Oldtimer-Gutachten

So bekommt ihr Klassiker ein H-Kennzeichen

Jetzt wird es ernst: Damit unser Redaktions-Alfa ein H-Kennzeichen erhält, muss er zuerst einmal für ein Vollgutachten die TÜV-Hürde meistern. Fast wären wir an einer Felge gescheitert.

Oldtimer-Gutachten, TÜF Süd, Alfa Romeo, Michael Schröder Foto: Arturo Rivas 12 Bilder

Natürlich sind wir nervös. Weil unser Redaktions-Alfa heute einen Termin beim TÜV Süd hat und sich jetzt definitiv zeigen wird, wie es um das Auto steht und ob es überhaupt ein H-Kennzeichen bekommt – ein Oldtimer-Gutachten ist dafür vorgeschrieben. Immerhin, die Rahmenbedingungen stimmen hoffnungsvoll: Der Spider ist exakt 30 Jahre alt und befindet sich mit einer Laufleistung von 135.000 Kilometern in einem guten Originalzustand. Inzwischen hat er eine große Inspektion über sich ergehen lassen (Tausch sämtlicher Flüssigkeiten, neue Bremsbeläge etc.) und trägt auch wieder Originalräder und natürlich neue Reifen. Eigentlich ist die Redaktion zuversichtlich.

Ziel: Der Titel Kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut nach § 23 StVZO

Punkt zehn Uhr übernimmt Matthias Gerst, Oldtimer-Experte des TÜV Süd Auto-Service der Niederlassung Heilbronn, den Alfa. Der TÜV-Ingenieur soll ein Vollgutachten für unseren aus einem Nicht-EU-Land importierten Spider nach § 21 StVZO erstellen sowie das Auto mit einem Oldtimer-Gutachten als "kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut" nach § 23 StVZO einstufen. Die Fahrzeugidentifikations- sowie Motornummer hat Gerst vorab erhalten und mit diesen Angaben bereits ein Datenblatt aus der hauseigenen Datenbank mit den entsprechenden Herstellercodes für die Zulassungsbescheinigung erstellt.

Gerst vergleicht zuallererst die genannten Nummern und verschafft sich einen ersten Eindruck von dem Auto. Weil der Motorraum trocken ist und auch sonst alles dort zu sitzen scheint, wo es bei einem Alfa Romeo Spider 2.0 aus dem Jahr 1984 hingehört, spricht er von einem guten zeitgenössischen Allgemeinzustand – wichtig für ein Oldtimer-Gutachten. Wir werden mit unserer "Gummilippe" also nicht gleich vom Hof gejagt, immerhin.

"Zeitgenössischer Originalzustand"

Gerst erklärt, dass der Begriff "zeitgenössischer Originalzustand" gelegentlich unterschiedlich interpretiert wird. Generell würden jedoch Modifikationen akzeptiert, die bereits in den ersten zehn Jahren nach Erstzulassung vorgenommen wurden: "Es gibt für das Oldtimer-Gutachten kaum Einwände gegen zeitgenössische Veränderungen." Beim Anbau moderner Teile oder einer erheblichen Veränderung von Optik und Technik bestünde jedoch die Gefahr, den Oldtimer-Status zu verlieren – oder gar nicht erst zu erhalten.

Inzwischen ist unser silberner Alfa in die Halle gerollt. Matthias Gerst will nun überprüfen, ob "alle für die Fahrsicherheit relevanten Bedingungen erfüllt sind", wie es im hauseigenen Informationsfilm "Der Weg zum H-Kennzeichen" heißt (www.tuevsued.de). Auf dem Bremsprüfstand lokalisiert der Ingenieur dann tatsächlich den ersten wunden Punkt des Autos, obwohl die angezeigten Werte im grünen Bereich liegen: Die Bremsscheibe vorne links sei leicht unrund und die hinteren Bremstrommeln vermutlich oval: "Nichts Schlimmes, aber etwas, das beobachtet werden muss." Den Lichttest übersteht der Spider jedoch anstandslos - ebenfalls eine Voraussetzung für das Oldtimer-Gutachten.

Harmlose Gebrauchsspuren werden toleriert

Zwei Minuten später steht der Alfa Spider auf der Hebebühne. Gerst fallen sofort die seiner Ansicht nach etwas zu großen Spaltmaße an der Fahrertür sowie leichte Korrosion an beiden Türunterkanten auf. Eine kleine Delle im Schweller links hinten - ebenfalls eher harmlos, ebenso die leichten Rostspuren an beiden vorderen Schwellenspitzen. Auch Achsen, Lenkung und die Auspuffanlage geben keinen Grund zu einer größeren Beanstandung. Einzig das Radlager hinten rechts scheint etwas zu viel Spiel aufzuweisen. "Aber alles noch im vertretbaren Rahmen", erklärt der Prüfer. Das Oldtimer-Gutachten rückt in greifbare Nähe.

Ernsthafte Sorgen bereitet dem Mann aber, dass sich unter den montierten Schlauchlos-Reifen der Marke Continental offensichtlich Schläuche befinden, was seiner Meinung nach definitiv nicht sein darf. Diese seien bei Felgen wie diesen ohne Sicherheits-Hump zwar unbedingt erforderlich, doch sei ihm für Schlauchlos-Reifen von Continental bisher keine Freigabe für die Verwendung von Schläuchen bekannt. Daran könnte das Oldtimer-Gutachten scheitern.

Schlauchlosreifen mit Schlauch?

Für Klärung sorgt schließlich ein Anruf beim Kundendienst der Continental AG in Hannover. Uns wird per Mail innerhalb von wenigen Minuten schriftlich bestätigt, dass seitens des Reifenherstellers bei sachgerechter Montage nichts gegen den Einsatz von Schläuchen in modernen Pkw-Reifen spricht. Weiter heißt es: Speziell bei älteren Fahrzeugen könne es durch die Bauart der Felgen dazu kommen, dass nur ein Schlauch einen sicheren Sitz des Reifens auf der Felge gewährleisten würde.

Doch Matthias Gerst nimmt es beim Oldtimer-Gutachten (berufsbedingt) sehr genau mit dem Thema Sicherheit, und sein Blick lässt kurz vor Schluss wenig Gutes erahnen: Tatsächlich missfällt dem Prüfer eine seiner Meinung nach zu grobe Schweißnaht auf der Felge hinten links. Das Rad könne er aus Gründen der Fahrsicherheit so nicht akzeptieren. Glücklicherweise befindet sich im Kofferraum jedoch ein vollwertiges Ersatzrad, welches wir an Ort und Stelle montieren dürfen. Die beanstandete Felge wird später in den Müll wandern (der darauf aufgezogene Reifen natürlich nicht).

Reif für das H-Kennzeichen!

Eine letzte Hürde steht unserem Alfa für das Oldtimer-Gutachten noch bevor: die Abgasprüfung, die für alle Fahrzeuge gesetzlich vorgeschrieben ist, die nach dem 1. Juli 1969 gebaut wurden. Doch auch hier behauptet sich der Alfa Spider mit guten Werten. So, wie es aussieht, steht einem Vollgutachten sowie einer Einstufung als Oldtimer nichts mehr im Weg.

Wie es weitergeht? Der Alfa wird dank des Oldtimer-Gutachten schnellstmöglich sein H-Kennzeichen erhalten und demnächst auf Dienstreise gehen. Aber das war der Redaktion eigentlich schon heute Morgen klar.

Spezial-Kennzeichen für Ihren Oldtimer

Autos, deren Erstzulassung mindestens 30 Jahre zurückliegt und die sich weitestgehend im Originalzustand befinden, können mit einem H-Kennzeichen zugelassen werden. Das Auto darf ohne Einschränkung bewegt werden und wird mit 192 Euro pauschal besteuert. Wer mehrere Oldtimer besitzt, diese aber nicht regelmäßig bewegt, fährt mit der roten 07er-Nummer als Wechselkennzeichen günstiger. Steuer und Versicherung werden nur einmal für das teuerste Auto entrichtet. Allerdings sind nur Probefahrten oder Fahrten zu Clubtreffen oder Oldtimer-Veranstaltungen gestattet.