Safari-Revival Ostafrika

East African Safari

Ein Ford Capri gegen 31 Porsche 911 – so lautete das ungleiche Duell bei der historischen Safari-Rallye, die vom 21. bis 29. November durch die Weiten Ostafrikas führte und bei der am Ende ein Reifenschaden über Sieg und Niederlage richtete.

Safari-Revival Ostafrika, Porsche 911, Blomqvist Foto: McKlein 24 Bilder

Stig Blomqvist gehört nicht unbedingt zur Spezies der Dampfplauderer. Auf die Frage, wie sein Tag auf Safari gelaufen sei, murmelt der Weltmeister von 1984 gerne etwas wie "good" oder "had some problems" in seinen grauen Stoppelbart, dann verschwindet er in den Tiefen seines Hotels. Weitere Erläuterungen zu seinen Abenteuern? Nicht bei Stig. Das war schon während seiner aktiven Zeit als Werksfahrer von Saab, Audi oder Ford so, und das ist bis heute so geblieben. Blomqvist lässt lieber seine Fahrkünste sprechen.

In 24 Stunden alles verloren

Am Samstagmorgen nach der East African Safari Classic Rallye war der stille Schwede jedoch noch schweigsamer als sonst, als er mit tiefen Falten auf der Stirn und Angela-Merkel-Mundwinkeln durch das Whitesands Resort von Mombasa stapfte. Stig sah aus wie ein Pauschaltourist, dem man gerade die letzte Sonnenliege weggeschnappt hatte. Dabei plagten den Schweden weit größere Sorgen.

Blomqvist hatte in den vergangenen 24 Stunden alles verloren, was es zu verlieren gab: erst die Rallye, dann seine Tasche mit Geld und Reisepass und in der Nacht auch noch seine Koffer, denen - im Gegensatz zu Stig selbst - nicht die Ausreise verweigert wurde. Selbst der Zettel mit der Gepäcknummer wurde ihm von den freundlichen Flughafenmitarbeitern abgenommen. Während sich die Koffer auf dem Weg über Istanbul nach Stockholm befanden, blieb der kahlköpfige Schwede in Shorts und T-Shirt in jenem Hotel zurück, in dem zehn Tage zuvor alles begonnen hatte.

31 von 60 Teams vertrauen auf Porsche

Nach einigen Versuchen im Ford Escort nahm Stig die Histo-Safari erstmals in einem Porsche 911 in Angriff und lag damit voll im Trend. Zwei Jahre nach dem ersten Porsche-Sieg vertrauten 31 von 60 Teilnehmern auf den Kultsportwagen mit Käfer-Genen. Der 2011er-Erfolg mit Björn Waldegård am Steuer hatte sich besonders für das siegreiche Team von Tuthill Porsche bezahlt gemacht.

Allein die britische Mannschaft reiste mit 17 Rallyeautos, ebenso vielen Servicesport wagen und 105 Mitarbeitern nach Mombasa - darunter auch eigene Ärzte und Physiotherapeuten, die sich um das Wohlergehen von Blomqvist, Waldegård und Co. kümmern sollten.

Ian Duncan greift im Perana-Capri an

Der einzige Herausforderer dieser Porsche-Übermacht war ein Einzelkämpfer aus Kenia: Ian Duncan, Sieger der echten Safari 1994 und der Histo-Safari 2009, hatte in seiner kleinen Werkstatt am Stadtrand von Nairobi einen Ford Capri Perana vorbereitet. Mit einem Capri, wie wir ihn kennen, hatte das orangefarbene Ungetüm jedoch nicht mehr viel zu tun. Während die Porsche-Fraktion auf gutes Handling und ordentlich Traktion an der Hinterachse baute, setzte Duncan auf Leistung und Bodenfreiheit. 400 PS wurden dem hochbeinigen V8-Monster nachgesagt. Damit bringt der Capri über 100 Pferde mehr auf den Boden als der Sechszylinder-Boxer des 911.

Doch nicht nur technisch lagen Welten zwischen dem kenianischen Capri-Projekt und dem europäischen Porsche-Rudel, das wurde besonders am Ruhetag im Amboseli-Nationalpark deutlich. Blomqvist und Kollegen nutzten die Reparaturzeit, um im Elefantentempo über den Serviceplatz zu flanieren und ihren Mechanikern einen motivierenden Schulterklopfer zu geben. Duncan erinnerte dagegen an ein ölverschmiertes Erdmännchen. Mal guckte sein Kopf unter dem Auto hervor, mal aus dem Motorraum, dann war er wieder zur Gänze verschwunden. Der Kenianer mit britischen Wurzeln griff zwar auch auf die drei maximal erlaubten Mechaniker zurück, nahm den Schraubenschlüssel aber dazu gerne selbst in die Hand.

Der Heimvorteil der Kenianer

Niemand kennt den Capri besser als er - und niemand kennt die Straßen Ostafrikas so gut wie Duncan. Der Heimvorteil der Kenianer, der vor 30, 40 Jahren schon Joginder Singh oder Shekhar Mehta zum Safari-Sieg getragen hat, ist auch im 21. Jahrhundert nicht von der Hand zu weisen. Der genaue Streckenverlauf wird zwar erst einen Tag im Voraus veröffentlicht, um illegales Training zu vermeiden. Allerdings sind die Prüfungen den einheimischen Fahrern aus der nationalen Meisterschaft bestens bekannt - ein Ian Duncan fährt das ganze Jahr über nichts anderes als holprige Schlaglochpisten, wie es sie in Europa gar nicht gibt.

Heimvorteil gegen Materialaufwand, zwei konträre Fahrzeugkonzepte und eine Route, die auf 3823 Kilometern alle erdenklichen Schwierigkeiten bietet, die das Gebiet um den Kilimandscharo bereithält. Der Franzose Philippe Vandromme (Porsche) fühlte sich an den neun Rallyetagen an mehrere Veranstaltungen erinnert, die so viel gemeinsam haben wie die Serengeti mit dem Schwarzwald. Am ersten Tag war es "so rutschig wie auf einer afrikanischen Version der Trophée Andros", die dritte Etappe erinnerte ihn an die "Abfahrt vom Col de Turini, nur auf Schotter" und Tag sechs empfand er "so hart wie die Paris-Dakar".

58 Teams zu Statisten degradiert

Diese Vielfalt sollte das ungleiche Duell Blomqvist/Duncan vom Start bis ins Ziel mit einer Spannung erfüllen, die man selbst bei den 400-Kilometer-Sprintrallyes der Rallye-WM nicht oft erlebt. An jedem der neun Tage wechselte mindestens einmal die Führung. Kaum hatte der Porsche in den kurvigen Taita Hills die Spitze erobert, schlug der Capri in der offenen Savanne zurück. Sogar die Technik spielte bei der Dramaturgie mit. Als Blomqvist den vierten Tag mit einem Ausrutscher begann, verursacht durch Bremsverlust, und fünf Minuten verlor, fing sich Duncan auf der nächsten WP prompt drei Reifenschäden ein und büßte ebenfalls fünf Minuten ein. Damit war die Pattsituation wiederhergestellt.

Stig und Ian hatten die übrigen 58 Teilnehmer spätestens jetzt zu Statisten degradiert. Waldegårds Fahrt endete am dritten Tag mit einer 1,5-fachen Vorwärtsrolle in einem betonierten Flussbett - ein Beweis für das hohe Tempo bei dieser Safari. Dakar-Veteran Grégoire de Mévius (ebenfalls Porsche) verlor einen Tag später 90 Minuten wegen einer gebrochenen Antriebswelle. Der Rest des Feldes schaute sich das Duell an der Spitze schon zur Halbzeit aus sicherer Entfernung an.

Taktikspiele entscheiden

In der zweiten Hälfte spitzte sich der Zweikampf um den Sieg weiter zu, die Taktikspiele konnten beginnen. Bei der Rückkehr in die Taita Hills war Blomqvist plötzlich nicht mehr schneller als Duncan, sondern langsamer. Der Schwede ging mit neun Sekunden Rückstand in den Finaltag und durfte daher hinter seinem Kontrahenten starten. Ein echter Vorteil auf den nicht abgesperrten Schotterpisten, wo das erste Auto traditionell die herumschleichenden Lkw-Fahrer aufschreckt. Zum Glück bis heute ohne ernsthafte Personenschäden.

Den Schlusstag hätte kein Regisseur besser inszenieren können. Auf der ersten Prüfung fuhren Duncan und Blomqvist dieselbe Zeit, auf der zweiten WP verwandelte Blomqvist den 9-Sekunden-Rückstand in einen Vorsprung von 38 Sekunden. Duncan musste reagieren und legte sich für die abschließende Prüfung seine Taktik zurecht: "Die Sektion hat 30 Sprünge, wenn wir bei jedem Sprung eine Sekunde gewinnen, sind wir fast da."

Inoffizielle Zeitmessungen belegen, dass die Berechnung ziemlich genau stimmte. Nach zwei Dritteln der Prüfung hatte er seinem Rivalen eine halbe Minute abgenommen. Es ging um jede Sekunde, bis das Blomqvist-Drama seinen Lauf nahm: Ein Reifenschaden raubte dem Schweden 18 Kilometer vor dem Ziel alle Chancen auf den Sieg - und die Sprache.

"Danach war es ganz ruhig im Auto", sagte Copilot Staffan Parmander im Ziel. Ian Duncan und Amaar Slatch gewannen die East African Safari Classic Rallye und bewiesen damit, dass der Mythos Safari auch 50 Jahre nach der Uraufführung der Ostafrika-Rundfahrt noch lebt. Genau wie damals Joginder Singh oder Shekhar Mehta können sich auch heute noch die kenianischen Underdogs gegen die europäischen Teams durchsetzen.

Ergebnis East African Safari Classic Rallye

21. bis 29. November 2013

1. Ian Duncan/Amaar Slatch Ford Capri Perana 16h54m46s
2. Stig Blomqvist/Staffan Parmander Porsche 911 +3m14s
3. Gérard Marcy/Stéphane Prévot Porsche 911 +44m59s
4. Steve Perez/John Millington Datsun 260Z +56m03s
5. Onkar Rai/Baldev Chager Porsche 911 +59m30s
6. David Horsey/Alex Horsey Porsche 911+1h09m30s
7. John Lloyd/Gavin Laurence Ford Escort RS1800 +1h21m32s
8. Grégoire de Mévius/Alain Guehennec Porsche 911 +1h38m08s
9. Manvir Baryan/Jaswinder Chana Porsche 911 +1h56m58s
10. Patrick van Heurck/Alain Lopes Porsche 911 +2h03m13s