Mercedes-Benz 400 SEL und Lexus LS 400

Zwei Luxuslimousinen im Fahrbericht

Toyota kann alles, nur kein Image. Dafür gibt es Lexus. Das ehrgeizige Debüt-Modell Lexus LS 400 fordert den Mercedes-Benz 400 SEL heraus. Gelingt der Coup gegen die Mercedes S-Klasse?

Lexus LS 400, Mercedes-Benz 400 SEL, Seitenansicht Foto: Arturo Rivas 29 Bilder

Wenn man vom Nissan Maxima kommt oder vom Toyota Camry aufsteigt, dann ist so ein Lexus LS 400 ein echtes Traumauto. Endlich gibt es Leistung im Überfluss, eine Zylinderzahl, der man weltweit Respekt zollt, und einen Antriebskomfort, der seinesgleichen sucht. Harmonie ist ganz wichtig in der japanischen Kultur, und die Viergangautomatik geht eben ganz besonders geschmeidig mit dem Achtzylinder des Lexus LS 400 um.

Der kraftvolle Antrieb, immerhin 254 PS stark, reich an Nockenwellen und Ventilen, bleibt fast unhörbar unauffällig. Er protzt nicht mit aufreizender Dynamik, der Sprint von null auf hundert vollzieht sich eher undramatisch. Dafür glänzt der Lexus LS 400 aber mit einer geschmeidigen Motor- und Getriebesteuerung, die Schaltvorgänge sind selbst nach den 150.000 Kilometern unseres Prachtexemplars der zweiten Serie kaum spürbar.

Lexus LS 400 wirkt nicht einschüchternd

Vieles kommt den Maxima- und Camry-Aufsteigern vertraut vor. Die Bedienungselemente des Lexus LS 400, die englischen Beschriftungen, der Türenklang, ja sogar der Geruch im Innenraum. Selbst die Größe der Luxuslimousine – so heißt das Kürzel LS wie Luxury Sedon profan auf Deutsch – wirkt noch nicht einmal einschüchternd. Und dass fast alles serienmäßig ist, daran hat man sich längst vorher in Japans gehobener Mittelklasse gewöhnt.

Dass die Antenne des Lexus LS 400 automatisch ausfährt, wenn man das Radio einschaltet, dass die Innenraumtemperatur, egal ob warm oder kühl, gleich bleibt und dass die Instrumentenbeleuchtung nachts jadegrün schimmert: Das ist ebenso japanisch wie Leder, das wie Kunstleder aussieht, oder Bedienungselemente, die man am liebsten mit einem Palm-Stift antippen würde, so winzig sind sie.

Das Design des Lexus LS 400 zeigt deutliche Anklänge an den W126 von Mercedes, vor allem die Frontpartie verrät die gelungene Vorlage. Der große Toyota, der in Japan Celsior hieß und dort mit dem zwölfzylindrigen Century noch einen Vorgesetzten hat, wirkt imposant und autoritär, seine Linien verlieren jedoch schleichend an Wirkung, je näher sie dem Heck kommen. Die Fondtüren sehen ohne den üblichen abgeteilten Steg seltsam aus, und die Rückleuchten erinnern ein wenig an den SsangYong Musso.

Seltener als ein Audi V8

Trotzdem ist der Lexus LS 400 ein ansehnliches Auto; was er an formalem Reiz vermissen lässt, holt er durch Individualität wieder rein. Schließlich ist er hierzulande noch seltener als ein Audi V8, und das will was heißen. Mit ihm teilt er hohe Langzeitqualität und zermürbende Ersatzteilsorgen. Vielleicht war Toyota so selbstbewusst, zu denken, an einem Lexus gehe nichts kaputt, was ja irgendwie auch stimmt. Der Lexus LS 400 versteckt die technische Brillanz von Motor und Fahrwerk unter einer biederen Hülle, die Charme und Raffinesse vermissen lässt.

Das ist sein Problem, man kann diesen Mangel an Attraktivität wohlwollend als Understatement interpretieren. Diese im Ursprung britische Tugend ist dem Mercedes 400 SEL völlig fremd. Er klotzt mit einst gigantischen Maßen, vor allem die Breite von 1,88 Metern ohne Spiegel war damals ein Problem. Nicht kompatibel mit Parkhaus-Rampen und Autoreisezügen, so hieß es in einer Rufmordkampagne gegen den vermeintlichen S-Klasse-Dinosaurier, der gerade einmal so breit ist wie ein neuer Ford Mondeo.

Mercedes-Benz 400 SEL über zwei Tonnen schwer

Politisch schien der Mercedes-Benz 400 SEL vor allem nicht korrekt in jenen harmlosen Prä-SUV-Zeiten. Er warf mit unsensiblen Begriffen wie Volllast-Anreicherung und Doppelverglasung um sich, dazu gesellten sich der 100-Liter-Tank und ein Gewicht von über zwei Tonnen. Es gab Peinlichkeiten wie die linkisch ausfahrenden Peilstäbe und eine zu gering bemessene Zuladung. Um ökologisch doch noch die Kurve zu kriegen, verpassten seine Entwickler dem Mercedes-Benz 400 SEL als Feigenblatt recycelbare Kunststoffe, die sich nach 20 Jahren auflösen und blank gescheuerte Motorkabelbäume zurücklassen.

Weil die Häme über den W140 in der Presse groß war, druckte Mercedes-Benz eine Rechtfertigungsbroschüre für die angefeindete S-Klasse. „Mammut, Traum und Himmelsschaukel“ lautete ihr mehr als kryptischer Titel. „Die Japaner hätten uns rechts überholt, wenn diese S-Klasse nicht so wäre, wie sie ist “, heißt es da mit einem Seitenhieb auf den Lexus LS 400, der sich gerade in den USA mit alarmierend hohen Verkaufszahlen warm lief.

Heute haben wir dem W140 längst verziehen. Seine wuchtige Größe imponiert. Die planen, weder durch Sicken noch durch Lichtkanten aufgelösten Flächen finden wir auf einmal hinreißend elegant und von schnörkelloser Klarheit. Vor allem in der Langversion gefällt der Mercedes-Benz 400 SEL mit seinen ausgewogenen Proportionen.

Fällt die Fahrertür erst einmal, sanft von der Servoschließung angesaugt, ins Schloss, dann nimmt das Wunder 140 seinen faszinierenden Lauf. Wie von selbst greift die Hand zur Sitz-Silhouette in der Türverkleidung; ein paar winzige feinmotorische Bewegungen später, und der breite Ledersessel des Mercedes-Benz 400 SEL serviert einem die optimale Sitzposition. Ein Schlüsseldreh, und der Vierventil-Achtzylinder mit insgesamt vier Nockenwellen nimmt fast lautlos seine Arbeit auf.

Fürstliches Raumgefühl im Mercedes-Benz 400 SEL

Mit schlafwandlerischer Zielsicherheit greift die rechte Hand zum ach so vertrauten Faustkeil-Wählhebel und schiebt ihn die Zickzack-Kulissen entlang auf D. Nur ein leichter Druck aufs Gaspedal genügt, um den schweren Mercedes-Benz 400 SEL nachhaltig zu beschleunigen. Das Raumgefühl ist fürstlich, die Instrumente geben Zufriedenheit und sind im typischen, konservativen Mercedes- Stil gehalten.

Orangene Zeiger, der altehrwürdige Öldruckmesser und ein noch mechanisches Kilometer- Zählwerk transportieren die nostalgische Geborgenheit eines bürgerlichen W124 in die einst als überheblich empfundene S-Klasse. Das Wunder 140 offenbart sich auch in der spielerischen Leichtigkeit seines Handlings. Da steht er dem viel kompakteren Lexus LS 400 in nichts nach. Es ist beeindruckend, wie mühelos sich der große, schwere Wagen durch den Verkehr dirigieren lässt.

Die einklappbaren Außenspiegel muss der Mercedes-Benz 400 SEL dabei noch nicht einmal anlegen. Auch der überragende Fahrkomfort begeistert, da ist der W140 nochmals eine Klasse besser als sein Vorgänger. Trotz konventioneller Stahlfederung gibt er stets die Sänfte, auch auf den unebenen, kurvenreichen Kreisstraßen rund um Rosenheim.

Vollendeter Fahrgenuss

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Schon der Lexus ist ein Auto zum Kuscheln, eine fahrende Hängematte, die Lärm und Hektik draußen lässt. Aber der Mercedes-Benz 400 SEL toppt dieses Wellness-Gefühl locker. Man fährt 300 Kilometer und bedauert, dass man am Ziel ist. Wenn die Sonne durchs große Schiebedach scheint, der Achtzylinder vorne sanft säuselt und der Wagen willig und mit devotem Gehorsam dem Kurvengeschlängel folgt, kann man nicht aufhören. Die Tanknadel fällt bei kommodem Cruisen erstaunlich langsam, die nervöse Verbrauchsanzeige pendelt um 10. Der 100 Liter-Tank ist längst noch nicht leer.