Bond Bug 700 im Fahrbericht

Dieser Bond hat ein Rad ab!

Im Bond Bug fühlt man sich wie James Bond: Kinder jubeln einem vom Straßenrand zu, überholende Autofahrer winken gleich mit beiden erhobenen Daumen, und an der Tankstelle wird die orangene Wanze zum umlagerten Blickfang. Kein Wunder, ein Bond Bug 700 ist hier zu Lande ähnlich häufig wie der Aston Martin von 007.

Bond Bug 700 Foto: Frank Herzog 21 Bilder

Das glaubt uns keiner. Die Geschichte, die der Münchener Oldtimer- Enthusiast Heinz Schreiber vom Kauf seines skurrilen Dreirads erzählt, ist so ungewöhnlich, dass man sie für gut erfunden halten könnte. Aber der Reihe nach.

Ein Brite strandet mit seinem Bond Bug - und kommt nie wieder

Zufällig spaziert der anglophile Sammler im Sommer 1986 eine Dorfstraße in einem kleinen Ort in der bayerischen Provinz entlang. Er kommt an einer Tankstelle vorbei und sieht auf dem Hof etwas Orangefarbenes unter einer Abdeckung hervorblitzen. Neugierig lupft er ein Stück Plane hoch und staunt nicht schlecht: Zum Vorschein kommt ein heruntergekommener, aber vollständiger Bond Bug 700. Ein Kunststoff-Dreirad mit Alu-Motor.

Der Tankwart hat eine kurios anmutende Story auf Lager: Ein englischer Tourist blieb vor Jahren mit dem Bond Bug 700 liegen. Er kam gerade noch bis zur Spritstation. Ob man den havarierten Wagen wieder instand setzen könne? Der Brite versprach, bald die notwendigen Ersatzteile zu besorgen. Daraus wurde ein langer Dornröschenschlaf unter der Plane, der Mister kam nie wieder.

Oldtimerkenner und Briten-Enthusiast Schreiber ist von dem Fun-Car fasziniert. Trotz des gammeligen Äußeren ist der Bond Bug 700 komplett: Die Kunststoffkarosserie kann ohnehin nicht rosten, und der Rahmen ist offenbar so gut unter der Plane durchlüftet, dass sich kein Rost gebildet hat. Unser Bug-Interessent fängt schlagartig Feuer. Im hastig aufgesetzten Kaufvertrag steht "100 Mark Anzahlung für Ankauf eines englischen Fahrzeugs, Gesamtpreis 800 Mark".

Standschäden müssen mühsam repariert werden

In der heimischen Schrauberwerkstatt stellt sich heraus, dass der Bond Bug 700 doch einiger Zuwendung bedarf, um wieder zum Schmuckstück zu werden. Sein Motor, der in relativ großen Stückzahlen auch in den verschiedensten Dreirädern von Reliant verbaut war, ist noch das kleinste Problem. Der 700 Kubik große Reihen-Vierzylinder leistet gerade mal milde 29 PS, nach einer Motorüberholung sind sie heute wieder vollständig vorhanden.

Doch ist die Lenkung defekt und muss mühsam repariert  werden. Die Hinterachse hat die lange Standzeit zum Glück unbeschadet überstanden, auch das Vierganggetriebe war gut konserviert.

GFK-Karosserie macht die meisten Probleme

Ein Schandfleck ist 1986 allerdings die Karosserie des Bond Bug 700. Risse und "Starcracks" im Kunststoff bescheren Schreiber und Schrauberfreund Uwe Zepter wochenlange Aktivität mit Abbeizen, Schleifen und Spachteln. "Manchmal haben wir schon ordentlich geflucht”, meint er mit zufriedenem Blick auf das leuchtende Orange.

Der Bond Bug sollte ein Kultmobil werden

Die Geschichte des Bond Bug begann schon in den Swinging Sixties. Die betulichen Reliant-Threewheeler waren der Londoner Großstadtszene aber bei Weitem nicht "hip" genug - Anlass für den Zeichner Tom Karen, beim Design-Spezialisten Ogle Ende der Sechziger für Reliant ein modern anmutendes Dreirad zu entwerfen. Es sollte zum angesehenen Kultmobil für junge Leute werden.

Der futuristisch designte Bug mit seiner flugzeugähnlichen Klapp-Kanzel, der breiten hinteren Spur und der keilförmigen Karrosserie traf sofort den Nerv der Metropolen-Bewohner. Ein weiteres Plus: Im Sommer ist der Bond Bug fast so luftig wie ein Cabrio.

Eine Vorliebe zur Idealfigur ist allerdings dringend nötig, um sich mit dem Bond Bug anzufreunden: Schmale Sitznischen und eng stehende Pedale des Rechtslenkers erinnern daran, dass die damals gertenschlanke Twiggy zur Stilikone dieser Generation avancierte. Für Heinz Schreiber kein Problem - schließlich ist er sonst den Sardinenbüchsen-Charme seines Lotus Seven gewöhnt.

Das Topmodell des Bond Bug hat vier PS mehr

1970 begann die Produktion des Bug beim Dreirad-Spezialisten Reliant, der den Konkurrenten Bond Ltd. ein Jahr zuvor übernommen hatte. Der Newcomer wurde  in den 70ern in drei Varianten angeboten. Es gab die puristische Standardversion 700 ohne Seitenscheiben. Dann die Variante Bond Bug 700 E, ebenfalls mit 29 PS, aber mit einigen Komfortmerkmalen wie abknöpfbaren Seitenscheiben sowie einer Heizung.

Darüber thronte das rassige Topmodell Bond Bug 700 ES mit 31 PS. Doch schon 1974 hatte der Hippie-Traum ein Ende. Der trendige universelle Austin Mini grub dem Bond das Wasser ab. Qualitätsmängel und Lieferschwierigkeiten vergraulten die Klientel.

Dabei hatte der Bug durchaus das Zeug zum Kultmobil und letztlich sogar zum Smart-Vorläufer. Anders als das hochbauende Citymobil lässt sich der Bond Bug aber recht sportlich bewegen. Zwar erfordert das Fahrverhalten durch das mittig angebrachte Vorderrad in flotten Kurven eine kundige Hand, der niedrige Schwerpunkt, die Anordnung des Triebwerks als Frontmittelmotor hinter der Vorderachse und die breite Hinterachsspur lassen den Bond Bug 700 aber recht flott um die Ecke kacheln.

Eines der drei Räder trifft immer ein Schlagloch

Aufpassen heißt es allerdings in Linkskurven, die bergab führen. Wer dann ohne das stabilisierende Gewicht eines Beifahrers unterwegs ist, sollte sich vergegenwärtigen, dass ziemlich schnell das kurveninnere Rad abheben kann. Der rennsporterfahrene Schreiber genießt es zwar manchmal, seinen Bond Bug bewusst auf nur zwei Rädern um Kurven zu zirkeln. Aber auch er ist vorsichtig: Der Grenzbereich ist schmal, und keinerlei elektronischer Schnickschnack verhindert ein mögliches Umkippen.

Bond Bug fahren geht so: Erstmal in den schmalen Sitz einfädeln, die Pedale stehen sportwagentypisch eng zusammen. Dann greift die rechte Hand instinktiv ins Leere: Der Rechtslenker will mit links geschaltet werden. Die Kanzel wird heruntergeklappt - das kenne ich sonst aus der Fliegerei.

Kupplung langsam kommen lassen - los geht's. Mit der linken Hand schalten erfordert anfangs einige Überwindung, zudem geht nichts intuitiv. Schalten lässt es sich aber hervorragend - kurz und knackig. Ungewohnt auch, dass der rechte Fahrbahnrand so nah vorbeiflitzt. Der Slalom um die Schlaglöcher erweist sich als völlig nutzlos: Eines der drei Räder trifft auf jeden Fall.

In Deutschland gibt's nur fünf Bond Bug

Dafür macht die knackig-direkte Lenkung des Bond Bug über das Micro-Sportlenkrad richtig Spaß: Gokart-ähnlich kann man mit dem Bug auf kurvigen Strecken dank des günstigen Leistungsgewichts richtig heizen. Schade, dass es keinen Drehzahlmesser gibt. Die straffe Federung und die bockige Starrachse sorgen ebenfalls für grinsende Gesichter.

Auch die drei Trommelbremsen des Bond Bug verrichten ihre Arbeit ordentlich, ein kräftiger Tritt ins Pedal schadet nicht. Bond-Fan Schreiber schätzt, dass in Deutschland derzeit nicht einmal fünf Bugs zugelassen sind. In Großbritannien sei die Chance deutlich höher, einen der trendigen Zweisitzer zu entdecken.

Dass Reliant einst eine Produktion von 40 Bond Bug pro Woche plante, mutet aus heutiger Sicht ziemlich optimistisch an. Am Ende waren es gerade mal 2.269 Wanzen, die in vier Jahren das Werk verlassen haben. Dafür ist er heute der absolute Hingucker: Als Blickfang schlägt der orangefarbene Flitzer manchen Supersportwagen.