Über Golden Gate-Bridge und Highway #1

Im Porsche Carrera RS um San Franisco

Zuerst zur Golden Gate Bridge, dann rasch ins Zentrum von San Francisco und anschließend über den Highway 1 hinunter nach Pebble Beach. Genug Programm für einen tollen Tag. Wenn dann noch ein Porsche Carrera RS auf einen wartet ...

Foto: Michael Schröder 11 Bilder

Die ersten Sonnenstrahlen streifen das Gerüst der Golden Gate Bridge. Das ist sie also, die Mutter aller Übergänge. 2.737 Meter lang und weitsichtig in "International Orange" gestrichen, sodass Schiffe und Flugzeuge diese weltberühmte Konstruktion möglichst nicht übersehen - sofern sich der Nebel ausnahmsweise einmal zurückhält. Was im Sommer allerdings eher selten der Fall ist.

Wer an solchen Tagen am Golden Gate steht, braucht warme Kleidung. Die Einheimischen wissen das. Viele Touristen dagegen nicht. Sie frieren wie einst Mark Twain, der nach einem Besuch an der Küste verwundert aufschrieb, dass der kälteste Winter, denn er je erlebt hatte, ein Sommer in San Francisco gewesen sei. Die Kapriolen des Wetters sind mindestens so berühmt wie dieses Bauwerk.

Vermutlich fällt es mir aus diesem Grund besonders schwer, mich an einem so perfekten Morgen wie heute von diesem Panorama zu trennen. Der diamantweiße Carrera (zu verkaufen unter www.carsauto.com) muss ohnehin fort, damit die Hierarchie wieder stimmt. Zwischenzeitlich schien der Wagen der Brücke in Sachen beliebtestes Fotoobjekt bei Touristen wie Joggern, Radfahrern und Schulkindern den Rang abzulaufen. "Great car!" Der Porsche kommt zur großen Überraschung selbst bei einem Besitzer eines Toyota Prius an. Sportikone neben Öko-Musterschüler - und kein böses Wort. Das muss am Umfeld liegen: San Francisco gilt seit jeher als weltoffen, unkonventionell und tolerant.

Man wird zwangsläufig zu Steve McQueen

Souverän gleitet der 73er Carrera durch den dichten Verkehr in Richtung Zentrum. Eigentlich ein Katzensprung. Aber was für einer! San Francisco wurde auf 42 Hügeln errichtet, deren Hänge teils so steil sind, dass man sich vermutlich selbst in der Schweiz geweigert hätte, dort mehr als nur eine simple Berghütte zu verankern. Doch in Amerika scheint nichts unmöglich zu sein. Flankiert von beneidenswert schönen viktorianischen Holzhäusern führen viele Wege gefühlsmäßig senkrecht in den Himmel - und im freien Fall wieder hinab.

Die Lombard Street, die jede zweite Postkarte ziert und viel mehr einer Girlande als einer Straße gleicht, zählt mit ihren acht Serpentinen auf kürzester Distanz sogar als kurvigste Straße der Welt. Die uneingeschränkte Königin jedoch heißt Filbert Street. Unglaubliche 31,5 Prozent Gefälle. Oder Steigung. Selbst langsam gefahren mutieren Querstraßen bergab dort plötzlich zu Sprungschanzen. Etwas mehr Tempo, und der Wagen würde vermutlich erst wieder auf der Gefängnisinsel Alcatraz aufschlagen.

Aber egal, wie man hier fährt - man ist immer ein bisschen Steve McQueen und scheucht in Gedanken einen Dodge Charger vor sich her. Die legendäre Verfolgungsjagd in "Bullit" war dabei nur der Auftakt für viele weitere, die hier gedreht wurden. Am besten gleich wieder wenden und das Ganze noch einmal.

Eigentlich könnte ich so locker den Tag verbringen, ohne dass auch nur eine Sekunde Langeweile aufkommt. Und ich würde nebenbei vermutlich mehr Höhenmeter sammeln als bei einer Pässe-Tour durch die Alpen. Grandios.

Weiter ins Zentrum. Mission District (spanische Straßenschilder), Richmond (Russisch als Umgangssprache), China Town (Geburtsstätte der Glückskekse), Little Italy (ausnahmsweise einmal guter Kaffee), Tenderloin (hier wären Vietnamesisch und Hindu hilfreich). Schließlich das Zentrum, der Financial District (wo man mitunter sechs verschieden Sprachen gleichzeitig vernimmt). Nicht viele Orte auf der Welt beherbergen solch eine geballte Mischung an Einflüssen aus jeder Himmelsrichtung auf so kleinem Raum. Viele kommen hierher, weil San Francisco als die unamerikanischste Stadt der USA gilt. Als die schönste sowieso.

Und wo wir gerade über Superlative reden - es heißt, dass der "Highway 1" zu den spektakulärsten Straßen der Welt zählt. Gleich draußen vor der Stadt schmiegt sich diese schmale Trasse an den westlichsten Rand des Kontinents, der hinter dem Asphalt unter den Wellen des Pazifiks verschwindet. Nach rechts ginge es auf der "1" hoch nach Kanada, links zieht sich diese Straße bis Mexiko.

55-Meilen-Limit: Zum Cruisen verdonnert

Ich schlage Kurs Süd ein, will hinunter nach Carmel und lasse den Porsche erst einmal rollen, um Augen und Kopf nach dem Trip durch die Stadt an diese plötzliche Weite zu gewöhnen. Weiße Schaumkronen tanzen auf dunklem Blau, bis Himmel und Wasser irgendwo in der Ferne nicht mehr zu unterscheiden sind. Alle paar Meilen die nächste atemberaubend schöne Bucht, eingefasst von Dünen und Klippen. Dort parken mächtige Pick-ups mit gewaltigen Stollenreifen im Sand, beladen mit Surfbrettern und Mountainbikes. Und mit Kühlboxen im Eisschrankformat, ohne die kein Amerikaner einen Tag am Strand verbringt.

Jetzt den Porsche laufen lassen, einfach mal schauen, wozu dieses verführerisch klingende 2,7-Liter-Boxer-Triebwerk in der Lage ist. Das wär’s. Die Straße würde dem Wagen gut passen. Obwohl - ernsthafte Kurven wie beispielsweise an der Côte d’Azur finden sich hier nicht. Für amerikanische Verhältnisse geht dieser Highway jedoch als Slalomkurs durch.

Doch es bleibt bei Schleichfahrt. Leider. Mehr als 55 Meilen pro Stunde dürfen es nicht sein, weil die Cops mit ihren Radarpistolen allgegenwärtig sind. Breitbeinig stehende Burschen mit verspiegelten Brillen und Rammgittern vor ihren Dienstwagen. Nein, mit denen will man nicht wirklich über Sinn und Unsinn eines Tempolimits diskutieren. Oder darüber, wie schlimm es um das Ego eines Carrera RS stehen muss, der zum Cruisen verdonnert wurde.

Monterey. Gleich nebenan: der Laguna Seca Raceway, eine der schönsten Rennstrecken der Welt (schon wieder so ein Superlativ ...). Mitte August müsste man hier sein. Zu den Montery Historic Automobil Races. In diesem Jahr findet die bereits 35. Ausgabe dieser Veranstaltung für historische Rennwagen statt. Mit dem Carrera dort auf Mustang-Jagd gehen - was für ein verlockender Gedanke!

Vorbei an der Clint Eastwood-Villa

Allmählich neigt sich der Tag dem Ende entgegen. Die Suche nach einem Logenplatz für einen echten Westküsten-Sonnenuntergang dauert nicht allzu lang - und kostet acht Dollar Eintritt. Im nächsten Moment steuert der Porsche bei Carmel über den 17-Mile-Drive und an den Villen der Kennedys oder Eastwoods vorbei. Wohnlagen aus einem anderen Universum. Zwischen schroffen Felsen und Pinienwäldern, mit Gärten so groß wie Fußballfelder, und immer der Blick auf den Pazifik, der ständig in Bewegung ist, der spektakulär und laut tosend über die Klippen kracht. Orte wie diesen finden sich nicht oft.

So gesehen passt es, dass hier einmal im Jahr der wohl exklusivste Schönheitswettbewerb für klassische Automobile stattfindet: der Pebble Beach Concours d’Elégance, der auf dem gleichnamigen, piekfeinen Golfplatz ausgetragen wird. Dort kommt man sich selbst in einem raren Porsche Carrera RS fehlt am Platz vor.

Egal. Ich wollte sowieso hinunter zum Strand. Im nächsten Moment verfärben die letzten Strahlen der Sonne den Himmel in ein glutrotes Meer.