Audi Quattro und Porsche 911 SC im Fahrbericht

High-Tech versus Kraftsport

Der Audi Quattro war das erste Sportcoupé mit Allradantrieb und Turbomotor, das selbstbewusst den Porsche 911 herausforderte. Revolution traf auf Evolution - ein Mythos war geboren. Heute treffen die Beiden wieder aufeinander - wer hat sich besser gehalten?

Audi Quattro, Porsche 911 SC Foto: Hans-Dieter Seufert 19 Bilder

Audi Quattro -schon das Einsteigen ist etwas Besonderes: Behutsam lasse ich mich auf dem bequem gepolsterten, fast schon plüschig wirkenden Fahrersitz nieder und knalle die Panda-dünne Tür mit Nachdruck ins Schloss. Ich sitze in der rollenden Legende Audi Quattro, einem Auto, das einer noch jungen Marke zu einem neuen, sportlichen Image verhalf und gleichzeitig als Beispiel modernster Automobiltechnik galt.

Der Arbeitsplatz im Quattro wirkt spartanisch

Mein Blick wandert im Audi Quattro über ein dunkelbraunes Plastikcockpit mit aufgesetztem Instrumentenkasten, in dem ich nur einen Drehzahlmesser, Tachometer, Tank- und Ladedruckanzeige registriere. Immerhin: Lenkrad und Schaltknauf des Fünfganggetriebes sind lederummantelt, es gibt elektrische Fensterheber sowie elektrisch verstellbare Außenspiegel. Am meisten beeindrucken die Kontroll-Displays für die beiden Differenzialsperren des Allradantriebs: Zwei umgekippte H - so riesig, als stammten sie aus einem Radlader.

Insgesamt wirkt das vom Audi 80 übernommene Interieur für die rund 50.000 Mark, die der Audi Quattro einst gekostet hat, ziemlich spartanisch. Zur Erinnerung: Wir befinden uns im Preisbereich von Porsche 911 SC, BMW 628 CSi und Mercedes-Benz 280 SLC. Und bei denen gab es wenigstens etwas Holz und Chrom, einige Instrumente mehr sowie satt ins Schloss fallende Türen. Ich tröste mich mit der Aussicht auf ungezügelte, dunkel röhrende Allrad-Turbopower und starte den Motor des Audi Quattro.

Die Maschine des Audi Quattro läuft erstaunlich ruhig, nur leichte Vibrationen an den Händen und am Hintern. In der Stadt übertönt beim Ampelstopp das liebenswerte, weil ewig nicht mehr gehörte, sekundenweise "Trak...trak...trak...trak..." der analogen Zeituhr das Grummeln aus dem Motorraum. Dort arbeitet ein mit Oden an den Fortschritt überschütteter Turbomotor: 200 PS aus 2,1 Liter Hubraum, maximaler Ladedruck 0,85 bar. Ein Ladeluftkühler senkt im Audi Quattro die Ansauglufttemperatur von 130 auf 80 Grad. Während ich im Stadtverkehr brav von Ampel zu Ampel mitschwimme, zieht die Maschine tapfer durch, auch wenn ich bereits bei 3.000/min die Gänge wechsle. Die Nadel der Ladedruckanzeige taumelt dabei gelegentlich aus dem Nullbereich.

Zwei Rallye-Weltmeistertitel für den Quattro

Wieder Rot. Wir warten - Zeit für einen Rückblick auf die Geschichte des Audi Quattro: Eigentlich eine geniale Idee, den exotischen Fünfzylinder-Turbomotor gleich mit einem permanenten Allradantrieb zu kombinieren. Das gab dem Audi Quattro nicht nur seinen Namen, sondern machte ihn 1980 auch zum Paradiesvogel in der Autowelt. Als normale Straßenautos besaßen nur der AMC Eagle und der Subaru Leone einen Allradantrieb. Serien-Autos mit Turbo-Benzinmotoren gab es dagegen schon eine ganze Menge: Buick Regal, Lotus Esprit, Renault R5 Turbo, Porsche 924 und 911 und Saab 900.

Verantwortlich für das revolutionäre Technik-Paket im Audi Quattro war Ferdinand Piëch, Enkel von Ferdinand Porsche. Piëch leitete von 1975 bis 1988 die Technische Entwicklung bei Audi und wollte mit einem Paukenschlag die 1965 wieder eingeführte, noch wenig profilierte Marke ins Bewusstsein der Kundschaft bringen - was ihm mit dem Audi Quattro auf Anhieb gelang. Die Kombination Allrad plus Turbo, dazu der exotische Fünfzylindermotor, bildeten das Alleinstellungsmerkmal des Hochleistungs-Sport-Coupés.

Und so wie Piëch einst mit dem Porsche 917 die Stuttgarter in die Topliga der Rennsportwagen katapultierte, sorgten die erfolgreichen Rallye-Einsatze des Audi Quattro für eine neues Image der vier Ringe. Die beiden Rallye-Weltmeister im Audi Quattro hießen Hannu Mikkola (1983) und Stig Blomqvist (1984), dazu kam der Markentitel von 1982.

Bei vollem Ladedruck geht's heftig nach vorne

Endlich kann auch ich meinem Audi Quattro die Sporen geben. Freie Fahrt auf einer Landstraße mit wenig Verkehr. Beim moderaten Beschleunigen über die 3.000/min- Grenze hinaus glaube ich ein feines Turbinenpfeifen zu hören. Ab 4.000/min schießt die Nadel der Ladedruckanzeige fiebrig nach oben und das Coupé derart vehement nach vorn, dass ich mit Schalten kaum nachkomme. Ein bisschen hängt das auch mit der hakeligen Schaltung zusammen.

Im Gegensatz zu deutlich jüngeren Frontantriebs-Turborennern gibt es im Audi Quattro bei vollem Leistungseinsatz keine Traktionsprobleme und kein Zerren in der Lenkung. Dank Allradantrieb fährt sich der Quattro fast so smart wie ein moderner Audi A3, nur viel komfortabler. Rasch gewinne ich Vertrauen in die gut ausbalancierte, leicht untersteuernd ausgelegte Turbo-Rakete. Die hohe Sitzposition und die gute Sicht nach vorn zu den Motorhaubenkanten erleichtern das Einzirkeln in enge Kurven. Der Audi Quattro macht jetzt richtig Freude, wirkt vertraut wie ein alter Kumpel, dem man einiges zumuten kann, ohne von ihm im Stich gelassen zu werden. Doch ist er wirklich eine wahre Alternative zum Porsche 911 SC? Ist der Audi Quattro ein richtiger Sportwagen?

Andere, sportlichere Welt - Porsche 911

Fahrzeugwechsel. Ich steige in das Porsche 911-Cockpit und fühle mich bereits, bevor ich noch einen Meter gefahren bin, in einer völlig anderen Welt. Der Innenraum ist deutlich knapper geschnitten, wirkt aber dennoch hell und freundlich. Direkt unterhalb der Windschutzscheibe sind in einem weiten Bogen fünf Rundinstrumente platziert, im Zentrum der große Drehzahlmesser. Sie informieren auch über Öldruck, Öltemperatur und den Inhalt des 13 Liter fassenden Trockensumpf-Reservoirs. Das Lenkrad mit dickem Lederkranz steht nur wenige Zentimeter vor der Uhrensammlung - unverändert seit 17 Jahren, als der erste Porsche 911 in den Verkaufsräumen stand.

Im Gegensatz zum Audi-Frischling Quattro ist der Porsche 911 eine etablierte Sportwagen-Größe, welche die Ingolstädter auf provokante Weise herausforderten: Mit 49.900 Mark war der Quattro genau so teuer wie der Porsche 911 SC, was die Mystifizierung des jüngsten Audi-Sprosses zum kecken Herausforderer noch mehr beschleunigte. Man darf annehmen, dass Audi-Mann Piëch solche Spielchen mit seinem früheren Arbeitgeber mochte.

Der Porsche 911 sitzt wie der Dress eines Triathleten, kein Schlabber-Jogging-Anzug wie der Audi Quattro. Die Sicht nach vorn ist tadellos. Von der roten Karosserie sehe ich nur die beiden exponierten Kotflügelrundungen mit den Scheinwerfern.

Der Elfer passt einfach

Schneller als im Quattro entsteht mit dem Porsche ein sicheres Wir-Gefühl - Nachdem ich mich an die hart und erst im letzten Wegdrittel zupackende Kupplung und an die langen Schaltwege gewöhnt habe. Zuerst bummle ich über eine stark befahrene Bundesstraße und checke dabei die spontan arbeitende Lenkung. Von hinten heult der luftgekühlte Boxer beim gemütlichen Gangwechsel immer etwas nach. Der 204-PS-Motor des Porsche 911 schiebt auch von 2.000 bis 4.000/min tapfer an, scheint sich aber dabei ziemlich zu langweilen.

Runter auf eine kleine Passstraße. Ich halte mich mit dem Ausdrehen der Maschine zurück, da die gewaltige Ölmenge noch nicht ihre Betriebstemperatur erreicht hat. Aber dann! Düsentriebartig schiebt der Motor von hinten, ab 4.500/ min verändert sich das Heulen in ein metallisch hartes Kreischen. Die Lenkung des Porsche 911 geht während des Beschleunigens einen Tick leichter, derart giftig krallt sich der Porsche in den Asphalt. Das Herausbeschleunigen aus Kurven, am besten noch bergauf, ist die Domäne des Porsche 911, der hier jedoch im Gegensatz zum Audi mit mehr Zehenspitzengefühl bewegt werden will, um unfreiwillige Dreher zu vermeiden. Auch wenn ich geradeaus fahre, erfordert der Porsche 911 aufgrund seiner ausgeprägten Hecklastigkeit und der direkten Lenkung mehr Aufmerksamkeit als der stoisch seiner Bahn ziehende Audi Quattro.

Der Sportsmann trifft das High-Tech-Gerät

Der Porsche 911 belohnt jedoch seinen aufgeweckten Fahrer mit den deutlich besseren, von auto motor und sport ermittelten Fahrwerten: Er sprintete vom Stand auf 100 km/h in sensationellen 5,9 Sekunden, der Audi Quattro ließ sich hierfür 1,5 Sekunden mehr Zeit. Bei der Höchstgeschwindigkeit standen die 240 km/h des Porsche 911 den 222 km/h des Audi Quattro gegenüber. Auch vom Gefühl her ist der Porsche 911 der sportlichere Wagen. Dennoch und völlig zu Recht erkämpfte sich der Audi Quattro dank Allradantrieb und Rallye-Erfolgen einen Ehrenplatz im Sportwagen-Olymp.

Schon kurz nach seinem Debüt hatte der Audi Quattro seine Rolle als legendärer Hightech-Bolide gefunden. Dirk-Michael Conradt schrieb am Ende seines Testberichts in auto motor und sport, Ausgabe 4/1981: "Er gilt bei allgegenwärtigen Bestaunern nicht etwa nur als schlichter Audi, sondern voller Ehrfurcht als 'der Quattro'." Heute natürlich mehr denn je.