Mercedes-Benz C 111

Rekordwagen mit Wankelmotor

Der Mercedes-Benz C 111 mit Wankelmotor war der spektakulärste Supersportwagen der Saison 1969/70. Motor Klassik erinnert sich an eine Probefahrt vor 25 Jahren, zusammen mit dem C 111-Entwickler Dr. Hans Liebold.

Mercedes-Benz C 111 Foto: Jürgen Zerha 30 Bilder

Am Mercedes-Benz C111 ist das absolut überraschende das Handling. Wie kann ein damals immerhin schon 16 Jahre altes Auto so sensibel, so präzise, so weich und dabei doch überhaupt nicht schwammig einlenken, Kurven umrunden, bremsen?


Geheimnis der überragenden Straßenlage: Weich gefedert – straff gedämpft

Der Mercedes-Benz C111 bedeutete auch 1986 immer noch eine kleine Offenbarung in Sachen Straßenlage, damals, in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als sich die Auto-Elektronik noch auf Zündung und Einspritzung beschränkte. Von ESP, ASR, elektronisch verstellbaren Dämpfern, regelbaren Federn oder gar Hydro-Fahrwerken à la Bose war kaum zu träumen. Sein Vater, der Mercedes-Benz C111-Projektleiter Dr. Hans Liebold, erinnerte sich damals, 1986, in Hockenheim: „Wir haben die Radaufhängung entwickelt und schließlich wie bei einem Rennwagen konstruiert – mit doppelten Querlenkern vorn und dreifachen hinten. Ansonsten sind wir unserer angestammten Abstimmung auch beim Mercedes-Benz C111 im Prinzip treu geblieben. Wir haben immer relativ weich gefedert, aber straff gedämpft.“

Das Set-up des Mercedes-Benz C111 funktioniert bis heute prächtig, doch Straßenlage rangiert in den sinnenfrohen Debatten an den Stammtischen der Sportwagen-Fans nicht unbedingt an erster Stelle. Hier verteidigt nämlich die Beschleunigung ihren Ruf als Zahl aller Zahlen: Wie schnell nimmt das Coupé Tempo auf, und wo steht der Tacho, wenn sich Antriebskräfte und Fahrwiderstände endlich die Waage halten? Mercedes-Benz ermittelte einst den sagenhaften 0-auf-100-km/h-Wert von nur 4,8 Sekunden, bei 1.250 Kilogramm Lebendgewicht des Mercedes-Benz C111. Spätere Messungen erbrachten hingegen nur den allerdings immer noch höchst respektablen Wert von 5,5 Sekunden in der gleichen Disziplin, weshalb die Frage auftauchte: Wie ist das möglich?

Messwerte – Alles eine Frage des Set-Ups

Die Erklärung: Während bei der etwas langsameren Zeit das 1.250 Kilogramm schwere Coupé einmal mit Straßenreifen und dem bei 7.000/min einsetzenden Drehzahlbegrenzer gemessen wurde, hängte Mercedes den Unterbrecher für ein einziges Mal aus, zog Rennreifen wegen der besseren Traktion auf und drehte bis 9.000/min – so reichte der erste Gang des Mercedes-Benz C111 bis über die 100-km/h-Marke, und schon stoppten die Uhren den Sprint bis Tempo 100 sieben Zehntel hurtiger.

Die Feststellungen der wenigen Glücklichen, die mit dem sensationellen Coupé umgehen durften, packten den Mercedes-Benz C111 der zweiten Serie, Debüt auf dem Genfer Salon 1970, in einen dicht gesponnenen Kokon aus höchsten Erwartungen. Die Versuchsfahrer attestierten dem „Nachwuchs der Silberpfeile“ perfekte Verarbeitung; keine Stelle, die unfertig, provisorisch oder oberflächlich geflickt schien.

Vierscheiben-Wankel – Musterbeispiel an Elastizität

Da hatte die noch mit einer Blechkarosserie und Rundscheinwerfern bestückte allererste Variante des Mercedes-Benz C111 mehr Bedenken hinterlassen. Die führte die hinteren Antriebsräder mit der Endversion des Pendelachsen-Prinzips à la W 114 und setzte auf die Vorderradaufhängung der späteren S-Klasse W 116. Doch heftige Lastwechselreaktionen mahnten zum Optimieren des Fahrwerks, womit dann bereits der Mercedes-Benz C111/1 aufwartete. Und nicht nur die Achsen wurden verbessert. Der ursprünglich installierte Dreischeiben-Wankel mit 300 PS wich einer Vierscheiben-Version, die 350 PS abgab. Der Drehmomentverlauf verhieß höchsten Fahrgenuss: Zwischen 4.000 und 7.000/min standen kontinuierlich um die 400 Newtonmeter zur Verfügung – der große Wankel des Mercedes-Benz C111, ein Musterbeispiel an Elastizität.

Abwürgen ist praktisch unmöglich: Schon bei der Leerlaufdrehzahl von 800/min zieht der Rotationskolbenmotor wie ein junger Ochse. Die Atmosphäre im Cockpit des Mercedes-Benz C111wirkt wohnlich und irgendwie familiär. Die leichten Flügeltüren deckt der bei Mercedes- Benz typische Pepita-Stoff der sechziger Jahre, und die Uhren für Drehzahl und Geschwindigkeit tragen markentypisch einen netten Chromstreifen.

Mit der lockeren Behändigkeit, die gerade auch Berufsrennfahrer schätzen, rasten die Gänge im ZF-Getriebe. BMW-Fahrer kennen dieses Gefühl aus dem M1, wo das gleiche Aggregat – nur mit anderen Radsätzen bestückt – Dienst tut. Beim vollen Beschleunigen stemmen sich die Lehnen der ebenfalls kariert bezogenen Schalensitze im Mercedes-Benz C111 gegen den scheinbar bleischwer werdenden Körper des Fahrers, und der Wankel dreht ohne nachzulassen so selbstbewusst dem Horizont entgegen, als wolle er alle Hubkolbenmotoren schon im zweiten Gang deklassieren. Felix Wankels Patent sollte damals ja den „Schüttelhubern“ endgültig den Garaus machen. Doch Verbrauch, Dichtprobleme und eine sehr kostenintensive Fertigung stempelten den Wankel schließlich zu nicht mehr als einem Nebenweg auf der technischen Marschroute des Automobils.

C 111 mit „Schlechtwegefahrwerk“

Das Vierscheiben-Aggregat im Mercedes-Benz C111 erinnert akustisch auch ausgedreht nie an den fatalen Zweitakt-Klang, den kleine Wankel ja gern an den Tag legen. Es brummt ein wenig hinter der Rückwand des Cockpits, unter Last etwas kerniger, aber durchweg kultiviert. Die Zweischeibenkupplung bändigt das lokomotivenartige Drehmoment mit erstaunlich zivilen Umgangsformen. Die 350 Wankel-Pferdestärken lassen sich so in eine sehr zügige Fahrweise umsetzen. Mercedes-Benz C111-Projektleiter Liebold damals: „Im Versuch lagen die Rundenzeiten auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim regelmäßig bei 1:17 Minuten, allerdings mit Dunlop-Rennreifen.“

Der Motor ist direkt mit dem Rahmen des Mercedes-Benz C111 verschraubt, wirkt aber tatsächlich wie weich und elastisch aufgehängt. Liebold: „Als wir damals unseren bekannt kultiviert laufenden Achtzylinder mal probeweise in den Mercedes-Benz C111 einbauten, und zwar ohne geräuschdämmende Elastiklager, da saßen wir anschließend im Cockpit vorn und fürchteten uns vor der rappelnden Rübenmühle im Motorraum.“

Die genialen Fahrwerksqualitäten des Mercedes-Benz C111/2 von 1970 führten beim Revival der Fahrversuche 1986 zu einer unvorhergesehenen Zwangspause. Projektleiter Liebold verzweifelte – weil er keine schlechte Straße mehr fand. Die Rennpiste in Hockenheim war ja ohnehin ziemlich eben, aber auch die Zufahrtsstraßen zum Motodrom. „Es muss hier doch noch irgendwo eine schlechte Straße geben“, grantelte Liebold, setzte sich in den Prototypen, der nur zur Ausfahrt im Kreis abgeladen worden war, und verschwand Richtung Speyer. Dort fand sich endlich ein holperiger Seitenpfad voller Löcher, garniert mit Längsrillen und Wellen. Als der Mercedes-Benz C111 geschmeidig über diese Buckelpiste rollte, strahlte der Projektleiter: „Sagenhaft. Bei niedrigem Tempo noch ein wenig steif, aber je schneller, desto komfortabler.“ Sprach's, gab Gas und hatte seine Freude, als der kein bisschen angejahrt wirkende Versuchswagen die Fahrbahn buchstäblich einzuebnen begann.

Zahlreiche Rekorde mit Wankel-, Diesel- und Benzinmotoren

Wie Liebold wohl zu Mute war, als das Wankelprojekt in der Blüte seiner Jahre der ersten Ölkrise von 1973 zum Opfer fiel? „Die Motivation, die vom Mercedes-Benz C111 ausging, war für die ganze Mannschaft sagenhaft. Da waren viele traurig, als das Projekt beendet wurde. Aber es ging ja mit Aerodynamik-Versuchen weiter, mit Hubkolbenmotoren und anderen Projekten.“ Der Mercedes-Benz C111 überlebte als Rekordwagen. Ein Turbodiesel holte 1976 nicht weniger als 16 Weltrekorde, darunter den über 500 Kilometer, mit einem Schnitt von 254 km/h. Zwei Jahre später war die vierte Generation des Mercedes-Benz C111 fertig, ein aerodynamisch optimiertes Geschoss auf vier Rädern. Mit Dieselmotor holte es neun neue Weltrekorde, darunter wieder den für 500 Kilometer, diesmal mit 322 km/h.

Mit einem Biturbo-V8 fiel in Nardo gleich auch noch der Rundstreckenrekord über zehn Kilometer an Mercedes-Benz: 404 km/h. Bevor die Reifen des Mercedes-Benz C111 ihre nur halbstündige Lebensdauer erreicht hatten, holte der Mercedes-Benz C111 noch drei weitere Weltrekorde, etwa die 100 Meilen mit einem Schnitt von 367,4 km/h. Begonnen hatte alles mit einer Prise Wankel-Mut – einst eine Tugend, die Daimler-Benz gewaltig auf die Sprünge half.