Ferrari 365 GTB/4, Lamborghini Miura S, Maserati Ghibli SS

Die Stars der Autoquartetts

Ferrari 365 GTB/4, Lamborghini Miura S, Maserati Ghibli SS - das waren die Stars der Autoquartetts, ihre Testberichte zählen zur kollektiven Auto-Erinnerung ganzer Generationen. Die drei Helden beim Soundcheck.

Ferrari 365 GTB/4 Daytona, Lamborghini Miura S, Maserati Ghibli SS Foto: Uli Jooß 35 Bilder

Schwer zu sagen warum, aber damals war immer der Maserati Ghibli mein persönlicher Held. Vielleicht weil er im Quartett der Superasse in seiner Kategorie neben Lamborghini Miura, Ferrari 365 GTB/4 und Monteverdi Hai 450 SS leistungsmäßig und in der Höchstgeschwindigkeit der Underdog war. Oder weil der Ghibli in Dunkelblau neben dem gelben Ferrari, dem orangen Miura und dem roten Monteverdi wie ein ernsthaftes, seriöses Auto wirkte.

Nur 125 echte Maserati Ghibli Spider wurden gebaut

Erwachsen sieht der Maserati Ghibli auch heute, mehr als dreißig Jahre später, neben seinen Quartettrivalen aus. Er ist dunkelgrün und anders als der Ghibli aus dem Kartenspiel und dem legendären auto motor und sport-Test von 1969 ein Spider. Zwar keiner von den 125 echten, zwischen 1968 und 1973 gebauten Exemplaren, aber immerhin eine Conversion der Carrozzeria Campana in der SS-Ausführung mit dem 4,9 Liter großen Motor. Die kleine Karosserieschmiede aus Modena hat früher diverse Karosserien unter anderem für Maserati und De Tomaso gebaut und ist heute eine der besten Adressen Italiens für klassische Maserati-Teile und ein bekannter Restaurierungsbetrieb.

Neben dem dunklen Maserati Ghibli aus dem Bestand von Fritz Neuser, der nicht nur eine Ferrari- und Maserati-Vertretung betreibt, sondern auch eine große Klassikersammlung besitzt, erscheint der gelbe Ferrari 365 GTB/4 Daytona fast zierlich. Das Coupé hat Mario Bernardi, Spezialist für klassische Ferrari, zum Fototermin mitgebracht.

Lamborghini Miura duckt sich am stärksten auf den Asphalt

Selbst neben den nicht gerade hochbauenden Maserati Ghibli und Ferrari 365 GTB/4 Daytona verschwindet der ultraflache Lamborghini Miura aus dem privaten Fuhrpark eines elsässischen Juweliers geradezu im Asphalt. Nur sein giftgrüner Lack lässt ihn nicht völlig neben seinen beiden Konkurrenten abtauchen. In nackten Zahlen liest sich das nicht ganz so dramatisch: Der Miura ist gerade mal 6 und 14 Zentimeter niedriger als Ghibli und Daytona. Auch die Radstände sind recht ähnlich: Der Ferrari weist das klassische Maß von 2.400 Millimeter aus, 10,5 und 15 Zentimeter mehr sind es bei Lamborghini und Maserati.

Ferrari Daytona mit Käferradstand, aber mit Platz für den V12

Man würde beim Ferrari 365 GTB/4 Daytona am liebsten ein Maßband anlegen so unmöglich scheint es auf den ersten Blick, dass der niedrige, gestreckte Daytona genau den gleichen Radstand hat wie ein VW Käfer. Umso erstaunlicher die Leistung von Pininfarina, der es schaffte, einen Zwölfzylindermotor, reichlich Platz für zwei und einen 100 Liter fassenden Benzintank auf so knappem Raum so gelungen in Form zu bringen.

Fotos vermitteln die wirkliche Schönheit dieser Autoskulptur nur sehr unvollkommen. Man muss vor ihm stehen, ihn langsam umrunden und diese spannungsvolle Schlichtheit der Formen und die verhaltene Aggressivität seines Ausdrucks einige Minuten auf sich wirken lassen.

Und natürlich im engen Ledersessel hinter dem kleinen Lenkrad Platz nehmen. Die Träume des Quartettspielers erfüllen sich auf unspektakuläre Weise: Man setzt sich rein, wie in jedes andere Auto auch. Ein wenig enger ist es zwar, und es riecht nach gut gepflegtem, altem Leder. Der Zwölfzylinder unter der langen Haube erwacht spontan und mit genau jenem lauten Rasseln des Ventiltriebs, das Klaus Westrup in seinem Daytona-Test von 1973 so treffend beschrieb und den so mancher damals Zehn- bis Zwölfjährige heute noch fast auswendig vortragen könnte.

Daytona-V12 ist ein Nahcfahre des Colombo-Motors

Mit etwas Gas verschwindet das Rasseln fast im Bollern der zweiflutigen Auspuffanlage. Für den Techniker heißt das 4,4 Liter große Soundsystem Tipo 251, und es geht auf jenen Motor zurück, den Gioacchino Colombo für den Ferrari 125 Sport von 1947 konstruierte. Auch wenn der Daytona-Motor fast den dreifachen Hubraum des Ur-Zwölfzylinders aufweist, doppelt so viele Nockenwellen und fast fünf Mal so viel Leistung hat, sind die konstruktiven Gemeinsamkeiten nicht zu übersehen: Alu-Block im 60-Grad-Winkel, nasse Laufbuchsen und eine Kurbelwelle mit drei, um je 120 Grad versetzten Ebenen, wie bei einem Reihensechszylinder.

Das aufwändige Triebwerk des Ferrari 365 GTB/4 Daytona gibt sich lammfromm. Kupplung und Schaltung lassen sich fast so leicht bedienen wie etwa in einem Alfa Bertone. Auch Lenkung und Bremse verlangen keine übermäßigen Bedienkräfte. Ein wenig ruppiger als in einem zeitgenössischen Mittelklassewagen geht es schon zu, aber von der in vielen Testberichten angedeuteten Lastwagenhaftigkeit ist kaum mehr als ein Hauch zu registrieren.

Freilich will die lange Schnauze mit etwas Nachdruck in die gewünschte Richtung geschwenkt werden, und den Schalthebel sollte man bewusst in die richtige Ebene der offenen Kulisse führen, doch ansonsten braucht man keine besonderen Fertigkeiten zum Fahren im Daytona. Zumindest so lange man langsam unterwegs ist.

Man spürt die Geschwindigkeit in den Armen

Sobald der immerhin gut 1.600 Kilogramm schwere Ferrari etwas schneller unterwegs ist, und das geht bei diesem 30 Jahre alten Auto immer noch in beängstigend kurzer Zeit, wird klar, dass der Daytona doch nichts für Anfänger ist. Jetzt wird es noch lauter im Innenraum, die Nadel des Drehzahlmessers schnappt nach der 70, und der lange zierliche Schalthebel schnellt eine Spur leichter durch die Kulisse.

Handling und Geradeauslauf sind immer noch tadellos. Aber anders als bei modernen schnellen Autos spürt man die gefahrene Geschwindigkeit unmittelbar in Armen, Gesäß und Ohren. Man glaubt gern, dass der Ferrari Daytona 275 km/h schnell ist, möchte es aber nicht unbedingt auf einer deutschen Autobahn ausprobieren.

Noch viel weniger will man das in einem Lamborghini Miura. Er verlangt schon beim Einsteigen nach viel mehr Kompromissen. Der enge Schalensitz lässt sich nur ein paar Millimeter in Richtung Schottwand verschieben, das Lenkrad klemmt zwischen den Knien wie bei einem Rennwagen, und ohne Hilfe eines Eingeweihten ist man auf der Suche nach dem Startknopf ziemlich verloren.

Der sitzt unsichtbar unter dem Instrumentenbrett. Eine zarte Berührung entfesselt nur wenige Zentimeter hinter der fest montierten Kopfschütze ein Geräuschinferno, das sich anhört, als seien die Gehörgänge direkt mit dem Luftfilterkasten verbunden. Dabei experimentierten die Lamborghini-Entwickler mit verschiedenen Materialien, um eine möglichst geräuschdämmende Trennwand zu erzielen. Der Erfolg ist höchst bescheiden. Ein wenig giftiger tönt es als im Ferrari, der Vierliter-Kurzhuber scheint hurtiger hochzudrehen, einen Tick besser am Gas zu hängen.

Sensation: quer eingebauter V12 im Lamborghini

Als Lamborghini 1965 auf dem Pariser Salon das Chassis eines Mittelmotor-Prototypen unter der Bezeichnung 400 TP vorstellte, war dies nicht weniger als eine Sensation. Straßensportwagen mit Mittelmotor gab es zwar schon früher, Matra Djet und De Tomaso Vallelunga zum Beispiel, aber ein solches Auto mit quer eingebautem Zwölfzylinder-Antrieb (TP stand für Transversale Posteriore) war etwas völlig Neues.

Neu war auch, dass der auf vier Liter aufgebohrte Antrieb des Lamborghini 350 GT mit Getriebe und Differenzial in einem Gehäuse verblockt war. Nur so konnte der von Giotto Bizzarrini für Frontmotor-Fahrzeuge konzipierte Zwölfzylinder zwischen Hinterachse und Passagierabteil eingepasst werden.

Die treibenden Kräfte hinter dem Projekt 400 TP waren die Ingenieure Giampaolo Dallara und Paolo Stanzani sowie der Versuchsfahrer und Entwickler Bob Wallace. Sie wollten ein wettbewerbstaugliches Fahrzeug auf die Räder stellen, weshalb sie sich auch an den sieg reichen Mittelmotor-Rennern Ferrari 250 LM und Ford GT 40 orientierten. Im Sinne von Ferruccio Lamborghini war das freilich nicht. Klassische Gran Tursimo nach Art des Lamborghini 350 GT waren Autos nach seinem Geschmack mit flachen, unbequemen Rennhobeln konnte er wenig anfangen.

Nuccio Bertone schuf ein Referenz-Design

Als dann der erste komplette Prototyp 1966 auf dem Genfer Autosalon dem begeisterten Publikum sein aufregendes Bertone-Kleid präsentierte, schwand der Widerstand des Chefs. Die Firma des Nuccio Bertone hatte mit dem Miura etwas, das nur wenigen Designern alle paar Jahrzehnte einmal gelingt: Sie hatten das Referenz-Design erfunden. Alle Mittelmotor-Sportwagen, die danach kamen, orientierten sich an diesem Vorbild, und sie mussten sich an ihm messen lassen.

Umstritten ist, wer nun bei Bertone die entscheidenden Striche für den Miura setzte. Fakt ist, dass Designchef Giugiaro die Firma Ende 1965 in Richtung Ghia verließ, wo er sich sogleich an das Zeichenbrett mit den Ghibli-Entwürfen setzte. Sein Nachfolger bei Bertone hieß Marcello Gandini.

Ganz gleich, wer es nun war: Zumindest nach vorn ist die Aussicht aus dem tiefen Schalensitz ausgezeichnet. Nach hinten sieht man weder im kleinen Außenspiegel noch durch das schmale Fenster sehr viel. Es braucht einen aber auch nicht übermäßig zu interessieren, was hinter dem Lamborghini passiert. Auch die wenigsten modernen Autos haben den Hauch einer Chance, wenn man im Miura richtig Gas gibt.

Der Maserati Ghibli verwöhnt seine Besatzung

Selbst ein Maserati Ghibli SS mit dem 4,9-Liter-Motor muss sich gehörig anstrengen, um dem Lamborghini einigermaßen zu folgen. Was auch daran liegt, dass die Leistungsangaben für den mächtigen Achtzylinder leicht übertrieben gewesen sein dürften. Der schnellste jemals gemessene Ghibli war, welch Zufall, das 4,7-Liter-Testauto mit 310 PS in auto motor und sport 11/1969. Es lief genau 274,8 km/h schnell und beschleunigte in sieben Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Dem Motor des SS wurden 335 PS attestiert. Unabhängig gemessene Fahrleistungen liegen für diese Motorisierung leider nicht vor.

Dafür empfängt der Maserati Ghibli seinen Piloten in ausgesprochen gepflegter Atmosphäre. Das feine Ambiente in hellem Leder mit bequemen Sesseln und einer komfortablen Sitzhaltung hinter dem schönen Dreispeichen-Lenkrad erinnert nach den spartanischeren Daytona- und Miura-Cockpits an eine luftig-noble Hotelhalle. Kein Wunder, die Kunst der stilvollen Möblierung war bei Maserati eine Tradition, die sich bis in die vergleichsweise preiswerten und unscheinbaren Biturbo der De Tomaso-Ära fortsetzte.

Gelassenheit und Noblesse im Ghibli

Dabei vergisst man leicht, dass auch der Maserati Ghibli ein echtes Supercar ist. Man muss nur den Motor starten. Das dumpfe Leerlaufbollern erinnert ein wenig an profanere US-Achtzylinder. Schon bei leichtem Gasgeben weicht es aber einem lautstarken Gebrüll, das keinen Zweifel darüber aufkommen lässt: Hier ist eine feine italienische Antriebseinheit mit vielen Nockenwellen am Werk, die eigentlich für einen Rennsportwagen konstruiert wurde. Die Basis des Ghibli-Triebwerks debütierte 1958 im glücklosen 450 S, trat aber dann einen Siegeszug durch die Maserati-Modellpalette vom 5000 GT, Quattroporte und Mexico über Ghibli, Indy und Bora bis zu Khamsin, Kyalami und Quattroporte III an.

Aber nicht die Ahnenreihe des Motors ist das Beeindruckendste an diesem Maserati. Es ist die Gelassenheit und Noblesse, mit der dieser mächtige Gran Turismo ähnlich atemberaubende Fahrleistungen realisiert wie die zwölfzylindrige Konkurrenz. So ähnlich müsste sich eine getunte Schnellzuglok fahren, wenn man einmal an die Dampfventile dürfte.

So gesehen könnte der Maserati seinen Platz als Lieblings-Quartettheld knapp behaupten. Wenn der Autor vorher nicht leichtsinnigerweise Ferrari und Lamborghini Probe gefahren wäre. Vielleicht warten wir noch auf eine Ausfahrt im Monteverdi, bevor wir uns endgültig entscheiden.