Ferrari 375 MM Spider

Ferrari für die Mille Miglia - damals und heute

Der Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider, einst in kleinster Stückzahl für die Langstreckenrennen der fünfziger Jahre gebaut, ist heute eine echte Preziose aus der Frühzeit der Marke: Der Zweisitzer mit V12-Motor, 340 PS und Trommelbremsen rundum repräsentiert aktuell einen Wert von rund acht Millionen Euro.

Ferrari 375 MM Spider, Front, Ausfahrt Foto: Hardy Mutschler 21 Bilder

Ferrari-Händler Helmut Eberlein aus Kassel lässt die Zahl so ganz nebenbei fallen: Rund acht Millionen Euro sei der 4,19 Meter lange Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider wert, den ein Kunde für den Fahrbericht zur Verfügung gestellt hat. Lediglich acht von einst elf Exemplaren haben seit 1953 überlebt, wobei die besondere Geschichte des gezeigten Exemplars mit zu dessen schwindelerregendem Preis beiträgt.

Konzipiert wurde der Zweisitzer mit seiner extrem langen Motorhaube als Kundenmodell für die Sportwagenmeisterschaft. Schon in den fünfziger Jahren können sich nur die betuchtesten Privatiers den Boliden leisten. Haupteinsatzgebiet – das Kürzel MM für Mille Miglia verrät es – sind die damals populären Langstreckenrennen.

Ferrari 375 MM Spider bei der Carrera Panamericana

In die Annalen der Renngeschichte schreibt sich der Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider jedoch nicht bei den legendären italienischen 1.000 Meilen, sondern bei der nicht minder mythenumrankten Carrera Panamericana ein.

Als die Monteure am 12. August mit der Arbeit an Nummer 0376AM beginnen, können sie noch nicht ahnen, was dem Auto alles abverlangt werden wird. Irgendwann im Winter 1953/54 verlässt der Sportwagen das Werk und den Alten Kontinent. Ein gewisser Erwin Goldschmidt aus Stanford/Connecticut hat ihn beim US-Importeuer und Rennfahrer Luigi Chinetti geordert.

Die ersten Monate tritt der Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider bei Rundstrecken- und Bergrennen an der Ostküste an, um anschließend auf der New York Motor Show auf Chinettis Stand vom Ölmagnaten James Shakespeare gekauft zu werden. Dieser hat Großes vor: Zusammen mit Chinetti als Fahrer startet er am 19. November 1954 mit der Startnummer 24 bei der Carrera Panamericana. 3.069,8 Kilometer in acht Etappen, verteilt auf nur fünf Tage, liegen vor dem Ferrari-Team. Eine echte Härteprüfung für Mensch und Material unter der Sonne Mexikos.

Mehr als 3.000 Kilometer in 20 Stunden

Nach insgesamt 20 Stunden, vier Minuten und 50 Sekunden reiner Fahrzeit erreicht 0376AM das Ziel auf Rang sechs des Gesamtklassements und Platz vier bei den Sportwagen über 1,5 Liter Hubraum. Vorbesitzer Goldschmidt holt sich übrigens an diesem Tag im Schwestermodell Ferrari 375 Plus den Tagessieg.

Während es für Luigi Chinetti zugleich der Abschluss seiner Rennkarriere ist, geht der 375 MM noch lange nicht in Rente. Mit Shakespeare am Volant zieht er weiter von Rennen zu Rennen, zu den Bahamas Speed Weeks oder den zwölf Stunden von Sebring. Erst als das Auto im Jahr 1968 an den kalifornischen Sammler Edwin K. Niles verkauft wird, endet die aktive Laufbahn des Ferrari 375 MM. Der Originalmotor fehlt mittlerweile.

Nach einigen Besitzerwechseln steht 1994 schließlich eine Komplett-Restaurierung des Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider an. Mit der historischen Startnummer der Panamericana-Teilnahme inklusive Sponsorenbeschriftung trimmen die englischen Spezialisten von DK Engineering die Optik auf den Einsatz im November 1954. Klarlack schützt nun die einst eher provisorisch aufgemalten weißen Buchstaben.

Frisch restaurierter Ferrari 375 MM Spider bei der Mille Miglia

Mit einem baugleichen Triebwerk aus dem Schwestermodell 0450AM als Ersatz für den verloren gegangenen Original-V12 steht einer erneuten Bewährung auf der Straße nichts mehr im Weg. Schon 1995 rollt der frisch restaurierte Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider bei der Mille Miglia Storica in Brescia erneut an den Start. Weitere Einsätze bei Oldtimer-Events folgen und bieten Fans die Chance, den Supersportler in Aktion zu erleben.

Dass da etwas Gewaltiges hinter dem großen Kühlermaul lauert, ahnt man schon auf den ersten Blick. Die 340 PS aus 4,5 Liter Hubraum wirken auch heute noch beeindruckend. Der von Aurelio Lampredi konstruierte V12 kommt im Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider in seiner höchsten Evolutionsstufe zum Einsatz. Zur Erinnerung: Sein härtester Konkurrent nicht nur bei der Carrera Panamericana – der Porsche 550 Spyder – musste mit 110 PS aus 1,5 Liter auskommen.

Wenn Eberlein das Gaspedal durchdrückt, schiebt der V12 den nur 1,09 Meter hohen Sportwagen vehement vorwärts und verwöhnt zumindest die autobegeisterte Umwelt mit nahezu ungefiltertem Brüllen. Je nach Übersetzung soll der Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider maximal 275 km/h erreichen. Ohne Gurt im Cockpit unterlässt man die Probe aufs Exempel auf öffentlichen Straßen wohl besser, zumal die Verzögerung durch vier hydraulisch betätigte Trommelbremsen nach heutigen Maßstäben alles andere als vehement ausfällt.

Ferrari 375 MM Spider – trotz acht Millionen nicht nur Ausstellungsstück

Eberlein lässt sich davon jedoch nicht allzu sehr bremsen und manövriert den servofreien Sportler zügig über kurvige Landstraßen bei Kassel. Dass der vorne wie hinten blattgefederte Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider dabei nur wenig Fahrkomfort bietet, sei einem echten Racer verziehen.

Trotz des immensen Wertes plant der Besitzer – der inkognito bleiben will – den Ferrari 375 MM Pinin Farina Spider nicht nur als Schmuckstück bei Veranstaltungen wie dem Concours d’Elégance auf Schloss Bensberg zu präsentieren. Vielmehr möchte er auch bei historischen Rennveranstaltungen Gas geben. Und was wäre da passender als die Mille Miglia? Somit bleibt dem Ferrari also ein tristes Dasein als bloßes Show- und Anlageobjekt erspart – zur Freude aller wahren Enthusiasten.