Höhe, ringsum grüßen mehrere Dreitausender. Es ist kurz vor acht Uhr, das Thermometer zeigt knapp über null Grad. Oben hat es in der Nacht geschneit, unter fünf Zentimeter Neuschnee verbergen sich vier Zentimeter Eis, die letzten 200 Höhenmeter gehen nur mit Ketten. Wenn überhaupt. "Der Berg wehrt sich dagegen, dass wir ihn erstürmen", sagt Organisator Marcus Herfort bei der Fahrerbesprechung.

Schneepflüge räumen die Rennstrecke frei

Seit fünf Uhr früh sind die Schneepflüge im Einsatz, der Start wird erst auf zehn, dann auf elf Uhr verschoben. Die 75 Fahrer, mehr als 50 davon auf Vorkriegsfahrzeugen, stört das wenig. Es handelt sich um die einschlägigen Verdächtigen, man kennt sich, wärmt sich im angrenzenden Gasthof an einer Frittatensuppe, alles ist familiär. "Schön, dass es nicht so viele Teilnehmer sind, da muss man nachher nicht so lange warten", meint Alfa Romeo 6C-Fahrer Rainer Ott.

Vor allem sind alle begeistert, dass es eine neue, spannende Veranstaltung gibt - und man wundert sich, dass bislang niemand auf die Idee gekommen war, das Bergrennen am Großglockner für automobile Klassiker wieder zu beleben (es gibt allerdings eine Veranstaltung für Motorräder). Schließlich erfreuen sich Bergrennen in der Klassik-Szene schon seit Jahren steigender Beliebtheit, nicht zuletzt, weil sie landschaftlich sehr viel reizvoller sind als eine sterile Rundstrecke.

Die Anregung stammt offenbar von Peter Kubitza, der mit seinem Riley 12/4 jede Bergstrecke selbst seiner geliebten Nordschleife vorzieht. "Peter meinte beim Eifelrennen, man solle doch mal was in den Bergen machen", erzählt Marcus Herfort: "Und dann habe ich die eindrucksvolle Geschichte der Bergrennen am Großglockner entdeckt."

Großer Bergpreis von Österreich startet 1935

Eindrucksvoll, in der Tat: Einen Tag nach Eröffnung der Großglockner Hochalpenstraße, die die Bundesländer Salzburg und Kärnten verbindet, wurde am 4. August 1935 der Große Bergpreis von Österreich gestartet, es gewann Mario Tadini auf einem Alfa Romeo 8C. 1938 und 1939 hieß das Rennen dann durch die politische Lage "Großer Bergpreis von Deutschland"; 1938 wurde Hans Stuck im Auto Union Bergmeister, im Jahr darauf Hermann Lang im Mercedes. Bei allen drei Auflagen mit unterschiedlicher Länge bestand die Strecke zum Großteil aus gewalztem Sand, und der Berg zeigte sich mit Regen und mitunter Nebel äußerst abweisend.

13 Kehren, 14,5 Kilometer und 92 Kurven

Bei uns hingegen schmilzt strahlender Sonnenschein nun auch den letzten Schneerest von der Straße, um elf Uhr fährt Peter Embacher, Betriebsleiter der Großglockner Hochalpenstraße AG, nochmals die Strecke ab - um halb zwölf ist Start. Aufgeregt wie kleine Jungs springen alle in ihre Autos, reihen sich brav an der Mautstation ein und toben im Minutenabstand los.

Nach 13 Minuten bin ich mit Startnummer 14 an der Reihe und peile über die unendlich lange, schneeweiße Motorhaube des Mercedes SSK den ersten Rechtsbogen an. 13 Kehren, 14,5 Kilometer und 92 Kurven liegen vor mir bis ins Ziel auf 2394 Meter Höhe, vor allem die Kehren sind mit den 1850 Kilogramm Schwerstarbeit. Dafür entschädigt die Urgewalt des 7,1-Liter-Sechszylinders, dessen 180 PS sich mit dem zuschaltbaren Kompressor an jedem Kurvenausgang auf 225 steigern lassen. Allein das Gefühl, jederzeit den kreischenden Kompressor durch vollständiges Niederdrücken des mittigen Gaspedals aktivieren zu können, lässt die Glückshormone explodieren.

Dazu kommt diese einmalige hochalpine Landschaft, die letzten Kehren fühlen sich durch die vielen Zuschauer an wie die Einfahrt in ein Motodrom. Nach Abstellen des SSK geselle ich mich dazu und beobachte die anderen Piloten bei ihrem zum Teil spektakulären Treiben. Als alle oben sind, folgen die eigentlichen Höhepunkte.

Jochen Mass im Mercedes W 125

Man kann vom Fuscher Törl viele Kehren ins Tal schauen, dennoch hört man das unheimliche Brüllen des ebenfalls Kompressor geladenen Mercedes W 125 lange, bevor man ihn sieht. Jochen Mass treibt den rund 600 PS starken Grand Prix-Rennwagen Kehre um Kehre nach oben und erhält donnernden Szenenapplaus. Bis in welchen Gang er gekommen sei, fragt einer. "Bis in den Vierten", antwortet Mass: "Den habe ich aber nur verwendet, damit er nicht beleidigt ist." Kurz danach biegt auch Hans Herrmann im Porsche 550 Spyder um die Ecke, auch er in diesem unnachahmlichen, sauberen Stil eines alten Meisters. "Einfach schön hier", meint der 84-Jährige.

Anschließend geht es wieder runter, was für manche angesichts der überforderten Trommelbremsen die größere Herausforderung ist. Unten wird sich gleich wieder aufgestellt, denn das ist das Beste daran: Heute Nachmittag wartet am Großglockner noch ein Lauf auf uns, morgen noch zwei - kann es schönere Aussichten forderten für die unmittelbare Zukunft geben?