De Tomaso Mangusta und Valellunga

De Tomasos frühe Werke

Der Argentinier Alejandro De Tomaso kam 1955 nach Italien, um dort Vollblut-Sportwagen zu bauen. Wir fuhren sein Premierenauto Vallelunga von 1965 und dessen V8-Nachfolger Mangusta.

De Tomaso Mangusta, De Tomaso Valellunga, Frontansicht Foto: Rossen Gargolov 21 Bilder

Selbstverständlich besaß ich das hellblau-weiße Corgi-Modell des De Tomaso Mangusta im Maßstab 1:43. Es war das schönste meiner kleinen Sammlung. Bereits die Zweifarben-Lackierung in den De-Tomaso-Hausfarben (argentinische Flagge) sah prächtig aus. Und dann dieses geniale Gimmick, dass man das Chassis mitsamt Rädern und Motor von der Karosserie trennen konnte. Auch der Name imponierte mir: De Tomaso Mangusta. Das klang immer etwas brutaler und erbarmungsloser als Iso Grifo, Lamborghini Miura oder Ford GT 40.

305 PS starkes Meisterwerk, das schon im Stand fasziniert

Und jetzt, mehr als 40 Jahre später, steht dieser Kraftwagen leibhaftig vor mir – tief, breit und schwarz. Neben dem De Tomaso Mangusta parkt auch ein weißer De Tomaso Vallelunga, der grazilere Vorgänger des Mangusta. Beide stehen für eine Probefahrt bereit, der Vallelunga mit Vierzylinder-Motor und 105 PS, der Mangusta mit V8 und beinahe dreimal so vielen Pferdestärken. Den knüpfe ich mir natürlich zuerst vor.

Der De Tomaso Mangusta zählt zu den wenigen Klassikern, die mich wie ein Mig-Jäger aus den Sechzigern oder eine voll verkleidete Stromlinien-Dampflok schon im Stand faszinieren. Ohne dass das 305 PS starke technische Meisterwerk sich auch nur einen Meter bewegt, begeistere ich mich für viele seiner Details.

Es beginnt mit der schnörkellos und wuchtig gezeichneten Karosserie, deren scharfkantig ausgeschnittene Front gierig den Fahrtwind aufsaugt. Zum aggressiven Mangusta-Auftritt trägt auch das vom Rennsport übernommene Reifenformat bei, das Designer Giorgetto Giugiaro konsequent in seinem Entwurf umgesetzt hat: vorn 185-15 und hinten 205-15, bei unserem Foto-Fahrzeug 215/60-15 und 275/60-15. So wirkt der De Tomaso Mangusta fast wie ein Dragster und lässt bereits im Stand erahnen, dass sich hier kein Vierzylinder vor der Hinterachse abmüht.

Im Kontrast dazu formte Giugiaro das Dach und das Fastback-Heck des De Tomaso Mangusta in einem sanft geschwungenen Bogen. Nichts wirkt überflüssig oder angepappt.

Zweigeteilte Heckscheibe und Rennsport-Technik

Der optische Höhepunkt und das De Tomaso Mangusta-Markenzeichen schlechthin ist die zweigeteilte Heckscheibe. Eine notwendige Folge der ebenfalls zweigeteilten, sich seitlich wie Flügel öffnenden Heckpartie, die sich von der B-Säule bis zu den Rücklichtern erstreckt. Simple Stahlstangen halten diese in Position, sodass sich ungehindert Motor, Getriebe und Fahrwerk bewundern lässt.

Das Ganze erinnert an einen klassischen Rennsportwagen mit US-V8, an einen McLaren M6 GT oder Lola T70: Der Motor und das ZF-Fünfganggetriebe des De Tomaso Mangusta ruhen auf einem Hilfsrahmen, der auch als Befestigung für die Hinterradaufhängung mit Querlenkern und meterlangen Zugstreben dient, die nach vorn bis zum Zentralrahmen-Chassis reichen. Der Rahmen besteht im Prinzip aus einem länglichen, viereckigen Stahlkasten, in dem auch die Leitungen für den in der Wagenfront untergebrachten Wasserkühler verlaufen.

Ein weiteres originelles Detail erkenne ich schließlich zwischen den Ventildeckeln des V8. Um Platz zu sparen, verlegten die De Tomaso-Techniker beim Mangusta die Lichtmaschine und den Kompressor der Klimaanlage von der Stirn- auf die Rückseite des Motors. Eine offen laufende Antriebswelle und drei Keilriemen übertragen jetzt die Kraft zu den nach hinten umgesiedelten Nebenaggregaten.

Zum Tanken muss die halbe Karosserie hochgeklappt werden

Auch die Anordnung des Tanks versetzt mich ins Staunen: Er versteckt sich hinter dem Beifahrersitz unter einer schwarzen Stoffdecke. Die gleiche Karosserie-Aussparung hinter dem Fahrersitz lässt sich als Mini-Kofferraum nutzen. Zum Tanken muss jedoch stets die rechte Karosseriehälfte des De Tomaso Mangusta hochgeklappt werden, um an den Einfüllstutzen zu gelangen. Was für ein grandioses Schauspiel bei Shell & Co. - wäre ich Mangusta-Besitzer, würde ich immer nur für 20 Euro tanken.

Selbstverständlich kann man mit diesem Kunstwerk auch fahren. Aber der gerade mal ein Meter und zehn Zentimeter hohe De Tomaso Mangusta machte es mir dabei nicht besonders leicht. Jedes mal beim Hineinkriechen bringe ich mit meiner Stirn den Innenspiegel in Schräglage. Habe ich schließlich meine Gliedmaßen sortiert und die eng beieinanderstehenden Pedale ertastet, stelle ich fest, dass ich nicht hinter, sondern beinahe unter der Windschutzscheibe sitze. Diese weit nach vorn gerückte Sitzposition zeigt, dass der 1966 präsentierte De Tomaso Mangusta zu den frühen Autos mit Mittelmotor zählt, bei denen der weit nach vorn gerückte Fahrer noch Platz für Motor und Getriebe machen musste. In dem 1971 präsentierten Nachfolger Pantera sitzt man bereits um einiges bequemer.

Immerhin kann ich so die acht Rundinstrumente und eines der schönsten Automobil-Lenkräder aus der Nähe betrachten, dessen Holzkranz zusätzlich mit zwei griffigen Ledersegmenten ummantelt ist. Meine rechte Hand umfasst probehalber den in offener Kulisse geführten Mittelschalthebel. Passt perfekt, es kann losgehen. Der 4,7-Liter-V8 des De Tomaso Mangusta brabbelt bereits hinter dem Fahrersitz, in den ich mich jetzt hineinpresse, um das Kupplungspedal auf den Boden zu zwingen.

Der De Tomaso Mangusta fährt so problemlos wie ein Fiat 124

Ich lege den ersten Gang ein, ziehe das Bein vorsichtig zurück, und der De Tomaso Mangusta rollt sachte an. Er fährt sich so problemlos wie ein Fiat 124. Allerdings muss ich mich an das Tauchboot-Gefühl in dem extrem niedrigen Mangusta erst noch gewöhnen. Im Hamburger Vorstadt-Verkehr blicke ich fast nur in die Kühlergrills und Auspuffrohre der anderen Autos.

Auf einer wenig befahrenen Landstraße zeigt sich jenseits von 2.000/min bereits die V8-Faust im Nacken. Auch in den oberen Gängen genügt im De Tomaso Mangusta ein leichter Druck auf das Gaspedal, und der knapp 1,3 Tonnen leichte Flachmann stürmt los wie ein von der Rennstrecke entlaufener Can Am-Rennwagen. Hier macht sich das satte Drehmoment-Maximum von 532 Newtonmeter bemerkbar, das bereits bei 3.500/ min zur Verfügung steht. Zum Vergleich: Der Lamborghini Miura schafft mit seinem Vier-Liter-V12 gerade mal 378 Newtonmeter bei strammen 5.500/min.

Bei Vollgas brüllt der De Tomaso Mangusta-V8 zornig aus seinem Heckverlies, verschont aber den Fahrer weitgehend mit Vibrationen und schrillen Mechanik-Tönen. Auch das im Vergleich zu heutigen Autos eher soft abgestimmte Fahrwerk ist voll langstreckentauglich und nimmt trotzdem jede Kurve deutlich zielgenauer als die Frontmotor-Konkurrenz von einst.

Erst Rinderzucht, dann Maserati-Mechaniker

Wer ist nun dieser Alejandro De Tomaso, der ein heute noch derart bewundernswertes Automobil schuf? Hierzu ein paar schnelle Fakten: De Tomaso, Jahrgang 1928, stammt aus einer argentinischen Rinderzucht-Familie mit italienischen Wurzeln, musste aber in den Fünfzigern sein Geburtsland verlassen, weil er öffentlich gegen Präsident Juan Peron opponierte. In Italien fand der Hobby-Rennfahrer bei Maserati eine Anstellung zunächst als Mechaniker, später als Rennpilot.

In Modena lernte er auch seine vermögende, aus den USA stammende Ehefrau Elizabeth Haskins kennen, die ebenfalls Autorennen bestritt. Sie fuhren oft zusammen und belegten zum Beispiel 1958 beim top besetzten Zwölf-Stunden-Rennen in Sebring den achten Platz. Außerdem siegte das Ehepaar De Tomaso mit ihrem OSCA in der 750-Kubik-Klasse.

Wie Jack Brabham oder Bruce Mc-Laren versuchte sich De Tomaso ab 1960 auch als Rennwagen-Konstrukteur und gründete De Tomaso Automobili, die mit mäßigem Erfolg zunächst Monoposto-Rennwagen bis zur Formel 1 herstellte. Mit Hilfe des US-Giganten Ford, der ständig auf der Suche nach einem exklusiven europäischen Sportwagen-Partner war, entstand bei De Tomaso der erste Straßen-GT Vallelunga mit Ford-Vierzylinder. Dann kamen die V8-Boliden Mangusta und Pantera.

De Tomaso als Sammler ruhmreicher Marken

Der De Tomaso Pantera sollte ab 1971 in den USA über die Lincoln-Mercury-Händler vertrieben werden, konnte aber die Qualitäts-und Sicherheits-Ansprüche der US-Kundschaft beziehungsweise -Regierung nicht erfüllen. Drei Jahre später trennte sich Ford von De Tomaso.

Zurück blieb ein versierter Geschäftsmann, der italienische Automobil- und Motorrad-Marken wie Jagdtrophäen sammelte: Ghia, Vignale (beide gingen bereits 1969 an Ford), Benelli, Moto Guzzi, Maserati und zuletzt Innocenti. Zurück blieben auch hochkarätige Mittelmotor-Sportler wie der De Tomaso Vallelunga, den ich jetzt ebenfalls kennenlernen werde. Es war De Tomasos erster Straßensportwagen und der direkte Vorfahre von Mangusta und Pantera.

Auf den Punkt gebracht ist der De Tomaso Vallelunga nichts anderes als ein Mangusta light. Chassis und Fahrwerk sind in ihrer Konstruktion mit dem großen Bruder fast identisch. Der größte Unterschied steckt dagegen unter dem Heckfenster: Dort liefert ein 1,5-Liter-Vierzylinder von Ford seine 105 PS lautstark über ein VW-Transporter-Getriebe an die Hinterräder. Der brave Ford-Motor, der sonst in britischen Cortina und Corsair bescheidene 58 PS leistete, klingt aggressiver und angriffslustiger als der souveräne V8. Erst durch klassisches Tuning mit zwei Weber-Doppelvergasern und Sport-Auspuffanlage gelang dieser respektable Leistungssprung.

Alu anstatt Kunststoff

Mein weißer De Tomaso Vallelunga ist einer von drei aus Aluminium bei Fissore gefertigten Exemplaren. Die restlichen 50 entstanden bei Ghia und wurden von Hand aus GFK (mit Glasfaser verstärkter Kunststoff ) gefertigt. Deren einteilige Karosserien besitzen eine hochklappbare Heckscheibe, während man bei den fünf Alu-Vallelunga die komplette Heckpartie nach hinten ankippen kann. Dann zeigt sich das typische Rennwagen-Chassis. Der De Tomaso Vallelunga war auch ursprünglich als Rennsportwagen konzipiert. Mit einem Leergewicht von nur 640 Kilogramm waren Klassensiege bis 1,5 und sogar zwei Liter Hubraum kein Problem.

Seine Rennsport-Gene spüre ich auch beim Fahren in Form von kräftigen Motorvibrationen, die über die harten GFK-Sitze Gesäß und Rücken massieren. Zum Anfahren braucht es ordentlich Drehzahl, damit der scharf gemachte Vierzylinder nicht ins Stottern gerät. Doch dann stellt sich rasch das viel gerühmte Gokart-Gefühl in dem hellen Cockpit ein, fast ebenso direkt reagiert der De Tomaso Vallelunga auf meine Lenk- und Bremsbefehle.

Den damals vom Werk mit 208 km/h versprochenen Topspeed habe ich trotzdem nicht ausprobiert. Dagegen kann ich mir gut vorstellen, wie Alejandro de Tomaso einst selbst hinter dem Steuer des Vallelunga saß, um die Leistungsfähigkeit seiner Kreation zu testen. Die Automobilgeschichte kennt kaum einen wagemutigeren Allrounder - als Rennfahrer, Konstrukteur und besonders als Geschäftsmann.

De Tomaso und seine Automobil-Kreationen

Neben dem De Tomaso Vallelunga und Mangusta schuf der am 21. Mai 2003 in Modena verstorbene Alejandro De Tomaso noch eine Vielzahl anderer Modelle mit Ford-V8 - auch einen Formel 1-Rennwagen (1970).

Am bekanntesten ist der Mangusta-Nachfolger Pantera, von dem in den Jahren 1971 bis 1993 immerhin 7.260 Stück entstanden. Es folgten die viertürige Limousine Deauville und das elegante Coupé Longchamp, das mit Maserati-V8 und einigen Karosserie-Retuschen ab 1976 auch als Maserati Kyalami vertrieben wurde. Maserati war damals in Besitz von De Tomaso.

Dann kam der Guarà, von dem etwa 34 Exemplare entstanden. Die letzte De Tomaso-Entwicklung wurde unter dem Namen des US-Geldgebers als Qvale Mangusta ab 1996 vertrieben, aus dem der MG X-Power SV hervorging. Nicht zu vergessen ist der Power-Mini Inncocenti De Tomaso.