50 Jahre Ford Mustang

Geburt einer Ponycar-Ikone

Der Ford Mustang zählt zu den weltweit beliebtesten Klassikern und kann heute eine lückenlose Modell-Tradition vorweisen. Motor Klassik erzählt seine Erfolgsgeschichte und vergleicht ein 66er Cabrio mit dessen stämmigem Nachfolger von 1973.

Ford Mustang V8 Cabrio, Ford Mustang GT V8 Cabrio, Frontansicht Foto: Jörg Künstle 29 Bilder

Am 17. April 1964, an einem Freitag, bricht bei den amerikanischen Ford-Händlern die Hölle los: Der Mustang ist da. Endlich! Ganz Amerika fieberte diesem Tag entgegen und stürmt jetzt die Showrooms. Bereits am ersten Tag finden 22.000 Ford Mustang einen Käufer - und es hätten noch Tausende mehr sein können. So wird von einem Mustang-Fan in Garland/Texas berichtet, der den letzten Wagen des Händlers ersteigerte und darin übernachtete, bis die Bank das Geld an den Händler überwiesen hatte.

Entwicklungskosten nach 6 Monaten amortisiert

Im ersten Jahr kann Ford unglaubliche 418.812 Mustang absetzen. Die Entwicklungskosten in Höhe von 40 Millionen Dollar sind bereits nach sechs Monaten amortisiert. Jetzt sprudelt das Geld in die Ford-Kassen wie aus einem einarmigen Banditen in Las Vegas. Und das alles nur wegen eines technisch ziemlich banalen Kompaktautos mit relativ wenig Platz, das aber durch seine Optik jeden Fahrer in einen Rock Hudson und jede Fahrerin in eine Doris Day verwandelt.

Wie das damals funktionierte, erklärt am besten der damalige Design-Chef von Ford, Joe Oros: "Ich sagte meinem Team, dass ich einen Wagen wünsche, der den Frauen gefällt, aber auch von Männern begehrt wird." Die Front sollte wie bei einem Ferrari oder Maserati gestaltet sein. Ebenso die Proportionen mit der langen Motorhaube und einem kurzen Heck. Außerdem wollte Oros seitliche Kühlschlitze für die Hinterrad-Bremsen. Sein Ziel: "Der Ford Mustang muss so sportlich wie nur möglich aussehen und eine Verwandtschaft zum europäischen Design zeigen".

Sportwagen für jedermann

Die beiden einzigen bis dahin in den USA gebauten zweisitzigen Großserien-Sportwagen im Europa-Look waren Ford Thunderbird und Chevrolet Corvette. Während sich der Ford seit 1955 zu einer üppigen und geräumigen Luxus-Diva entwickelt hatte, behielt die Corvette ihren kompakten Sportwagen-Stil. Und genau zwischen diese beiden Extreme platzierte der damalige Ford-Vizepräsident und General Manager Lee Iacocca sein Lieblingsprojekt Ford Mustang.

Die auf den Racing-Look getrimmte Basis-Ausstattung des Ford Mustang umfasst Mittelschaltung, vordere Einzelsitze mit Beckengurt, einen zentralen Tankdeckel am Heck und die schon erwähnten funktionslosen seitlichen Bremsen-Belüftungsschlitze. Auch der serienmäßige Teppichboden, Zigarettenanzünder und das beleuchtete Handschuhfach kommen bei den Mustang-Kunden hervorragend an. Die wurden durch eine Flut an Vorberichten in den Medien auf das neue Auto richtig heiß gemacht. Der Verkaufs-Slogan hieß damals: "Unexpected Look, Unexpected Price, Unexpected Choice". Das Aussehen, der Preis und die Auswahl an Optionen seien völlig unerwartet.

Basispreis des Ford Mustang lag bei unter 2.500 Dollar

Tatsächlich kostet 1964 das Ford Mustang Coupé in seiner Basisversion nur 2.368 Dollar. Dafür erhält man einen 2,8-Liter-Reihensechszylinder mit 101 SAE-PS und ein Dreigang-Schaltgetriebe. Dank des geringen Gewichts von rund 1.100 Kilogramm konnte man mit den Fahrleistungen zufrieden sein. Der Topspeed liegt bei 140 km/h. Allerdings sind von Anfang an auch stärkere V8-Motoren im Angebot: ein 4,4-Liter (260 Cui, nur Jahrgang 1964 1/2 bis August 1964) mit 164 SAE-PS und zwei 4,7-Liter (289 Cui) mit 210 und sogar 271 SAE-PS.

Um die Mehr-PS auf den Boden zu bringen, bietet Ford für den Mustang ab September 1964 mit Beginn des 65er Jahrgangs eine Fülle an echten Sport-Optionen wie Viergang-Schaltgetriebe, vordere Scheibenbremsen, strafferes Fahrwerk und das Rally-Pac - zwei auf der Lenksäule aufgesetzte Zusatzinstrumente mit Drehzahlmesser und Zeituhr. Das alles passt natürlich ganz hervorragend zu dem im September 1964 eingeführten 2+2-Fastback, der schnell zum Macho-Modell für starke Männer avanciert. Einen wichtigen Beitrag hierzu liefert die von Carroll Shelby überarbeitete Sportversion Ford Mustang GT 350 von 1965 und 1966. Besonders die nur 525-mal gebauten 65er Modelle erzielen derzeit Kaufpreise von bis zu 250.000 Euro.

Jackie Ickx holt auf Ford Mustang die Tourenwagen-EM

Dass die V8-Mustang auch in Europa als ernsthafte Sportwagen gelten, dafür sorgte der Sieg in der Tourenwagen-Klasse bei der Tour de France für Automobile im September 1964. Ein Jahr danach erkämpft sich der 20-jährige Jacky Ickx im Ford Mustang, der auf dem Kontinent aus namensrechtlichen Gründen T5 heißen musste, den Tourenwagen-Europameistertitel. Beide Erfolge übrigens nicht in Shelby-Versionen.

Die Filmkarriere des Ford Mustang/T5, die für seine Beliebtheit noch heute ungeheuer wichtig ist, startete auch in Europa. Nach dem kurzen Gastauftritt eines weißen 64er Cabrios zu Beginn des James-Bond-Streifens "Goldfinger" fährt Jean-Louis Trintignant 1966 in "Ein Mann und eine Frau" ein rotes Convertible. Steve McQueen setzt 1968 in "Bullit" dem Fastback ein Denkmal, und 1971 darf James Bond in "Diamantenfieber" selbst an das Steuer eines roten 71er Mach 1. Vor allem jüngere Kinobesucher erinnern sich schließlich an "Eleanor", den heftig überarbeiteten Shelby GT 500 aus "Nur noch 60 Sekunden", der im Jahr 2000 den Mustang-Mythos wie ein explodierender Benzinkanister neu befeuerte.

Der Mustang ist nach einem Jagdflieger benannt

Doch stimmt die Realität überhaupt mit den Ford Mustang-Mythen überein? Wie reitet sich das Pony, das ursprünglich nach dem Jagdflieger P51 Mustang benannt war, denn heute? Wir probieren es aus und beginnen mit dem 66er Cabrio in Spring Time Yellow, das unter Mustang-Kennern wie ein neu entdeckter van Gogh wirken muss: Der Wagen aus erster Hand verfügt dank GT-Paket über fast alle Optionen. Und der "High Performance 289" mit 271 SAE-PS ist ein echter K-Code-V8 (K = Buchstabe in der Vehicle Identification Number).

Das bedeutet: Mehr 66er Ford Mustang geht nicht. So beinhaltet das GT-Paket Scheibenbremsen, Doppelrohr-Auspuff, Nebelscheinwerfer und einiges mehr. Es kommen noch die Dreigang-Automatik, eine Klimaanlage, das Rally-Pac-Instrumenten-Set und das luxuriöse "Pony"-Interieur mit Holz-Lenkradkranz und eingeprägten Pferdchen in den Sitzlehnen hinzu.

Zuerst fühlt man sich hinter dem Lenkrad und der chromglänzenden Pracht fast wie in einem Cadillac. Der Ford Mustang-Pilot sitzt allerdings etwas niedriger im Wagen und kann die lange Motorhaube wie das ganze Auto gut überblicken. Mit dem ersten Tritt auf das Gaspedal verschwindet jede Cadillac-Schwere, und das V8-Cabrio sprintet zügig los. Durch den Doppelrohr-Auspuff erklingt ein dezentes Röhren, während die Sonne das Cockpit wie eine Cartier-Auslage erstrahlen lässt.

Ford sei Dank, dass sich 1966 unglaubliche 354.400 Mustang-Fahrer den Luxus eines kräftigen V8 in einem kompakten Coupé oder Cabrio leisten. Es kommt so leichtfüßig und stabil um die Ecke, dass die Besatzung ohne jede Vorwarnung beinahe von den Kunstledersitzen rutscht. Schafft das auch der stämmige Nachfolger von 1973, der letzten Ausbaustufe der klassischen ersten Mustang-Generation?

Ist das 73er Cabrio zu dick?

Wir wechseln jetzt in das grüne Cabrio. Dass es sich um einen klassischen Ford Mustang handelt, erkennt jeder am galoppierenden Pferd auf dem Kühlergrill. Doch der Rest scheint mit dem gelben Cabrio von 1966 wenig gemeinsam zu haben. Das Design wechselte in nur sieben Jahren von klaren Kanten zu sanften Schwüngen. Dabei wuchs der grüne Riese um 30 Zentimeter auf 4,90 Meter Länge und nahm bereits in seiner Sechszylinder-Basisversion um 250 Kilogramm zu.

Immerhin hatte der neue Product Design Manager Semon "Bunkie" Knudsen die alten Proportionen des Ford Mustang beibehalten und den Hüftschwung noch sexyer gestaltet. Doch wer die riesige Fahrertür hinter sich schließt, der fühlt sich eingebettet wie in einem Kampfjet. Die gepolsterte Oberkante des schwarzen Armaturenbretts reckt sich dem Fahrer entgegen. Darunter blicken die schräg gestellten Instrumente hervor. Das Raumgefühl ist deutlich beengter als im 66er Cabrio - und von seinem großen Auto da draußen sieht man rein gar nichts.

Mustang mit riesiger Fangemeinde

Was trotzdem gefällt: Das Fahrverhalten hat sich im 73er Modell sogar verbessert. Der noch immer verkannte "große" Mustang fährt und bremst besser als sein Vorgänger und macht deshalb genauso viel Spaß. Außerdem ist er das seltenere Modell, von dem 1973 nur 11.853 Stück entstanden sind, während das 66er Cabrio auf 72.119 Einheiten kam. Doch egal, wie man sich entscheidet: Der Mustang zählt zu den ganz großen Tieren im historischen Auto-Zoo und hat dort neben Käfer, Jaguar und Cobra eine riesige Fan-Gemeinde.

Rekordjahr 1966

Im Rekordjahr 1966 produzierte Ford 607.568 Mustang. Dann gingen die Zahlen kontinuierlich zurück. Der Grund: Konkurrenzmodelle wie Chevrolet Camaro und Pontiac Firebird kopierten das Pony-Car-Konzept.