Silvretta Classic im Karmann Ghia

So gut wie neu

Motor Klassik-Redakteur Michael Schröder ging in einem VW Karmann Ghia an den Start der diesjährigen Silvretta Classic – für das 1974 gebaute Auto war es die erste Ausfahrt überhaupt.

Silvretta Classic 2013, Tag 3, Impressionen, Dino Eisele Foto: Dino Eisele 4 Bilder

Es ist der erste Rallye-Einsatz für den hellgrünen VW Karmann Ghia – genaugenommen ist es die erste richtige Ausfahrt überhaupt für das Auto, das die Zeit seit seiner Auslieferung im Jahr 1974 bis heute wohlbehütet in einer Sammlung verbracht hat: der Tacho des charmanten Coupés zeigt gerade einmal 150 Kilometer an. Für den großen Premieren-Einsatz bei der Silvretta Classic wurde es jedoch von Auszubildenden aus dem Hause VW bestens vorbereitet, immerhin stehen rund 660 Kilometer an. In den Bergen wohlgemerkt.

Karmann Ghia liegt wie ein Brett auf der Straße

Wir lassen es während der ersten Kilometer der ersten Etappe entspannt angehen. Mein Job ist die Navigation, während der österreichische Journalisten-Kollege Michael Gasser für heute das Lenkrad des in Osnabrück gebauten Coupés übernommen hat. Die erste Sonderprüfung entpuppt sich jedoch gleich als Härtetest für das "neue" alte Auto: Die rund 14 Kilometer lange Rampe der Silvretta-Hochalpenstraße vom Startort Partenen hinauf zur Bieler Höhe wartet gleich mit 32 steilen Kehren auf - mit 50 PS sollte man da schnell am Limit sein.

Doch der VW schlägt sich tapfer, viel besser als erwartet. Das Auto liegt wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße, entpuppt sich als ein echter Kurven-Feger. Gasser und ich sehen dem Tag und den heutigen Herausforderungen der Silvretta Classic ab sofort gelassen entgegen. 

Dass wir am Ende der ersten Etappe irgendwo im hinteren Viertel der Wertung gelandet sind – Schwamm drüber. Wir haben es dem Wagen natürlich sofort verziehen, dass er uns mitten in einer Prüfung ein wenig im Stich gelassen hat. Schuld war der Vergaser. Egal. Morgen ist wieder ein Tag.

Nach 10 Stunden Fahrt per Du mit dem grünen Coupé

Der Startschuss für die rund 350 Kilometer lange zweite Etappe fällt für uns mit der Startnummer 52 um 7:40 Uhr. Heute sitze ich am Steuer des Karman Ghia, mein Co-Pilot für diesen Tag heißt Erich Scheiblauer, ortskundiger Herausgeber des österreichischen Magazins Motor-Freizeit-Trends. Angriff lautet unsere Devise, ganz nach vorne fahren, alles geben.

Die Strecke gibt auf jeden Fall alles. Erst gehts auf kleinen steilen Wegen durch Liechtenstein, dann hinüber in die Schweiz und via Klosters und Davos rauf zum 2383 Meter hohen Flüelapass. Kurven und Kehren bis zum Abwinken und zwischendurch herzergreifende Duelle am Berg mit anderen Teilnehmern. Wenn der kleine VW Schwung hat, ist er in den vielen Kurven kaum zu schlagen. Die Sache fängt an, richtig Spaß zu machen.

Nach gut 10 Stunden Fahrt sind wir endgültig per Du mit dem grünen Karmann Ghia. Ach ja, die Wertungsprüfungen. Neun waren es heute, und gegen die eingespielten Teams hat man ganz offensichtlich nur schwer eine Chance. Aus der flachen Sitzposition heraus können wir bei den Lichtschranken nur erahnen, wo unser Auto beginnt - irgendwie liegen wir immer um eine halbe Sekunde daneben. Die Profis im Feld erledigen diesen Job hingegen bis auf die Hundertstel genau.

Schwamm drüber. Dritter Tag. Heute sitzt Niklas Maurischat, Praktikant bei Volkswagen Classic, auf dem Beifahrersitz des VW.  Vorarlberg steht auf dem Programm, noch einmal jede Menge Bergstrecken, jede Menge Kurven und Kehren für den Karmann Ghia. Die, die ihn sehen, scheinen begeistert - in den Pausen zählt das Coupé zu den Lieblingen der vielen Zuschauer. Nicht schlecht für einen "Neuwagen".