Rolls Royce Seraph im Fahrbericht

Ein Bayer im Himmel

Klaus Westrup erinnert sich an den Silver Seraph, den ersten Rolls-Royce mit BMW-Motor. Rudolph Moshammer, Paradiesvogel der Münchner Schickeria, hat ihn gefahren. Der Seraph führt ihn auch zu seinem Mörder - zwölfzylindrig, leise und kraftvoll.

Rolls-Royce Silver Seraph, Seitenansicht Foto: Archiv 4 Bilder

Die Autowelt der Bel Etage ist 1998, zum Debüt dieses Rolls Royce, in Aufruhr und Unordnung. VW hat Rolls-Royce übernommen, mitsamt dem prachtvollen und aus dem BMW 750i stammenden Zwölfzylinder. BMW-Chef Pischetsrieder, beim Bieten um die traditionsreiche englische Marke unterlegen, ist ärgerlich, kündigt an, die Motorenlieferung zu stoppen.

Seidiger Zwölfzylinder von BMW

"Wenn das passiert", schreibt auto motor und sport anno 1998, "könnte der Seraph zum raren Sammlerstück werden."

Längst gehört Rolls-Royce zu BMW, ebenso wie Mini. Doch das Besondere am Rolls-Royce Silver Seraph bleibt der Motor, ein Zwölfzylinder vom Feinsten, 5,4 Liter groß, 326 PS stark, fast 500 Newtonmeter Drehmoment. Auch das Automatik-Getriebe ist made in Germany, von ZF in Friedrichshafen. Durch Zurücknehmen des Drehmoments beim Wechseln der fünf Gänge werden Rucke völlig vermieden. Der Seraph-Fahrer möchte es in jeder Hinsicht besser haben, rucken sollen die anderen.

Schreckhafte Kühlerfigur

Schon der Name, anknüpfend an die Silver-Trilogie aus Cloud, Shadow und Spirit, verheißt höchstes automobiles Glück, wird als himmlisches Wesen von hoher Reinheit und Leidenschaft beschrieben. Ganz vorn auf dem Rolls-Royce Silver Seraph schwebt wie gewohnt die berühmte Kühlerfigur Spirit oft Ecstasy, weder durch Dirndl noch Trachtenhut entfremdet.

Doch schreckhaft ist sie geworden, offenbar aus Sicherheitsgründen. Bei einem rüderen Schließen der Motorhaube des Rolls-Royce Silver Seraph verschwindet sie in einem Schacht und taucht so schnell nicht wieder auf.

Innen ist alles so verrollst, wie es sich nicht nur Moshammer wünschte. Feines Leder, edelste Hölzer und Klapptische in den Sitzlehnen. Das Instrumentenbrett eine einzige Pracht, Automatik-Wählhebel am Lenkrad. Es enthält schon einen Airbag, eine gewisse formale Eleganz bleibt dennoch erhalten.

Lang, schwer - und aerodynamisch

Fast fünfeinhalb Meter ist der Rolls-Royce Silver Seraph lang, fast zwei Meter breit und 2,3 Tonnen schwer. Er wirkt trotz der Fülle elegant mit seinen sanften Rundungen überall, dem eingezogenen Dachaufbau und dem lässig wirkenden Abschwung der Heckpartie. Mit einem Luftwiderstands-Beiwert von nur 0,37 kann sogar ein für Rolls-Royce-Verhältnisse neuzeitliches Maß realisiert werden.

Der Testbetrieb offenbart schon nach wenigen Tagen, dass es eine Mär ist, an einem Rolls-Royce ginge nichts kaputt. Der Zündschlüssel des Silver Seraph lässt sich nicht abziehen, wenig später zerbröselt die komplette Bakelit-Umhüllung, ein Beinahe-Notfall. "Nur einfache Dinge enttäuschen nicht", bemerkt einst der Schriftsteller und Auto-Liebhaber Erich Maria Remarque. Der Rolls-Royce Silver Seraph ist nicht einfach. Doch was er im Testbetrieb oder ganz einfach beim Fahren auf der Straße zeigte, ist jenseits aller illusionshaften Wohlgefühle, die ein Rolls-Royce permanent zu erwecken versucht, aller Ehren wert.

Der Rolls-Royce Silver Seraphmeistert den Elchtest

Noch relativ neu bei den zu absolvierenden Prüfungen ist der sogenannte VDA-Ausweichtest, besser bekannt als Elch-Test. Die ein Jahr zuvor debütierende Mercedes A-Klasse hat ihn ausgelöst, und nun müssen alle Testwagen da durch. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Rolls-Royce Silver Seraph ein Elch vor die Emily läuft, ist gering, aber es könnte ja auch ein Kind sein. Vollgeladen und nun annähernd drei Tonnen schwer passiert die Edelkarosse in einer Ausweichbewegung das imaginäre Hindernis, ganz unspektakulär, ein wenig behäbig, aber ohne böse Überraschung.

Die präzise Servolenkung des Rolls-Royce Silver Seraph vermittelt gute Bodenkontakte und sorgt im Zusammenspiel mit der elektronisch geregelten Stabilitätskontrolle und einer adaptiven Dämpferabstimmung für ein beruhigendes Sicherheitspolster. Der Rolls-Royce Silver Seraph ist ein echtes Fahrer-Auto geworden – einen eventuellen Chauffeur verbannt man am besten in den feudalen Wagenfond und nimmt das Lenkrad selbst in die Hand.

Der BMW-Motor hat an dieser Akzentuierung erheblichen Anteil, denn einen besser motorisierten Rolls hat es bislang nicht gegeben. Neu für das hochkarätige Publikum ist nicht nur das ungestüme Temperament, das den 2,3-Tonner in nur 18 Sekunden auf Tempo 160 wirft, sondern auch die Akustik. Die alten Rolls-Achtzylinder haben unter Last dumpf gegrummelt, nun ertönt ein energisch klingendes Singen, wenn Emily sich beim vollen Beschleunigen sanft nach oben reckt und die Silberlocken in den Fahrtwind streckt. Genau 17,5 Liter pro 100 Kilometer beträgt der Testverbrauch des Rolls-Royce Silver Seraph - nicht gerade wenig, aber man hat mit mehr gerechnet.

Komfort-Schwächen im Rolls-Royce Silver Seraph

Die Bremsen des Rolls-Royce Silver Seraph sind wirksam, auch unter großer Belastung, der Geradeauslauf ist selbst bei hohem Tempo exzellent, die Handlichkeit naturgemäß durch Abmessungen und großen Wendekreis eingeschränkt. Es ist nicht das einzige Minus, denn schwerer wiegt ein Punkteabzug bei der Bewertung des Federungskomforts - eigentlich einer Domäne der meisten Luxus-Limousinen.

Es sind vor allem Schwächen auf kurzen Unebenheiten und beim Langsamfahren, die die Passagiere des Rolls-Royce Silver Seraph ganz unstandesgemäß beanspruchen. Lange Wellen nimmt der Wagen hingegen souverän und mit jenem charakteristischen Schwingen, das in den Magengruben meist freudige Gefühle auslöst. Das Knarzen der schweren Leder-Fauteuils sollte nicht verdammt werden. Es macht akustisch deutlich, wie teuer eingekauft wurde.

Billig ist der Rolls-Royce Silver Seraph erwartungsgemäß nicht, er steht mit satten 444.000 Mark in der Liste. Das schafft den erwünschten Abstand zu einem schnöden BMW 750 iL, den es, gleich gut motorisiert, schon für 180.000 Mark gibt. Auch ein Extra aus der kurzen Aufpreisliste ist sonst nirgends zu bekommen, nämlich das "Staufach mit Sterling Silber Flachmann und drei Gläsern" für 7.100 Mark. Auch in einem Rolls ist der schönste Platz offenbar an der Theke.