Ferrari Dino 246 GT und 308 GT4 Fahrbericht

Ferrari in hübsch oder mit Kante?

Der Abstand in der Sammlergunst ist etwa so groß wie der zwischen Ferrari und Toro Rosso in der Formel 1. Aber kann der jüngere Dino 308 GT4 als Klassiker im Generationenduell den Rückstand gegenüber dem hoch dotierten 246 GT verkürzen?

Ferrari Dino 246 GT, Frontansicht Foto: Hans-Dieter Seufert 11 Bilder

Strenggläubigen Dino-Anhängern ist unsere Überschrift ein Dorn im Auge: Ursprünglich firmierte der Mittelmotor-Ferrari schlicht unter dem Markennamen Dino, Kosename des 1956 im Alter von 24 Jahren verstorbenen Ferrari-Sohns Alfredo. Erst der Ferrari 308 GT4 durfte den Herstellernamen Ferrari ab 1976 offiziell tragen. Doch eigentlich gehörten beide immer schon zu den Ferrari-Baureihen und sind so auch heute bekannt. Natürlich liegt darin auch ein Reiz dieser Junior- Sportwagen aus Maranello.

Schönster Ferrari aller Zeiten?

Mehr noch: Der Dino 246 GT gilt mittlerweile als einer der schönsten Serien-Ferrari aller Zeiten. Mit dem Dino präsentierte die Firma des Commendatore nach den Rennsport-Baureihen endlich auch einen Straßensportwagen mit Mittelmotor. Pininfarina krönte den Novizen mit einer wohlproportionierten und zeitlos schönen Traumwagen-Karosserie.

Aber die wesentliche Verlockung des kleinen Ferrari steckt gleich hinter der Schottwand zum Innenraum: ein quer eingebauter V6-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen je Zylinderbank, dessen charakteristischer Klang unnachahmlich ist. „Sergio Pininfarina hat in seinem Wagen kein Radio: Er hört nur auf die Musik des Motors“, berichtete Tester Paul Frère, Journalist und Le Mans-Sieger von 1960, in auto motor und sport.

Bei langsamer Fahrt soll der Maestro immer das Seitenfenster heruntergekurbelt haben: „Weil er dann den Auspuff besser hört.“ Übrigens war es selbst für den ehemaligen Scuderia-Werksfahrer Frère nicht einfach, einen Testwagen des ersten Straßen-Dino zu bekommen.

Begeisterung bei Pininfarina

Letztlich konnte er auf den „Wagen Nr. 1“ zurückgreifen, den ihm Pininfarina höchstpersönlich zur Verfügung stellte. 7.000 Kilometer zeigte das Zählwerk an: „Aber Sergio sagte mir, er hätte bei aller Begeisterung für den Wagen nur die Hälfte dieser Strecke selber zurückgelegt: So viele Leute hatten sich ihn schon vor mir ausgeborgt“, berichtete Frère – eine kleine, aber bezeichnende Anekdote der Dino-Geschichte. Beim italienischen Designstudio, das die meisten Ferrari-Linien zeichnete, entwarf der erfahrene Aldo Bravarone die Form des Ferrari 246 GT.

Der aggressiv fauchende Sechszylindermotor in V-Form geht auf die Anregung und erste Konstruktionszeichnungen von Ferrari-Filius Alfredo zurück, der 1956 den Bau eines Aggregats für die Formel 2 anstieß. Diese Rennmotorenfamilie namens Dino ist auch Urahn des V6 Tipo 236 E, der den Ferrari 246 GT antreibt. Der Mittelmotor-GT selbst diente von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht als Rennwagen. So blieb es dem Lancia Stratos HF Anfang der 70er-Jahre vorbehalten, die Wettbewerbsqualitäten des Motors zu demonstrieren.

Fiat erhöht seine Anteile – und bringt den Kanten-Ferrari

Der als Mittelmotor eingebaute Sechstöner, der ab 1969 Klang und Kraft aus 2,4 Litern Hubraum schöpfte, beeindruckt nicht nur mit seinem Belcanto, sondern auch mit der Leistung von 195 PS, die den nur 1,12 Meter flachen Ferrari Dino 246 GT bei der Messung im Test von auto motor und sport auf exakt 238,4 km/h beschleunigen. Ursprünglich erschien der Dino 1967 als 206 GT mit einem Zweilitermotor, die Serienvariante des damals aktuellen Formel 2-Motors. Die Karosserie ähnelte sehr der späteren, etwas stärkeren Version. Die meisten der 3.142 Dino verkaufte Ferrari in die USA. Daher legten die Sportwagenbauer 1972 noch eine offene Variante mit herausnehmbarem Dach auf.

Doch in die Dino-Ära fällt eine entscheidende firmenpolitische Entwicklung: Der Fiat-Konzern erhöht seinen Anteil an Enzo Ferraris Unternehmen auf 50 Prozent. Die geänderten Machtverhältnisse werden beim größeren Ferrari Dino-Bruder 308 GT4 deutlich sichtbar: Die Karosserielinie bestimmte nicht mehr der Ferrari-Hofzeichner Pininfarina, sondern Bertone, aus Rund wird Eckig: Zwar sorgt jetzt ein drei Liter großer V8, der erste in einem Ferrari überhaupt, für 236 PS Leistung.

Dino 308 GT4 bekommt Ferrari-Plakette

Zudem gibt es, nicht zuletzt dank des größeren Radstands von 2,55 Meter, im Fond zwei Notsitze und mehr Platz als im Ferrari Dino 246 GT. Aber echte Faszination wollte beim Bertone-Keil von Chefgestalter Marcello Gandini nicht aufkommen. Nur insgesamt 2.826 Exemplare konnte Ferrari in sieben Jahren absetzen: Wegen geringer Nachfrage konnte die ursprüngliche Planung von fünf gebauten Autos pro Arbeitstag nicht annähernd erfüllt werden. Da half selbst das Anbringen der Ferrari-Logos ab dem vierten Produktionsjahr nicht viel.

Bei den Tests zeigte der 2+2-Sitzer klare Kante: „Der Dino verleugnet nie, dass er ein echter Ferrari ist“, schrieb Helmut Eicker im Test von auto motor und sport 1974. „Die reiche Erfahrung der Ferrari-Techniker mit schnellen Autos sowie die enge Beziehung zum Rennwagenbau sind auch in diesem Ferrari- Modell nicht zu übersehen.“ Auch als Klassiker überzeugt das große Auto mit Fahrspaß und Handling. Trotzdem kann der junge Dino den Abstand zum älteren Namensvetter nicht verkürzen: „Der Ferrari 308 GT4 war als Klassiker immer ein billiges Auto“, weiß Jochen Frick von den Sportwagen Spezialisten in Frankfurt und fügt hinzu: „Leider ist er immer noch unterbewertet.“

Der nach wie vor günstige Preis sorgt jedoch für spürbar steigendes Interesse an dem 2+2-Sitzer. „Aber es ist schwierig, ein gutes Auto zu finden“, so Frick. Während der Ferrari Dino 246 schon lange hoch im Kurs steht und auch entsprechend gepflegt wird, war die Fürsorge für den Ferrari 308 GT4 nicht immer sehr groß. Das lässt sich am Zustand vieler Exemplare ablesen. Die Suche nach einem passenden Auto kostet also Zeit. Doch mit ausreichender Geduld lässt sich ein ansprechender Dino 308 GT4 finden.

Fazit von Dirk Johae

So kann man sich täuschen: Ich habe darauf getippt, dass der Ferrari 308 GT4 auch angesichts der hohen Preise für Dino 264 GT und GTS immer mehr Fans gewinnt. Doch erst langsam zieht das Interesse für den eckigen 2+2-Sitzer an. Dabei sprechen der größere Fahrspaß und das Handling für den jüngeren Dino. Aber wie alle viersitzigen Ferrari ist er nicht so beliebt.

Die Alternative: Ferrari F355

Ein Schritt nach vorn gelang Ferrari mit dem F355, der 1994 auf dem Automobilsalon in Genf vorgestellt wurde. Der V8-Mittelmotor Tipo 1298/40 verfügt über Fünfventiltechnik: Premiere in einem Straßen-Ferrari. Außerdem gibt es erstmals ein elektronisch verstellbares Fahrwerk. Das ab Juli 1997 erhältliche Formel 1-Getriebe ist Geschmackssache.

Der Fahrspaß des Ferrari F355 wird garniert mit einem deutlichen Fortschritt in der Disziplin Verarbeitungsqualität gegenüber dem Vorgänger 348. Pininfarina fand bei der Karosserielinie des Zweisitzers ein ausgewogenes Maß zwischen Sportlichkeit und Eleganz. Der F355 hat das Zeug zum Klassiker.