Porsche 911 (964) Carrera 2 im Fahrbericht

Auch der 964 ist ein echter Elfer!

Kenner haben den Porsche 964 entdeckt. Die dritte Elfer-Generation fährt endlich aus dem langen Schatten des G-Modells. Trotz Servolenkung, ABS und sicherem Fahrwerk ist der Carrera 2 kein Softie. Seine Fahrleistungen sind so grandios wie die vom 3,3-Liter-Turbo.

Porsche 964, Frontansicht Foto: Karl-Heinz Augustin 16 Bilder

Veilchenblau-Metallic ist nicht gerade die Farbe der Le Mans-Sieger. Dieses gewagte Lackbunt als der Frühlings-Schuhkollektion von Escada passt ideal zum Golf-Erdbeerkörbchen, macht aber unseren Porsche 911 Carrera 2 erst recht zum Softie. Die dritte Generation des Porsche 911, wenn man in großen Sprüngen denkt - also F-Modell bis 1973, G-Modell bis 1989 - tut sich immer noch schwer mit dem traditionell-gusseisernen Image des Macho-Sportwagens.

Die abgerundeten Stoßfänger kleiden ihn zarter und im Ausdruck weniger entschlossen. Auch technisch schwimmt der Typ 964, wie er intern heißt, auf der neuen weichen Welle. Vielleicht ist dieses vermeintlich sanfte Wesen des Porsche 964 der Grund für die heute günstigen Preise dieser noch wenig begehrten Baureihe.

Servolenkung und ABS feiern im Porsche 911 Premiere

Erstmals hat ein Porsche 911, der bis zum Modelljahr 1977 sogar ohne Bremskraftverstärker auskam, eine Servolenkung. Ja sogar ein Antiblockiersystem - immerhin noch abschaltbar, hielt Einzug. Und das völlig neu konzipierte Fahrwerk mit Federbeinen vorn und hinten statt Drehstabfedern sorgt nur noch für mildes statt unberechenbares Übersteuern im Grenzbereich. Die Kunst des Gegenlenkens, der 964-Pilot muss sie nicht mehr virtuos beherrschen, es reicht eine mündliche Belehrung.

Selbst schnelles, präzises und vor allem geräuschloses Schalten, beim schnöden Knudsen-Taunus auch für Damen genussvolle Routine, im alten Porsche 911 muss man es können, trotz normalen H-Schemas mit vorn links platziertem 1. Gang. Wegen der langen Übertragungswege verlangt der recht lange Schalthebel des Fünfganggetriebes eine entschlossene, kundige Hand.

Erster Porsche mit Vollautomatik

Der Porsche 964 kommt in den Genuss des laufruhigen und präzisen G50-Fünfganggetriebes aus den letzten Tagen des G-Modells. Sein neuer kurzer Joystick auf der liebevoll ausgeformten Mittelkonsole macht das Schalten im Carrera 2 nun zum Vergnügen. Schade, dass man es bei dem neuen 3,6-Liter-Großkolben-Triebwerk nicht häufiger muss. Nichts ist mehr von der drehzahlgierig-hechelnden Kurzatmigkeit früherer Elfer-Motoren geblieben.

Der großvolumige Sechszylinderboxer des 964 zieht jetzt schon ab 1.200/min unaufhaltsam aus dem Drehzahlkeller seines kunstvoll verrippten Leichtmetallblocks. Deshalb harmoniert er auch so wunderbar mit der Viergang-Tiptronic. Der Porsche 964 Carrera 2 ist der erste Porsche mit Vollautomatik, auch das ein Sündenfall des Weich-Eis?

Die neue ZF-Servolenkung kostet vorn ein bisschen Tank und Kofferraum. Auch sie ist eher Komfortattribut denn Notwendigkeit, schließlich liegen nur 39 Prozent des Elfer-Gewichts auf der Vorderachse. Aber ihr zauberhaftes Fluid nimmt ihr die früher unangenehme Stoßigkeit auf holprigen Straßen, die schon mal Armbanduhren unfreiwillig öffnete. Auch der labile Geradeauslauf des Porsche 911 Carrera 2 fand dank Servo und verbesserter Balance - der Ölkühler sitzt jetzt vorn - späte Genesung. Das hektische Sägen am Lenkrad, früher ebenso Merkmal des eilfertigen Elfer-Autobahnkuriers wie des quer driftenden Kurvenräubers, ist stoischem Gleichmut gewichen.

Schluss mit den Vorurteilen!

Ruhe also sanft, 964? Killt der Fortschritt beim Porsche 911 den Fahrspaß? Ist der brachiale Bolide 928 GT endlich an seinem ewigen Ziel, der dynamischste Porsche zu sein? Jetzt wissen wir warum dieser weichgespülte Hubraumriese Carrera 2 ein Ladenhüter ist.

Stopp! Weg mit den Vorurteilen, fahr erst mal einen Tag lang mit ihm, sonnig, trocken mit freiem Kopf. Gib dem Porsche 964 eine Chance, lass das Veilchen blühen, steig ein. Die Ledersitze haben immer noch die charakteristischen integrierten Kopfstützen, und das Zündschloss sitzt immer noch links. Und wenn du den Schlüssel rumdrehst, dann hörst du es wieder, das heisere Losbellen des Boxers. Unerhört spontan, unerhört angriffslustig. Du blickst immer noch auf fünf Rundinstrumente, die schöner nicht sein könnten. In der Mitte sitzt wie gewohnt der Drehzahlmesser, groß und wichtig wie ein König.

Sein roter Bereich beginnt erst bei sportiven 7.000/min. Wer glaubt, der üppig ausgeschenkte 3,6-Liter hätte jetzt eine langatmige Drosselmotor-Charakteristik, der irrt gewaltig. Stramme 250 PS bei 6.100/min sind ein Versprechen, das der 1.350 Kilo schwere Porsche 964 schon nach 5,5 Sekunden einlöst. Dann wird die 100-km/h-Marke gerissen.

Höchst effektiver Zweiventil-Sauger

Aber dann geht es erst richtig los. Die Nadel durcheilt die eng gestufte Tachoskala genauso überschallschnell wie einst beim 3,3-Liter-Turbo. Erst bei 264 km/h geben im Porsche 964 beide auf. Was für eine Referenz für diesen hoch effektiven Saugmotor mit Doppelzündung.

Die These vom Weichspüler- Porsche 964, sie zerschellt spätestens jetzt an der thermodynamischen Realität. Zwei Kerzen entfachen auf den großen Kolbenböden eine infernalische Flammfront. Die hoch entwickelte Digitale Motor Elektronik von Bosch steuert exakt die Einspritzmenge.

Der M64, wie der doppeltschlagkräftige Boxer jetzt intern heißt, ist nur noch in den Grundzügen mit dem 3,2-Carrera-Motor aus dem Vorgänger verwandt. Er bekam neue Zylinder, neue Kolben, eine optimierte Kurbelwelle, größere Ventile - immer noch zwei - und einen modifizierten Zylinderkopf. Er klingt vor allem bei hohen Drehzahlen etwas gedämpfter, ohne seinen unnachahmlichen Elfer-Sound zu verlieren. Der Klang, luftgekühlt deutlich schärfer als später wasserumspült, gehört weiterhin zu den Schlüsselreizen des Porsche 911.

964 Carrera 2 hat mehr Dampf als der Entenbürzel-RS 2.7

Du schaltest nicht nur um voranzustürmen, um zu wissen, dass der Porsche 964
jede Menge Dampf hat - mehr als der legendäre Carrera RS 2.7, der mit dem Entenbürzel, 10 mal so teuer wie dein verzärteltes Veilchen. Du tust es auch, um ihn nochmal bei knapp unter 5.000/min zu hören, das ist genau der Bereich freizügiger Entfesselung. Darüber wird es schnell zu hemmungslos, darunter mimt er den abgeklärten 928, grummelt nur allzu satt und zufrieden.

Der lederbezogene Getriebetaktstock findet wie von selbst durch die engen Schaltgassen. Jetzt geht es mal eine Weile im fünften geradeaus, die Drehzahlmessernadel pendelt erholt bei 2.400 Touren. Kein Verkehr stört, du bist im Reinen mit dir und deinem Porsche 964. Kannst dich in Ruhe auf das Ambiente einlassen, die Sitze, mit feinem duftendem Leder bezogen wie Himmel, Türgarnituren und sogar die Sonnenblenden.

Voll-Leder steht immer in den Gebrauchtwagen-Anzeigen, jetzt weißt du wie sich so was Edles anfühlt. Das Lenkrad, in der Mitte zwar airbagplump, aber der Kranz schön griffig, die Position angenehm steil. Du siehst auch im Porsche 964 vorn wie eh und je die wie Gallionsfiguren steil aufragenden Kotflügel.

Gereiftes Manufakturauto

Die Pedale immer noch stehend, aber mit wunderbar auf den Druckpunkt zu dosierender Kupplung. Die runden Smarties-Knöpfe - so, wie in den alten Elfern, nur schöner zum Anfassen. In solchen Details zeigt sich die Reife und die Sucht nach Qualität, die den Porsche 964 ausmacht. Er ist ein wertvolles Manufakturauto, exakt eingeparkt zwischen improvisierter Kleinserie und routinierter Massenproduktion, nichts an ihm wirkt billig. Er war 1991 jeden Pfennig seiner 112.420 Mark wert, ohne Extras, versteht sich. Zwischendurch hältst du mal an, dort neben dem Baumstumpf am Waldrand.

Während der Porsche leise ausatmend vor sich hinknistert, wirfst du einen Blick unter die Motorhaube des Porsche 964. Du erschrickst, im prallvollen Abteil wird das Wesentliche von Nebenaggregaten überwuchert. Du setzt dich auf den Baumstumpf, nimmst einen Schluck Wasser. Die Abendsonne färbt das Veilchenblau noch intensiver. Plötzlich findest du, dass es dem Wagen verdammt gut steht. Wie die neckischen Cup-Spiegel und die massiv geformten Cup-Räder.

In ihrer rundlichen Formfülle passen sie perfekt zur Linie. Designer Harm Lagaay hat wirklich keinen schlechten Job gemacht. Solche Details unterreichen den Interims-Status des Porsche 964. Er ist das Bindeglied zwischen der 911-Klassik und der 911-Moderne. Seine Manufakturreife macht ihn zum wertvollen Langzeitauto. Das neue Fahrwerk mit Federbeinen, Alu-Lenkern und reichlich Servo erzieht ihn weiter zum entspannten Gran Turismo. Schon bald wird der Porsche 964 der letzte echte Elfer sein.