Maserati 250 F im Fahrbericht

Rohr frei aus zwölf Zylindern

Juan Manuel Fangio feierte mit dem Maserati 250 F seinen fünften Weltmeistertitel. Neben dem Sechszylinder gab es zwei Prototypen mit Zwölfzylinder. Einer davon fährt noch - und wie.

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Fangio mochte den Maserati 250 F nicht, und das kann man gut verstehen. Jean Behra mochte ihn in Monza ab der 36. Runde nicht mehr, und das lässt sich noch besser verstehen: Bis dahin kämpfte der Franzose beim Italien-Grand Prix 1957 gegen Stirling Moss im Vanwall um die Führung, lag im königlichen Park im Maserati 250 F sogar zwei Runden vorn, als der V12 überhitzte.

Hightech-V12 sollte Maserati wieder konkurrenzfähig machen

Zur Rennmitte musste Behra den kochenden Kübel abstellen, Moss gewann. Und der argentinische Campionissimo, gerade auf dem Weg zu seinem fünften Weltmeistertitel, kam mit dem Zwölfzylinder-Maserati bei Trainings- und Testfahrten trotz Aufbietung all seiner Kunst nie ganz an die Zeiten des Sechszylinders heran. "Dabei ist der Motor ein Kunstwerk, ein technisches Juwel", schwärmt Maserati-Spezialist Mario Linke, "beispielsweise besteht er komplett aus Magnesium, nur die Köpfe sind aus Alu."

Tatsächlich hatte der seit Sommer 1953 in Modena beschäftigte Giulio Alfieri alle Register gezogen, als er 1956 mit der Entwicklung des 60-Grad-V12 als Nachfolger für den 2,5-Liter-Reihensechszylinder im Maserati 250 F begann. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Maserati 250 F bereits in seiner dritten Formel 1-Saison und hatte schon einigen Lorbeer eingefahren. Darunter 1954 zwei Siege in Buenos Aires und Spa-Francorchamps, jeweils mit Juan Manuel Fangio am Steuer - der anschließend in der Saison zu Mercedes wechselte, die Maserati-Punkte mitnahm und am Ende des Jahres seinen zweiten Titel feiern konnte.

Alle Register gezogen: Magnesium-Block, Aluminium-Köpfe und Doppelzündung

1956 aber zeichnete sich ab, dass der einst von Bellentani und Colombo entworfene Sechszylinder das Ende seiner Entwicklung erreicht hatte und der Maserati 250 F bald in Sachen Leistung ins Hintertreffen geraten würde. Alfieris nur mit Mühe zwischen die filigranen Rahmenrohre gezwängter V12 sollte den Anschluss an die Konkurrenz wieder herstellen und glänzte mit feinster Technik: Das Bohrung/Hub-Verhältnis war für damalige Zeiten überraschend stark überquadratisch und damit für hohe Drehzahlen ausgelegt, eine Zahnradkaskade trieb die je zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank an, die Ventile wurden direkt über Tassenstößel betätigt - und nicht, wie beim Sechszylinder, über verschleißanfällige Schlepphebel.

Beatmet von sechs 45er-Weber-Doppelvergasern und befeuert von zwei Zündkerzen je Brennraum, produzierte der V12 im Maserati 250 F gewaltige 320 PS - rund 50 mehr als der Sechszylinder. Leider lag die Leistung erst bei knapp fünfstelligen Drehzahlen an; im unteren und mittleren Drehzahlbereich tat sich im Vergleich zum Sechszylinder wenig. Damit ruinierte der neue Motor ausgerechnet die herausragende Eigenschaft des Maserati 250 F - seine Ausgewogenheit.

"Der Maserati 250 F war ein überaus harmonisches Fahrzeug, vor allem deshalb war er so lange konkurrenzfähig und erfolgreich", erklärt Adolfo Orsi, Sohn des damaligen Maserati-Besitzers Omer Orsi, der sich heute um die Historie der Marke kümmert. Auch Fangio sah sich außerstande, die Mehrleistung in mehr Geschwindigkeit umzusetzen: Selbst als er versuchsweise in Rallye-Manier um enge Ecken driftete, blieb der Argentinier mit dem Maserati 250 F V12 mehr als zwei Sekunden unter der Zeit mit dem Sechszylinder - und alle seine Teamkollegen waren noch schlechter.

Einziger fahrbereite Maserati 250 F V12

Fangio blieb somit 1957 beim Bewährten, holte zwei zweite Plätze und vier Siege - und wurde zum fünften Mal Weltmeister. Dennoch war der V12 des Maserati 250 F an sich keine Fehlkonstruktion, es fehlte ihm schlicht an Entwicklung. In modifizierter Form kam er später im Birdcage und im Cooper-Maserati zum Einsatz. Und im einzig gebauten Rennsportwagen Maserati 350 S V12, diesmal mit Aluminium-Block und aufgebohrt auf 3,5 Liter. Genau der Motor wiederum befindet sich derzeit im Maserati 250 F mit der Chassisnummer 2531 - der Maserati, den Behra in Monza abstellen musste.

Das Zwölfzylinder-Schwesterauto mit der Nummer 2530 gilt als verschollen, die Magnesiummotoren samt Teilen hortet seit dem Verkauf durch das Werk ein italienischer Museumsbesitzer. Nummer 2531 ist somit der einzige verbliebene und fahrbereite Maserati 250 F V12. Er hat, wie so oft, ein bewegtes Leben hinter sich: "Der Wagen ging zunächst nach Südamerika, wo er mit verschiedenen Motoren - darunter einem Chevy-V8 - in diversen Rennserien gefahren wurde; Ende der Achtziger gelangte er ohne Motor nach England und erhielt den 3,5-Liter eingebaut", erzählt Klaus Werner.

Seit den neunziger Jahren befindet sich der Maserati 250 F Monoposto in Deutschland und ist derzeit in der Obhut des Wuppertaler Händlers. Mit Werners Sohn Max am Holzlenkrad ist 2531 heute wieder gelegentlich auf der Rennstrecke unterwegs und kann bereits zwei zweite Plätze vorweisen, ausgerechnet in Monza. Doch bis das ganze Potential des Maserati 250 F V12 ausgeschöpft ist, müssen Mario Linke und seine Mannen noch etliches an Entwicklungsarbeit leisten - anlässlich eines der dafür notwendigen Tests konnte auch Motor Klassik auf dem Salzburgring ein paar Runden drehen.

Gänsehautfeeling durch den 250 F

Mit einem lässigen "übrigens, das Gaspedal ist in der Mitte" bittet Linke zur Probefahrt des Maserati 250 F. Nun soll die unorthodoxe Pedalanordnung Kupplung, Gas, Bremse laut Piero Taruffis 1958 veröffentlichten Standardwerks "Stil und Technik des Rennfahrers" ja beim gleichzeitigen Bremsen und Zwischengasgeben eine natürlichere Fußstellung ermöglichen - und Zwischengas verlangt das unsynchronisierte Fünfganggetriebe eine ganze Menge. Dennoch verknoten sich jedes Mal beim Anbremsen und Runterschalten vor der Schikane am Ende der Start-Ziel-Geraden beinahe die Beine im engen Fußraum des Maserati 250 F.

Das nächste Problem folgt direkt am Kurvenausgang: Die Leistungsentfaltung des 335 PS starken 3,5-Liters erfolgt so explosiv, dass der Maserati 250 F auf der feuchten Piste bei jedem unsensiblen Tritt auf das Gaspedal heftig auskeilt. Glücklicherweise geriet die Abstimmung des Fahrwerks trotz der gut 80 Kilogramm Mehrgewicht auf der Vorderachse vergleichsweise harmonisch, so lässt sich der Maserati 250 F leicht wieder einfangen. "Problematisch sind die 80 Kilo vor allem für die Bremsen, die gegen Rennende stark nachlassen", meint Mario Linke.

Auf der langen Gegengeraden Richtung Fahrerlagerkurve, einer der letzten wirklichen Mut-Kurven dieses Planeten, beschleunigt der Zwölfzylinder den Maserati 250 F hingegen infernalisch, und er singt dazu mit einem herrlichen Ton. "Ein eigentümlich hohes Heulen, das eine Gänsehaut verursacht", sagt Klaus Werner. Zumindest darin waren sich einst Fangio, Behra sowie alle anderen Mitglieder des Maserati Teams einig. Und für die Zuschauer stand es ohnehin nie in Frage: Mag der Sechszylindrige Maserati 250 F auch auf der Rennstrecke schneller sein - musikalisch ist der V12 unschlagbar.