Lamborghini Diablo VT Roadster im Fahrbericht

Schnell wie der Teufel - mit 492 PS!

Mit seinen 492 PS zählte der 1990 präsentierte Lamborghini Diablo zu den stärksten Autos dieser Welt. Reicht das zum würdigen Countach-Nachfolger? Unterwegs im rasiermesserscharfen Diablo VT Roadster.

Lamborghini Diablo VT Roadster, Frontansicht Foto: Hans-Dieter Seufert 24 Bilder

Vielleicht ist es nicht so besonders clever, die Detailaufnahmen des Lamborghini Diablo VT Roadster in einem schattigen Seitenarm der Stuttgarter Shopping-Meile zu produzieren. Fotograf Hans-Dieter Seufert muss immer wieder Pausen einlegen, weil der rote Renner Passanten und Schaulustige, die das Auto neugierig bestaunen, geradezu magnetisch anzieht. Der Sportwagen wirkt mit seiner exzentrischen Karosserie wie von einem anderen Planeten. Nur die grünen Männchen fehlen.

Der heiße Lamborghini Diablo VT Roadster knistert nach der anstrengenden Fototour zunächst nur selbstversunken vor sich hin, bis plötzlich die beiden im Heck verstauten Lüfter lautstark losheulen. Mit seiner heißen Luft erschreckt der Diablo zwei Mädchen, die gerade am Spoiler-Heck ein Selfie schießen. Sie hüpfen leicht panisch zur Seite und sehen sich voller Verwunderung an: Mann, das Ding lebt ja!

Diablo hat sich besser gehalten als Pamela Anderson

Fast alle Schaulustigen, die sich bei uns über den Exoten erkundigen, staunen nicht schlecht, als sie dessen Alter erfahren: knapp 20 Jahre. Tatsächlich hat sich der bereits 1990 präsentierte und ebenfalls von Marcello Gandini entworfene Countach-Nachfolger Lamborghini Diablo fast noch besser als Pamela Anderson gehalten und verrät eigentlich nur durch die Klappscheinwerfer und das in grellen Bonbonfarben gehaltene Lederinterieur sein wahres Alter.

Die Philosophie des heute noch überzeugenden Lamborghini Diablo-Designs lässt sich auf einen Grundsatz reduzieren: Das dicke Ende kommt noch. Während der nüchtern gestaltete Vorderbau bis zu den Rädern noch relativ harmlos wirkt und an einen Hond NS-X oder späten Lotus Esprit erinnert, verbreitern sich die Flanken bis zum Heck jeweils um mindestens 20 Zentimeter. Und mit seinem dramatisch gestalteten Hinterteil stemmt der Diablo dem Fahrtwind fast mehr Lufteinlässe als lackiertes Alublech entgegen. Die zunächst an der A-Säule nach unten gerutschte Seitenlinie steigt dabei langsam nach oben an und endet in jeweils einem riesigen Luftschacht, in den der Mops aus der Mini-Werbung problemlos hineinpassen würde.

Das Diablo-Dach ruht auf der Sonnenliege

Zwei Design-Gimmicks heben schließlich den Gandini-Entwurf vollends in den Olymp der unsterblichen Automobil-Kreationen: die vom Vorgänger Countach übernommenen Schwingtüren und das auf der Motorhaube absetzbare Roadster-Dach. Letzteres glättet etwas die provokante Optik, während die hochgeklappten Schwingtüren genau das Gegenteil bewirken und den Lamborghini Diablo VT Roadster in einen Düsenjet verwandeln. Die in den Himmel ragenden Türen signalisieren klar und deutlich: Achtung, Lamborghini kurz vor dem Abflug! Alle mal herschauen und herhören, gleich geht es los!

Natürlich erleichtert die offene Dachluke ganz erheblich das Hinabgleiten auf die niedrig montierten Schalensitze, zumal die beiden Passagiere ziemlich breite Seitenschweller überwinden müssen. Während der Fahrer sich dann unter dem Lenkrad und dem halbkreisförmigen Instrumententräger eingermaßen vor den Blicken Neugieriger schützen kann, liegen der Kopilot oder die Kopilotin im offenen Lamborghini Diablo VT Roadster wie auf einer Sonnenliege am Pool. Auch die heruntergezogenen Türen bieten keinen großartigen Sichtschutz, was bei der Wahl der Beifahrerin zu berücksichtigen wäre.

Dann eine ziemliche Überraschung:

Während die geschwungene Karosserie des Lamborghini Diablo VT Roadster draußen wie ein Orkan um den mächtigen V12-Motor herumwirbelt, zeigt sich die Mittelkonsole mit ihren Bedienknöpfen, der offenen Schaltkulisse und dem Becker-Mexico-Radio so streng und kantig wie in einem Militärlaster. Nur die herrlichen Himbeer- und Brombeer-Farben des dicken Leders, mit dem das Cockpit und die Sitze komplett verkleidet sind, korrespondieren mit dem Glamour der Lambo-Außenhaut.

Zum pragmatisch gestalteten Cockpit zählt auch ein schlichter Zündschlüssel, an dem wir nun endlich drehen dürfen, um die knapp 500 Pferdchen des 5,7 Liter großen V12 aufzuwecken. Nach einem zornigen Eröffnungsbrüller mäßigt die elektronisch geregelte Einspritzanlage den V12 zu einem beruhigenden Mommommommommomm. Jetzt steht einer Ausfahrt im Lamborghini Diablo VT Roadster nur noch das Kupplungspedal im Weg, das mit der Beinmuskulatur eines Radprofis wie Lance Amstrong nach unten gepresst werden will.

Die Kupplung schließt den Kraftfluss zwischen Motor und Getriebe so zügig wie kompromisslos, was der mächtige V12-Motor mit seinen 580 Newtonmetern Drehmoment klaglos wegsteckt. Wir fahren ohne Probleme mit etwa 1.500/min an und schalten bei 40 km/h bereits in den zweiten Gang. Rasch gewöhnen wir uns an die direkte, servounterstützte Lenkung und an die sehr effektiv arbeitende Bremsanlage des Lamborghini Diablo VT Roadster.

Das immerhin 2,04 Meter breite Monster fährt sich fast so problemlos wie der aktuelle Toyota GT86, verheimlicht dem Fahrer aber nicht seine Herkunft aus dem kleinen Städtchen Sant'Agata Bolognese, wo man seit 1964 rauflustige Stiere mit Straßenzulassung baut. Der Gangwechsel geht nur mit kontrollierter Kraft. Kernige Vibrationen dringen bis zum Lenkrad und in die Sitze vor. Und die Straße meldet sich von unten, wenn dort die 335er-Reifen der Hinterachse über einen nicht millimetergenau eingepassten Schachtdeckel hoppeln. Insofern ist der Lamborghini Diablo VT Roadster auch ohne Cabrio-Stoffdach ein echter kerniger Roadster.

Das Heck muss mit

Zuletzt ist man auch die Sorge los, dass der Lamborghini Diablo VT Roadster beim Abbiegen mit seinem breiten Heck an einer Fußgängerampel hängenbleibt. Hier muss man sich eben wie in einem Iveco-Truck mit dem Einlenken etwas gedulden. Die einfache Regel lautet: Zuerst kommt der Mann, dann die Maschine.

Jetzt ist es an der Zeit, mal einigen der Pferde des Lamborghini Diablo VT Roadster freien Lauf zu lassen. Schon ab 2.500/min zieht der kräftige V12 in allen fünf Gängen locker an, knurrt aber etwas missmutig vor sich hin. Das ändert sich, wenn die Nadel des Drehzahlmessers in Richtung 7.000/ min wandert. Dann erinnert das kernige Trompeten, das plötzlich von hinten ins offene Cockpit dröhnt, an die V12-Motoren der glorreichen Dreiliter-Ära in der Formel 1 von 1966.

Was bei höherem Tempo im Lamborghini Diablo VT Roadster geschieht, stellte bereits Eckhard Eybl in auto motor und sport 9/1996 fest: "Vorne schützt die breite und flache Windschutzscheibe wie ein Daunenschlafsack, den man sich in frischen Nächten unters Kinn zieht. Hinten verhindern Überrollbügel und Motorraum lästigen Zug."

Bessere Verarbeitung als beim Countach

Bleibt noch zu erwähnen, dass der Lamborghini Diablo VT Roadster die Strapazen der innerstädtischen Fototour völlig problemlos und ohne Hitzestress überstanden hat. Die Verarbeitung wirkt gemessen an seinem Vorgänger Countach spürbar solider. Das gilt zumindest für unser Fotomodell aus dem Jahr 1997, das auch über Allradantrieb verfügt. Das "VT" in der Modellbezeichnung steht für "Visco Traction" – permanenter Allradantrieb mit Viscokupplung, Drehmomentverteilung vorne/ hinten 15 zu 85 Prozent. Hinzu kommt ein adaptives Dämpfersystem, das in vier Härtestufen auch manuell eingestellt werden kann.

Der von 1990 bis 2001 gebaute Lamborghini Diablo entstand vorrangig unter der Regie von Chrysler. Den Amerikanern gehörte Lamborghini von 1987 bis 1994. Es folgten 1994 das indonesische Firmen-Konsortium Megatech und 1998 Audi. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Sondermodelle wie der SE 30 mit 525 PS, auf Wunsch mit Jota-Leistungspaket und 595 PS.

Nach der Übernahme durch Audi fand 1999 eine große Modellpflege statt - erkennbar am Fehlen der Klappscheinwerfer und am neu gestalteten Interieur. Aus dieser Ära stammen die GT- und GT-R-Modelle, deren auf sechs Liter Hubraum vergrößerte Motoren 575 und 595 PS leisten.

Welchen Lamborghini Diablo man nun wählt, ist Geschmacks- und vor allem auch Geldsache. Doch eines ist garantiert: Wie in Goethes "Faust" oder in den herrlichen "Hellboy"-Filmen ist jeder Auftritt dieses Teufels mit vier Rädern ein wahnsinniger Kracher.

Fazit zum Lamborghini Diablo

Der aufregend gestaltete Lamborghini Diablo hat im Lauf der Jahre an Attraktivität gewonnen. Es liegt wohl daran, dass er so selten zu sehen ist - und wenn doch, lässt er uns nur noch staunen. Sein Preis ging im Windschatten von Miura und Countach stark nach oben. Unter 80.000 Euro für frühe Standard- Autos geht heute nichts mehr.