Audi V8, BMW 740i, Mercedes 420 SE

Die Macht des V8

Der Mythos Achtzylinder lebt von Leistung, Sound und Laufkutur. Die deutschen Luxuslimousinen Audi V8, BMW 740i und Mercedes 420 SE zeigen, wie souverän sich Kraft entfalten kann.

Audi V8, BMW 740i, Mercedes 420 SE, Frontansicht Foto: Karl-Heinz Augustin 31 Bilder

So ein V8 ist schon etwas ganz Großes. Hinter dem harmlos erscheinenden Kürzel, das sich so herrlich bedeutungsschwer „Vau acht“ aussprechen lässt, verbirgt sich für jeden Autofan ein begehrenswerter Mythos.

Ein V8 darf ruhig etwas böse klingen

Eine ferne Verheißung von grummelndem bassigen Sound, überlegener Leistung und feiner Kultiviertheit. So ein V8 hat eben nicht die Unerreichbarkeit, die Unkalkulierbarkeit und den beinahe synthetisch-seidigen Lauf eines V12. Ein Achtzylinder darf ruhig ein bisschen böse klingen, für viele ist er auch deshalb politisch nicht korrekt. Dieses Macho-Image von hohem Verbrauch und rauchenden Burnouts hat ihm die US-Car-Szene verpasst. Deutsche V8-Motoren geben sich anders, schon wegen der Zündfolge, die das ordinäre Bollern verhindert.

Sie sind verbrauchsoptimiert, hubraumbegrenzt, vorbildlich schallgedämpft und treiben für all das einen hohen konstruktiven Aufwand. Bei Youngtimern mit V8-Motor wird die Luft dünn, und die Hemmschwelle rückt hoch. Sechszylinder dagegen beherrschen die Szene in voller Breite. Schließlich machte jeder BMW 320i den Sechser unter der Haube populär.

Audi V8 oder Herr der Ringe

Audi hat früher mit Zylindern stets gegeizt. Der Frontantrieb mit vor der Vorderachse platziertem Motor lässt bei Reihenmotoren aus Platzgründen nur die krumme Zahl Fünf zu. Die Ingolstädter Konstrukteure verstanden es glänzend, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie hatten lange kein Geld, um etwas Größeres zu entwickeln. Der mit maximal 2,2 Litern stark hubraumbegrenzte Reihenfünfzylinder trommelt fast so virtuos wie ein V8 und leistet turbogeladen im Audi 200 respektable 182 PS. Das reicht aber nur für die gehobene Mittelklasse, um Mercedes 300 E oder BMW 525i in Schach zu halten.

Der Audi 200 Turbo war nur preislich auf Augenhöhe mit 7er-BMW und Mercedes S-Klasse, sonst blieb der Klassenunterschied schmerzhaft spürbar. Der ehrgeizige Entwicklungsvorstand und spätere Audi-Chef Ferdinand Piëch gab deshalb 1984 endlich grünes Licht für den großen Audi, intern D4 getauft, der damals noch 300 heißen sollte. Dessen Lastenheft sah den markenprägenden Allradantrieb mit Mitteldifferenzial ebenso vor wie ein kostengünstiges und trotzdem aufwendig konstruiertes V8-Triebwerk. Seine Zylinderbänke werden deshalb jeweils von einem GTI 16V-Motor mit 1.800 Kubik gebildet. Aus Gewichtsgründen musste jedoch ein neuer Alublock her.

Basis des V8 ist der Audi 100 Typ 44

Auch bei der Karosserie wurde Audi-typisch improvisiert. Man nahm die Basis vom Audi 100 Typ 44, schuf eine Frontpartie von eindrucksvoller Wirkung, verbreiterte die Spur und ließ das Mittelteil zwischen den Achsen gleich. Ein verhängnisvoller Fehler, der am Ende zu nur knapp 22.000 Audi V8 in sechs Jahren Bauzeit führte. Denn über den Radstand definiert sich auch die Wagenklasse, 2,70 Meter sind nicht eben viel, und den biederen Audi 100 schleppte der V8 eben immer noch für jeden Autokenner sichtbar mit sich herum.

Heute sorgt diese unfreiwillige Limited Edition für hohe Exklusivität, das wird beim Fototermin in der Münchener Kultfabrik neben 7er-BMW und Mercedes S-Klasse spürbar. Autoaffine Passanten interessieren sich in erster Linie für den seltenen großen Audi, die beiden Rivalen werden als Gebrauchtwagen wahrgenommen, nicht als Liebhaberstücke. Hunderttausendfach liefen BMW und Mercedes mit beachtlicher Überlebensquote vom Band. Ob 260 SE oder 500 SE, ob 730i oder 750i, sie sehen bis auf Nuancen alle gleich aus. Aber der Audi V8 ist eben exklusiv ein Audi V8, allenfalls noch als 3.6 oder in unserem Fall als 4.2 differenzierbar.

Technisches Juwel im unscheinbaren Anzug

Die Audi 100-Verwandtschaft macht die einst über 100.000 Euro teure Luxuslimousine zum idealen Understatement-Auto. Der größte Audi der Achtziger trägt den Nerz nach innen, unter der banalen Karosserie im glattflächigen Aerodynamik-Look steckt ein technisches Juwel mit einem Viernockenwellen-V8, einem ausgeklügelten Allrad-Antrieb und einem Fahrwerk, das in seinem konstruktiven Aufwand die in der Oberklasse längst üblichen Schräglenker-Hinterachsen weit hinter sich lässt.

Der autoritäre 7er-BMW wirkt breit und niedrig

Der zeitlos-elegant gestylte BMW 740i wirkt weit repräsentativer als der Audi V8, die Maße bestätigen dies. Die Proportionen sind breit und niedrig, sie verleihen dem 7er einen Hauch von Jaguar in der fein aufgelösten Silhouette mit dem filigranen Dachpavillon. Vor allem die Frontpartie verfehlt ihre autoritäre Wirkung nicht, fein modellierte Doppelscheinwerfer sorgen für einen bösen Blick, die große Niere stammt vom Zwölfzylinder.

Die BMW-Designer Claus Luthe und Ercole Spada haben mit dem 7er der Baureihe E32 ein wahres Meisterstück geschaffen. Fein gesetzte Sicken im Profil des Wagens wirken vor allem im Farbton Sterlingsilber. Das Heck mit individuell gestalteten Rückleuchten und dezent modellierter Kante für den Strömungsabriss verleiht der Form auch im Detail große Klasse.

Spätes Comeback des V8 bei BMW

Erst 1992 hielt ein hochmoderner Achtzylinder aus Leichtmetall im 7er Einzug, obwohl die weiß-blaue Marke schon in den Fünfzigerjahren mit einem konkurrenzlosen Leichtmetall-V8 brillierte, der sich aber kaum verkaufte. Fast zu lange hielt man danach in München in der Oberklasse dem Reihensechszylinder die Treue. Er sei unübertroffen in der Laufkultur, so hieß es in der BMW-Werbung. Die Massenkräfte erster und zweiter Ordnung perfekt ausgeglichen, also besser als ein V8 und nur durch den bereits realisierten V12 zu übertreffen.

Doch die theoretisch vorbildliche Laufkultur des Sechszylinders wird oberhalb von 3,5 Litern von zu großen Zylindereinheiten geschmälert. Außerdem war der große Reihensechszylinder M30, der noch aus dem BMW 2500 von 1968 stammte, Ende der Achtziger ausentwickelt. Abgesehen natürlich vom 315 PS starken Hochleistungs- Triebwerk im M5, das ebenfalls auf dem alten Block basiert.

Neu entwickelte BMW-V8 sind sparsamer als die M30-Reihensechser

Der neue V8-Motortyp M60 mit je zwei oben liegenden Nockenwellen und 32 Ventilen ist in seiner Drei- und Vierliter- Variante deutlich sparsamer als der betagte M30. Seine Konstruktion ist nochmals aufwendiger als die des Audi V8. Duplexketten statt Zahnriemen treiben die Zahnräder der Einlassnockenwellen an, von dort zweigt je eine kurze Kette ab, welche die Nockenwelle auf der Auslassseite rotieren lässt. Der BMW-Motor setzt ebenfalls auf Tassenstößel mit hydraulischem Ventilspielausgleich zur direkten, drehzahlfesten Ventilbetätigung.

Eine Besonderheit sind die Pleuel aus Sintermetall. Der BMW-V8-Motor stammt konstruktiv und in den meisten Bauteilen vom stückzahlintensiven Vierventil-Sechszylinder M50 ab, das macht ihn kostengünstig in der Herstellung. So überzeugend wie der Antrieb sind auch die Fahreigenschaften des Siebeners. Als reiner Hecktriebler ist der BMW 740i dem Audi V8 im Handling überlegen. Dem traktionsfreudigen Allradler macht vor allem der große Wendekreis wegen der angetriebenen Vorderachse zu schaffen.

Audi toppt BMW und Mercedes in Sachen Verarbeitungsqualität

Der Fahreindruck im BMW 740i entspricht ganz und gar seinem anmutigen Äußeren. Für seine Größe lässt er sich spielerisch leicht bewegen, die ZF-Fünfgang-Automatik mit elektronisch-hydraulischer Steuerung harmoniert wunderbar mit dem drehmomentstarken Achtzylinder. Das Drehzahlniveau liegt bei normaler Fahrweise erstaunlich niedrig, geschaltet wird früh. Selten schlägt die Drehzahlmessernadel jenseits der 3.000er-Marke aus. Die Viergang-Automatik im Audi agiert eine Spur hektischer, trotz des deutlich langhubigeren, drehmomentstärkeren 4,2-Liter-Motors.

Das Raumgefühl im BMW ist subjektiv besser als im Audi, auch der BMW 740i lädt zur Fahrt in eine fein möblierte nappalederne Luxus-Lounge ein. Sitzposition und Übersichtlichkeit sind ideal, alles liegt an der richtigen Stelle, dort wo im Audi V8 in Sachen Ergonomie noch optimiert werden musste. Dafür bietet der Ingolstädter V8 eine noch bessere Material- und Verarbeitungsqualität. Vieles im Innern des 7ers erinnert an den 5er, da wurde in München zu wenig upgegradet.

Karg ausgestatteter Mercedes 420 SE

Der diamantblaue Mercedes 420 SE in Buchhalter-Ausstattung wirkt gegen die demonstrative Opulenz der Konkurrenten geradezu karg. An Bord sind noch nicht einmal elektrische Fensterheber, selbst grün getöntes Glas wurde vom Erstbesitzer nicht gewünscht. Normale Stoffpolster tun es auch, Dattel passt so gar nicht zu Hellblau, aber diese Fehlfarben-Kombination gepaart mit strengem Konsumverzicht macht das Auto schon wieder reizvoll. Die schlichte Form des W126 bezaubert immer wieder. Verglichen mit Audi V8 und BMW 740i wirkt er ausgesprochen zierlich.

Der gediegene Habitus des Mercedes 420 SE kommt etwas antiquiert daher. Die S-Klasse ist eben eine Generation älter, im Innenraum herrscht elektronikfreie Zone. Sie strahlt die selbstverständliche Verlässlichkeit eines Taxis aus, nur passt dazu nicht der Kilometerstand von erst 150.000. Die S-Klasse ist kein Angeber, es fehlt ihr zwar an Dynamik, aber sie überzeugt mit inneren Werten wie Treue, Zuverlässigkeit und einem guten Gefühl – das man deshalb hat, weil nicht so was überzüchtetes wie ein Allradantrieb mit Planetendifferenzial und elektronischer Lamellensperre kaputtgehen kann. Der Mercedes 420 SE scheut jedes modische Risiko, die Instrumententafel sieht so basic aus wie im 190er, funktional, abwaschbar, dauerhaft. Er will uns sagen, dass in der Ruhe die Kraft liegt.

Auch sein konservativ konstruierter Achtzylinder unter der langen Motorhaube singt leise grummelnd das Lied von der Unzerstörbarkeit, selbst wenn immer noch die erste Steuerkette drin ist und nur gelegentlich ein Ölwechsel gemacht wurde.

Das Mercedes-Monopol

Jahrzehntelang war der Achtzylinder in Deutschland ein Mercedes-Monopol. Die Konstruktion des M116 im 420 SE zeigt immer noch viele Parallelen zum V8-Urtyp im Mercedes 600. Nur eine oben liegende Nockenwelle rotiert pro Zylinderbank. Je zwei parallele Ventile, von Schlepphebeln betätigt, bedingen eine nicht unbedingt optimale Brennraumform.

Deshalb verbraucht der Mercedes 420 SE im Schnitt zwei Liter mehr als Audi oder BMW. Das unprätentiöse der S-Klasse setzt sich beim Fahreindruck fort, erstaunlicherweise ist der älteste Achtzylinder im Trio auch der leiseste, vier Fahrstufen reichen locker, um das schon früh anziehende reichliche Drehmoment zu sortieren. Der M116 hat auch den besten Sound, säuselt tiefer als die anderen, am schönsten klingt er um 2.500 Touren. Die Automatik schaltet seltener als bei den anderen, sie tut es in vorbildlicher Weise ruckfrei. Das Handling des Mercedes 420 SE fühlt sich etwas steif an. Es liegt wohl am Gefühl des schweren Wagens, das die Mercedes-Ingenieure auf Kundenwunsch hineinkonstruiert haben. Fahrkomfort geht eben über alles.

Der BMW überzeugt

Die tief verankerte Gelassenheit der S-Klasse hat nur eine Schattenseite. Sie ist nicht leidenschaftlich. Stattdessen nimmt sie ihren Passagieren jegliche Sorgen ab. Um Ersatzteile muss man sich nicht groß kümmern, ein Kilometerstand über 300.000 ist längst kein Grund zur Aufregung. Der BMW 740i kann je nach Fahrtemperament und Automatik-Programm beides. Er spielt Hängematte oder leidenschaftlich bewegte Luxuslimousine, die mit ihren 286 PS auch heute noch zeigt, wo der Hammer hängt.

Der Audi V8 gibt eher die kapriziöse Diva. Von der Exklusivität her ein deutscher Quattroporte, dezentes Understatement, feinstes Leder, beste Hölzer, raffinierte Technik, dazu optimale Traktion unter allen Bedingungen. L'art pour l'art eben oder Vorsprung durch Technik. Ein bisschen riskant, aber eben nie langweilig. Auch das kann einem sehr viel geben.

Fazit von Motor Klassik-Redakteur Alf Cremers

Keine Frage, wenn ich wählen könnte, wäre es der BMW 740i. Mein weiß-blauer Favorit bietet Schönheit, Leidenschaft und Perfektion. Der Mercedes 420 SE ist der solideste und problemloseste, aber in seiner Kraft liegt eben auch sehr viel Ruhe. Der noble Audi V8 gibt sich im Detail wertvoll wie ein Bentley und ist genauso exklusiv, aber seine kapriziöse Technik stimmt mich besorgt.