Jensen C-V8 Mk II

Gentleman-Express

Der Jensen C-V8 Mk II ist eine Rarität. Trotzdem startete Klaus Steffens im wuchtigen Briten bei Oldtimer-Rallyes und gewann sogar die Silvretta Classic. Was macht das Kunststoff-Coupé so stark?

Foto: Dino Eisele 28 Bilder

Die in West Bromwich, Staffordshire beheimatete Marke Jensen wird im Automobil-Revue-Katalog von 1964 als „Englische Nutzfahrzeugfabrik mit kleiner Personenwagenproduktion“ beschrieben. Das ist richtig, sogar die Personenwagen sind irgendwie Nutzfahrzeuge: stabil, geräumig und nicht tot zu kriegen. Die Agenten des britischen Geheimdienstes fuhren deshalb Jensen C-V8 – und keine Aston Martin.

Schnellstes Nutzfahrzeug für vier Personen

Heutzutage nutzt Klaus Steffens sein kastanienfarbenes C-V8-Coupé für rasante Rallye-Einsätze von der Histo Monte bis zur Silvretta Classic, aus der er in diesem Jahr zusammen mit Beifahrerin und Ehefrau Karin sogar als Gesamtsieger hervorging. Deshalb ist dieser Jensen kein Show-, sondern ein Nutzfahrzeug. Schon von weitem fallen die Minilite-Felgen auf, die an Stelle der originalen 175er-Gummis mit üppigen 215/70-Reifen bestückt sind. Dadurch wirkt das grimmig blickende Vier-Augen- Gesicht noch aggressiver.

Der Jensen schaut nicht nur angriffslustig drein, er ist es auch. Ein 6,3 Liter großer Chrysler-V8 mit 335 SAE-PS und 578 Newtonmeter Drehmoment schiebt den 4,69 Meter langen Viersitzer an die Leistungsbereiche eines Jaguar E-Type 2 + 2 oder Aston Martin DB5. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 225 km/h, und der Sprint auf Tempo 100 dauert nur sieben Sekunden. Damit war der 1963 erstmals präsentierte C-V8 Mk II der schnellste Viersitzer seiner Zeit. Dank des langen Radstands und eines hohen, weit nach hinten reichenden Dachaufbaus, der optisch an eine Jaguar-Limousine erinnert, finden auf den beiden schalenförmigen Rücksitzen zwei Erwachsene genügend Platz.

Aber: Die Jensen-Karosserie besteht aus Fiberglas und nährt deshalb im Verbund mit der importierten US-Maschine den Verdacht, dass es sich bei dem C-V8 um ein schludrig zusammengeschraubtes Kitcar handelt.

Weit gefehlt, denn unter dem attraktiven Kunststoffkleid steckt fortschrittlichste Autotechnik. So besteht das Leiter-Chassis vornehmlich aus zwei armdicken Längsrohren, die von unten die Torqueflite-Automatik und den Chrylser-V8 regelrecht in die Zange nehmen. Vier Scheibenbremsen und serienmäßige, höhenverstellbare Dreipunktgurte gewähren ein hohes Maß an aktiver und passiver Sicherheit. Die Härte der hinteren Stoßdämpfer ist vom Fahrer über einen Drehknopf am Getriebetunnel in vier Stufen einstellbar. Schließlich im Innenraum: Holz und Leder, so weit das Auge reicht. Dazu hübsch gemachte Staufächer neben den Rücksitzen und in der Mittelkonsole.

Dank Rüstungsproduktion kann Jensen PKW bauen

Ein Blick auf die Geschichte der traditionsreichen Marke macht ebenfalls deutlich, dass hier keine Stümper zu Gange waren. Die aus Birmingham stammenden Brüder Alan (1906 – 1993) und Richard Jensen (1909 – 1976) übernahmen 1936 die Karosserie-Firma W. J. Smith & Sons, in der sie bereits mehrere Jahre als Konstrukteure und Designer arbeiteten. Neben Lastwagen-Aufbauten entstanden auch sportliche Personenwagen, unter anderem auf Ford-Basis. Einer der Auftraggeber war kein Geringerer als US-Filmstar Clark Gable.

Der erste Jensen-Personenwagen, ein offener Tourer mit 3,6-Liter-V8 von Ford, erschien 1935 und wurde 50 Mal gebaut. Trotzdem blieben Leichtbau-Lastwagen mit Alu-Kastenrahmen, die Jensen unter der Marke JNSN vertrieb, die eigentlichen Verkaufsschlager.

Durch die Produktion von Rüstungsgütern, darunter Aufbauten für Lösch- und Krankenfahrzeuge, überstand Jensen die Kriegsjahre mit gut gefüllten Kassen und widmete sich verstärkt der Produktion von Personenwagen.

Nach der großen PW-Limousine mit Vier-Liter-Sechszylinder von Austin präsentierte Jensen 1950 den ersten Interceptor mit moderner Ponton-Karosserie aus Aluminium. Jensen-Designer Eric Neale, der 1946 von Wolseley kam, schuf neun Jahre später sein Meisterstück.

Die Karosserie des 541 mit kraftvollrundlichem Fastback-Heck bestand aus Fiberglas und ruhte bereits auf dem Leiterrahmen des nachfolgenden Typs C-V8, musste aber mit dem nur 130 PS starken Austin-Sechszylinder vorliebnehmen.

Erstes ABS-Serienauto von 1966: Jensen FF

Der Jensen FF (Ferguson Formula) von 1966, der optisch wie auch technisch auf dem neuen, von Vignale entworfenen Interceptor basierte, besaß als erstes Serienauto permanenten Allradantrieb und eine ABS-Bremsanlage.

Doch nicht nur zahlreiche technische Neuerungen, sondern auch viele, von Jensen übernommene Fremdaufträge dokumentieren die Vielseitigkeit der britischen Firma. So entstanden dort zeitweise unter anderem der Austin Healey und das Volvo P 1800 Coupé.

Doch am besten zeigt Steffens’ Rallye-Jensen, aus welchem Holz der Exote geschnitzt ist. Der diplomierte Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieur, der seinen C-V8 und noch andere hochkarätige Old- und Youngtimer selbst wartet, erstand das Coupé 2004 von einem Mittdreißiger in England.

„Der fuhr den Wagen als Alltagsauto und benötigte wegen Nachwuchs ein praktisches Auto mit Hecklappe“, berichtet Steffens. Der Jensen hatte den zweiten Motor, aber den ersten Lack. Nach einer gründlichen Trockenlegung der V8-Maschine spulten die neuen Eigner mit ihrem kommoden Engländer 40.000 pannenfreie Kilometer ab.