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Dreimal Vorsprung durch Turbo-Power

Leistung durch Ladedruck – mit dem aufgeladenen 2002 Turbo bringt BMW 1973 den ersten deutschen Turbo-Sportler auf die Straße. Doch während der Null-Zwo keine Zukunft haben durfte, profitierten Porsche und Audi jahrelang von der Turbinen-Technik. Eine Ausfahrt mit drei faszinierenden Turbo-Stars.

Audi quattro, Porsche 911 turbo 3.3, BMW 2002 turbo, Frontansicht Foto: Arturo Rivas 37 Bilder

Das hatte sich BMW ganz bestimmt anders vorgestellt. Da präsentiert man 1973 auf der IAA stolz den ersten deutschen Serienwagen mit Turboaufladung, und dann vermiesepetern einem die erste Ölkrise, eine wachsende Anti-Auto-Stimmung und zuletzt auch noch empörte Politiker die Show. O. k., die erfolgsverwöhnten Münchner haben vielleicht eine Spur zu dick aufgetragen, haben zwar einen neuen Meilenstein im Programm, ihn aber in ungebremster Euphorie mit reichlich Kriegsbemalung, auffälligen Kotflügelverbreiterungen und einem tiefen Frontspoiler versehen, auf dem auch noch in markanter Spiegelschrift die Bezeichnung „2002 turbo“ zu lesen ist.

Der Über-Elfer folgt ein Jahr nach dem BMW 2002 Turbo

Soll ja schließlich jeder im Rückspiegel sehen, wer da von hinten mit über 200 Sachen angeflogen kommt. Dass der aufgeladene BMW 2002 Turbo am Ende ohne die provozierenden Schriftzüge bei den Händlern steht, hilft seinem Ansehen auch nicht wirklich weiter – vermutlich widersprach kein anderes Auto so sehr dem Zeitgeist wie der tragische 2002 turbo.

Nur ein Jahr später der zweite deutsche Turbo-Kracher. Porsche präsentiert den 911 Turbo, einen Dreiliter-Über-Elfer mit 260 PS, obwohl Energiekrise und Sonntagsfahrverbote nicht nur bei den Autoherstellern noch in bester Erinnerung sind. Trotzdem trägt der neue Star aus Zuffenhausen seine Kraft ungeniert zur Schau, kommt mit breiten Backen und einem mächtigen Heckflügel daher. Mehr Porsche als der Turbo geht (bis heute) nicht – Vorsprung durch Power und Technik heißt der Plan, um in die Oberliga der Sportwagenhersteller einzudringen. Der Begriff Turbo steht von nun an uneingeschränkt für pure Dynamik.

Davon will man schließlich auch bei Audi profitieren. Um sich gegen die Konkurrenz aus München und Stuttgart in Position zu bringen, klemmen die Techniker Ende 1979 einen KKK-Lader samt Ladeluftkühler an den Fünfzylinder der biederen 200er-Limousine. Doch für Beachtung sorgt diese neue Antriebseinheit erst unter der Motorhaube des 1980 präsentierten Audi Quattro.

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Mit dem neuen Allrad-angetriebenen Turbo-Sportcoupé verfügt Ingolstadt plötzlich über eine echte Rakete im Stall, Legende, Rallye-Star und Porsche-Konkurrent zugleich. Ferdinand Piëch, der von 1975 bis 1988 die Technische Entwicklung bei Audi leitete, sorgt mit diesem Paukenschlag dafür, dass die noch relativ profillose Marke plötzlich im Rampenlicht steht.

Ein Tag im letzten September auf einer Landstraße irgendwo im Schwäbischen Wald. Gut ausgebauter, kurviger Asphalt und wenig bis kein Verkehr – nahezu ideale Bedingungen für eine Ausfahrt in diesen drei Turbo-Klassikern. Die ersten Kilometer gehören dem Ältesten im Feld, dem 170 PS starken BMW im (serienmäßigen) Tuning-Look der Siebzigerjahre, der irgendwie immer ein wenig nach Provinz-Eigenbau aussieht.

Dabei versteckt sich unter den aerodynamischen Anbauteilen ein aufrechter Kerl mit sechs großen und steilen Scheiben und einem lichtdurchfluteten Innenraum mit Platz für die ganze Familie. Die elegant gezeichnete Baureihe folgt schon mit dem 130 PS starken BMW 2002 tii einem vielversprechenden Rezept: wenig Auto, kräftiger Motor und ein gut abgestimmtes Fahrwerk. In der 40 PS schärferen Turbo-Version kommen einzig härtere Dämpfer sowie ein Sperrdifferenzial samt längerer Hinterradübersetzung zum Einsatz.

2002 Turbo schießt ab 4.000/min absurd schnell nach vorne

Im unteren Drehzahlbereich gibt sich der  BMW 2002 Turbo allerdings überraschend handzahm, keine Spur von der Sportlichkeit, die sein wildes Äußeres verspricht. Dazu passt das Innere des Autos. Eine aufrechte Sitzposition, eine uneingeschränkte Rundumsicht, viele Ablagen. Bequem und praktisch, aber sportlich? Immerhin sind die drei Rundinstrumente dynamisch-rot hinterlegt, und die Besatzung darf sich in enge Schalensitze fallen lassen. Und dann wäre da ja auch noch die kleine Anzeige für den Ladedruck, deren Zeiger bisher allerdings nur leicht gezuckt hat.

Ab 4.000 Touren herrscht jedoch Habachtstellung (beim Fahrer wie in der kleinen KKK-Zweikammerturbine unterhalb des Auspuffkrümmers), kurz darauf durchwandert die kleine Nadel den roten Bereich, was so viel wie maximaler Ladedruck bedeutet, Schub aus 0,55 bar. Plötzlich kennt dieser BMW keine Freundschaft mehr, schießt absurd schnell vorwärts, untermalt vom schrillen Pfeifen des Turboladers.

In Kurven wächst der nur 1.125 kg leichte BMW 2002 Turbo über sich hinaus, ein klassischer Untersteurer, der sich mit zunehmender (Turbo-)Motorkraft jedoch recht schnell zum Übersteurer entwickeln kann. Also anbremsen, zurückschalten (herrlich, dieses Sprotzeln und Knallen aus dem Auspuff!) und kurz vor dem Scheitelpunkt so gefühlvoll auf das Pedal, dass am Kurvenausgang der Druck im Kessel zwar wieder stimmt, das Heck jedoch keinen ungewollten Haken schlägt. Ein Balanceakt auf einem schmalen Grat irgendwo zwischen Abwürgen und Abfliegen. Das ist es also, jenes einzigartige Turbo-Gefühl aus der Anfangszeit. Erst nichts, dann alles. Dr. Jekyll und Mr. Hyde.


Porsche Turbo sprintet von Null auf 100 in 5,2 Sekunden

Auch die KKK-Turbine des Porsche 911 Turbo sehnt sich nach Umdrehungen, um nicht vor Langeweile einzugehen. 3.500 sollten es schon sein, damit sich die Nadel in der im unteren Bereich des Drehzahlmessers versteckten Ladedruckanzeige ihrer Lethargie entledigt. Wobei der Übergang von der einen in die andere Welt im Elfer eine Spur kontrollierter verläuft als beim BMW. Während München sich nach einem Jahr und nach nur 1.672 gebauten Fahrzeugen vom Turbo-Projekt schon wieder verabschiedet, verfeinert Porsche die sensible Lader-Technik, zündet 1977 mit dem 300 PS starken 3,3-Liter bereits die zweite Auflage, aus der auch das Fotomodell stammt.

Unverändert natürlich die martialischen Kotflügelverbreiterungen am Heck, die sich über 245 Millimeter breite Walzen stülpen. Oder der riesige Flügel mit der markanten Gummilippe, der den Ladeluftkühler beherbergt und für Abtrieb sorgt. Pure Effizienz. Fast 100 Prozent mehr Anpressdruck als bei einem normalen Elfer.

Porsche 911 Turbo mit reichlich Komfortausstattung

Drinnen genügt ein Blick, um sich zurechtzufinden. Schlüssel links, der Drehzahlmesser mittig, rechts der lange, dürre Schalthebel, dazu eine gehörige Portion Wellness. Schiebedach, Klimaanlage, Radio Blaupunkt Düsseldorf, elektrisch verstellbare Ledersitze samt Heizung sowie elektrische Fensterheber. So ein Porsche 911 turbo verfügt serienmäßig bereits über nahezu alles, was die hauseigene Aufpreisliste hergibt. Einstandspreis: 135.000 Mark.

Ein paar Kilometer zur Eingewöhnung (man weiß ja nie). Kupplung, Schaltung, Lenkung – alles jedoch kinderleicht. Und dieses Auto soll so ein wilder Hund sein? Nein, der Funke will bei Schleichfahrt einfach nicht überspringen. Also, zweiter Gang, 4.000 Touren, 0,8 bar. Zwei Wimpernschläge später verkrampfen die Hände am Lenkrad, wischt die Welt dort draußen so schnell vorbei, als säße man in einem startenden Düsenjet. Dass Tempo 100 erst nach 5,2 Sekunden ansteht, fällt schwer zu glauben. Gefühlt sind es zwei. Allerhöchstens.

In Kurven fühlt sich der Porsche 911 Turbo allerdings etwas schwerfälliger an als der Zweier-BMW, verlangt für eine saubere Linie nach deutlich mehr Kraft am Lenkrad. Hohes Tempo? Hier bedeutet es Nervenkitzel, setzt es Adrenalin frei. Wenn der Turbo-Hammer mit voller Wucht fällt, sollte man sich besser schon am Ausgang der Kehre befinden.

Gezähmte Turbo-Technik im Audi Quattro

Solche Probleme kennt der Audi Quattro nicht. Traktion ist bei vier permanent angetriebenen Rädern immer und überall vorhanden. Selbst dann, wenn der Ladeluft-gekühlte Turbo des Audi ab etwa 4.000 Touren für 0,85 bar Ladedruck im Ansaugtrakt sorgt und dabei 200 PS aus dem 2,1-Liter-Fünfzylinder quetscht.

Power ist also genügend vorhanden, doch er fällt lange nicht so explosionsartig und schwer kalkulierbar über den Fahrer her, wie es noch beim BMW oder beim Elfer der Fall ist. Die Kraft, die den Hightech-Boliden aus Ingolstadt mit der ruhmreichen Rallye-Karriere im Nacken in Bewegung hält, scheint beherrschbar, die wilde Turbo-Technik zu Beginn der Achtzigerjahre endlich gezähmt.

Auch optisch gibt sich der schnelle Audi Quattro trotz einer heruntergezogenen Frontschürze und eines aufgesetzten Heckspoilers eine Spur leidenschaftsloser als seine beiden Kontrahenten. Ein Gefühl, welches sich im Innenraum fortsetzt. Plüschig-weiche Sitze und ein kantiges Plastikcockpit, das aus dem Audi 80 stammt.

Differenziale lassen sich während der Fahrt sperren

Ein lederummanteltes Lenkrad, elektrische Fensterheber sowie die elektrisch verstellbaren Rückspiegel sorgen zumindest für einen Hauch von Luxus, und einzig das riesige Display in der Mittelkonsole für die beiden Differenzialsperren lässt erahnen, dass dieses Fahrzeug über weitere Talente verfügt. Sollte plötzlich tiefer Schnee auf dem Weg hoch zur Berghütte liegen, ließen sich das zentrale sowie das hintere Differenzial durch zwei auf dem Mitteltunnel platzierte Hebel übrigens auch während der Fahrt sperren. Den Rest erledigt dann der Audi Quattro – nur, dass wir dabei kaum etwas vom Antrieb oder vom Einsatz des Turbos merken. Willkommen in der Moderne.

Langweilig ist der Audi Quattro deshalb noch lange nicht. Nur anders.

Fazit von Michael Schröder

Optisch macht mich am meisten der BMW 2002 Turbo an. Ebenso vom Charakter, weil er so ungemein pur und reduziert daherkommt. Natürlich begeistern auch die gewaltige Leistung des Porsche 911 Turbo und die unerschütterliche Traktion des Audi Quattro, doch heute schlägt mein Herz für einen, der einst angeblich viel zu wild für unsere Straßen war.


Turbo-Pioniere aus den USA

Die ersten Serien-Pkw mit Turbo-Aufladung stammen aus den USA, konnten sich auf dem Markt aber nicht durchsetzen. Oldsmobile stellte 1962 den Jetfire Turbo mit einem 3,5-Liter-V8 vor. Der aufgeladene Motor leistet 218 SAE-PS. Im selben Jahr erschien auch der Chevrolet Corvair Monza Turbo mit einem 2,4-Liter-Sechszylinder und 150 PS. Oldsmobile baute den Jetfire Turbo nur ein Jahr, der Monza Turbo lief bis 1964 vom Band.