Datsun Fairlady und MGB im Fahrbericht

Briten-Roadster trifft Japan-Rivale

Verrückte Situation Anfang der Sechziger: Datsun schickt seinen kompakten Roadster 1.600 Sports in die USA, um dort gegen den MGB aus England zu konkurrieren. Wie gut seine Chancen waren, klärt unser Fahrbericht.

Datsun 1600 Sports, MGB MK II, Frontansicht Foto: Rossen Gargolov 20 Bilder

Heute weiß man nicht mehr so genau, welcher Song Herrn Katsuji Kawamata aus Yokohama am besten gefiel. War es "The Rain In Spain" (Es grünt so grün) oder "I Could Have Danced All Night" (Ich hätt' getanzt heut' Nacht)? Auf jeden Fall muss den Japaner 1961 bei seinem Besuch in New York das Broadway-Musical "My Fair Lady" sehr beeindruckt haben. Sonst hätte Herr Kawamata, Präsident der aufstrebenden Automobilmarke Datsun, keine Modellreihe danach benannt. Und so trug ab Oktober 1962 ein kleiner 70-PS-Roadster die Bezeichnung Datsun Fairlady 1.500. Noch heute wird in Japan die Modellreihe des 1969 präsentierten Sportcoupés 240 Z unter dem Namen Nissan Fairlady vermarktet.

Auch wenn man kein großer Musical- Fan ist, findet man an dem kleinen Japan-Roadster sofort großen Gefallen. Unser Fotomodell ist der 1965 vorgestellte und bis 1970 gebaute Nachfolger des Datsun Fairlady 1.500 mit 1,6-Liter-Motor und praktisch identischer Karosserie. Der Datsun-Roadster macht im Gegensatz zu den meisten anderen japanischen Autos aus jener Zeit einen sehr adretten und modernen Eindruck.

Datsun 1.600 Sports wirkt optisch frischer

Vielleicht sogar modener als der MGB MK II, sein Rivale aus England? Zumindest von vorn, mit seinem quer verlaufenden Chromstreben im Kühlergrill, tritt der Datsun 1.600 Sports etwas lebendiger auf als der Brite mit seinem vergleichsweise wuchtigen, fast schon chromüberladenen Kühlergesicht. Die nicht originalen Aluminiumfelgen verhelfen dem Japaner ebenfalls zu einer etwas jüngeren Optik, während der MG mit traditionellen Speichenfelgen und Zentralverschlüssen aufwartet. Dabei beträgt der Altersunterschied unserer beiden Fotofahrzeuge nur ein Jahr: Der MG ist von 1969, der Datsun von 1970.

Auch ihre Markteinführung liegt nur ein Jahr auseinander: Der MGB MK II stand bereits 1962 und damit ein Jahr vor dem Datsun-Roadster in den Schauräumen. Obwohl innerhalb eines Jahres die Japaner kaum in der Lage gewesen wären, den MG nachzubauen, gibt es beim Design einige Parallelen: Beide steil stehenden Frontscheinwerfer formen vergleichbare Aushöhlungen in den Fahrzeugnasen. Und die beiden Stummel-Heckflossen sind – als typisches Design-Merkmal der frühen Sechziger – im gleichen Winkel schräg abgeschnitten. Während die Flossenenden beim MG mit jeweils einer einzelnen, vertikalen Rückleuchteneinheit versehen sind, schmücken dort den Datsun 1.600 Sports vier einzelne runde Rücklichter. Noch ein markanter Unterschied ist die deutlich höhere und steiler stehende Frontscheibe des Japaners.

Unter seinem schicken Blechkleid zeigt sich der Datsun, der außerhalb von Japan als Datsun Sports 1.600 oder 1.600 Roadster vermarktet wurde, als das urigere Gefährt. Er besitzt noch einen seperaten Kastenrahmen, während der MGB MK II den Wechsel zur selbsttragenden Karosserie bereits vollzogen hat. Hier musste der Datsun Fairlady die Technik seiner Vorgänger übernehmen. Der neue 1,6-Liter-Motor erhielt dagegen nicht nur mehr Hubraum, sondern auch einen neuen Zylinderkopf aus Aluminium. Damit stieg die Motorleistung von 77 auf 96 SAEPS. Der gleiche Motor kam übrigens auch im Datsun Silvia Coupé zum Einsatz, von dem zwischen 1965 und 1968 nur 554 Stück entstanden sind. Das zukunftsweisende Design der Silvia stammte von dem deutschen Designer Albrecht Graf Goertz, der auch die Grundzüge des erfolgreichen Z 240-Coupés entwarf.

Beim Datsun geht es enger zu

Auch das Fahren mit dem beruhigenden Klang eines dumpf röhrenden Vierzylinders, der nie gehetzt wirkt, sondern die meisten PS ohne zu murren aus dem Drehzahlkeller holt, hat sofort etwas Vertrautes, Verlässliches. Das Getriebe lässt sich sanft und präzise schalten, die Bremsen zeigen sich auch dem heutigen Straßenverkehr gewachsen. Am meisten Spaß macht jedoch das radikale Frischluftvergnügen, denn die niedrige Windschutzscheibe bietet für Großgewachsene nur wenig Windschutz, sodass man ohne große Einschränkung den freien Himmel über sich genießen kann – vom Scheitel bis zu den Socken.

Eigentlich müsste das im Datsun 1.600 Sports genauso gut funktionieren. Mit Blick auf die stabileren Sitze mit den kräftigen Nackenstützen und auf das dicker gepolsterte Armaturenbrett vielleicht sogar besser? Der Einstieg zumindest geht etwas zügiger, weil die Sitze im Datsun höher montiert sind. Doch nach dem Schließen der Fahrertür merkt man, dass es hier deutlich enger zugeht als im MGB MK II. Der Japan-Roadster ist mit 1,49 Meter Breite vier Zentmeter schmaler als der Brite. Trotz des kleineren Lenkrads hat der linke Ellenbogen ständigen Kontakt mit der Fahrertür, wenn man seinen Arm bei offenem Fenster nicht darauf ablegen will. Auch die beiden Fußräume sind kleiner dimensioniert als im MGB. Wer kein japanischer Testfahrer und größer als 1,80 Meter ist, muss sich im Datsun der Länge nach etwas zusammenfalten.

Die im Vergleich zum MGB MK II insgesamt etwas angespanntere Sitzposition passt allerdings gut zum Gesamtcharakter des quirligen Japaners, dessen Motor seinem Fahrer etwas mehr Schaltarbeit zumutet. Wer nämlich im Datsun 1.600 Sports einigermaßen standesgemäß schnell unterwegs sein will, der sollte die Motordrehzahl möglichst nicht unter die 3.000/min fallen lassen. Während der MGB-Motor in diesem Bereich noch gut am Gas hängt und zügig in allen vier Gängen an Tempo zulegt, tut sich der Datsun zumindest in den beiden oberen Gängen etwas schwerer. Dann muss man eben zurückschalten, was mit dem knackig und in kurzen Wegen zu schaltendem Getriebe sogar Laune macht.

Datsun 1.600 eine MGB-MKII-Kopie?

Der konventionelle Stoßstangen-Motor des Datsun 1.600 Sports ist technisch an die 1,8-Liter- Maschine des MGB MK II angelehnt, besitzt aber einige markante Unterschiede in den Konstruktionsdaten. So ist der Datsun mit nur 67 Millimeter Hub gegenüber dem MG mit 89 Millimetern auf höhere Drehzahlen angewiesen. Hier stehen als Nenndrehzahl 6.000/ min des Datsun den 5.400/min des MG gegenüber. Entsprechend spät erzielt der Japan-Kurzhuber sein maximales Drehmoment, das erst bei 4.000/min mit 132,5 (SAE-) Newtonmeter erreicht wird. Der MG stemmt dagegen satte 150 Newtonmeter bei gerade mal 3.000/min auf seine Kurbelwelle. Ob das beim Fahren große Unterschiede macht, werden wir gleich feststellen.

Wir beginnen unseren Roadster-Vergleich mit dem grünen MGB MK II. Er wirkt wie ein guter Freund, den man jahrelang nicht mehr gesehen hat und mit dem man trotzdem sofort ins Gespräch kommt – wenn man erst einmal da unten im tief platzierten Sitz gelandet ist. Bei geöffnetem Dach eine leichte Turneinlage am Barren, bei geschlossenem Dach eine zirkusreife Nummer für Schlangenmenschen. Doch hat man erst einmal die Tür ins Schloss geknallt, ist sofort alles wie früher: Lenkrad, Schalthebel und Bedienknöpfe liegen in optimaler Griffweite. Kreisrunde Chromringe der Instrumente lenken den Blick auf die schlichte und ehrliche Grafik der Skalen von Drehzahlmesser und Tachometer.

Mit etwa 4.000/min ist der Datsun-Kurzhuber in Lauerstellung, um dann beim Beschleunigen gierig und entschlossen hochzudrehen. Der Drehzahlmesser wandert dabei schneller in Richtung 6.000/min als daneben die schläfrig wirkende Tachonadel und suggeriert zusammen mit dem kernigen Knurren des Vierzylinders einen enormen Tempozuwachs. So macht es richtig Spaß, mit der kompakten Datsun Fairlady herumzuwirbeln – als hätte sie einen Alfa-Dopelnockenwellen- Motor unter der weißen Motorhaube. Das Fahrverhalten in Kurven wirkt im Datsun etwas knackiger und präziser als Im MGB MK II. Neben dem etwas härter abgestimmten Fahrwerk sind dafür wohl auch die breiten, nicht orignalen Reifen im 185-70-Format verantwortlich.

Doch trotz aller Drehzahl-Dynamik des Datsun 1.600 Sports – der lässige MG ist schneller und nimmt dem Japaner beim 100-km/h-Sprint locker eine Sekunde ab. Wer damals trotzdem in einem Japan-Roadster die britische Konkurrenz in Angst und Schrecken versetzen wollte, der griff zu einem Samurai-Schwert mit deutlich härterer Legierung: dem Datsun Sports 2.000.

Der starke Zwillingsbruder

In der Karosserie unseres Datsun 1.600 Sports steckt dann ein moderner Zweiliter-SOHC-Motor mit 145 SAE-PS und einem Fünfganggetriebe. Sie katapultierten das 950-Kilogramm- Leichtgewicht in die Liga der Power-Roadster. Beschleunigung von null auf 100 km/h in sieben Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 205 km/h. Selbst gestandene Austin-Healey 3.000 und Triumph TR5 PI mussten sich dem Datsun Sports 2.000 geschlagen geben. Er begründete vor allem in den USA die bis heute anhaltende Rennsportradition von Datsun/Nissan und ist der direkte Vorfahre des aktuellen Nissan GT-R. Auch für die kleineren Hubraumklassen gab es ab Werk Tuning-Kits mit schärferen Nockenwellen, Weber-Vergasern, Ölkühlern und mehr.

Datsun startete bereits 1958 in Kalifornien den US-Import. Da kamen Mitte der Sechzigerjahre die Sporterfolge des kleinen Roadsters gerade recht – die das Coupé 240 Z in den Siebzigern fortsetzen konnte. So gelang den Japanern doch noch die Invasion in Amerika, deren Scheitern Steven Spielberg mit der Slapstick-Komödie "1941 – Wo bitte geht's nach Hollywood" effektvoll schilderte. Und zwar in Form eines hübschen Roadsters, der in den USA vor allem die britische Konkurrenz attackieren sollte und in seiner Heimat den Namen eines Broadway-Musicals trug.