Ford Granada 2.3 L Coupé Fahrbericht

Profil-Neurose auf vier Rädern

Sie sprechen von Styling statt Design, lieben Vinyl mehr als Leder und zählen lieber Zylinder statt Ventile. Echte Granny-Freaks fahren voll auf das Ford Granada Fastback-Coupé ab und packen eine Portion Mustang in ihr Leben.

Foto: Uli Jooß 17 Bilder

Thomas Gütter will sie alle. Drei Ford Granada-Varianten besitzt er schon. Den klassischen Zweitürer als spanischroten 2.0 L V6 von 1975, das hinreißende Coupé, ein 2.3 L in Montanabraun-metallic und sogar einen Luxus-Kombi in Gestalt eines daytona-gelben Granada Turnier2.3 GLS. Alle sorgfältig handverlesen und in gutem Zustand. Der Zweitürer gar ist Familien-Urgestein und prägte einst die automobile Obsession des bekennenden Granada-Freaks, der alles über und vom großen Ford sammelt und hortet: Testberichte, Prospekte, Betriebsanleitungen und vor allem die mittlerweile knappen Ersatzteile.

Auto-Sammler mit 5 Kölnern auf der Casa Granada

Dabei ist der schlanke Immobilienkaufmann mit dem jungenhaften Lächeln streng genommen sogar bescheiden. Denn er hat es nicht auf alle Motor- und Ausstattungsvarianten abgesehen, dann käme er mühelos auf 28 Granada. So sind es nur fünf, nämlich die unterschiedlichen Karosserieformen.

"Was noch fehlt, ist eine gut erhaltene Limousine, gerne als Ghia mit dem 3.0-Liter-Essex-Motor und ein Fastback-Coupé mit Hüftschwung, eine bis Dezember 1973 gebaute Rarität, die ich mir gut als Granada GXL 2,6-Liter vorstellen könnte", schwärmt Gütter im Beisein seiner Frau Christiane, die dazu vielsagend schweigt. Doch die junge Mutter trägt das Hobby ihres Mannes mit, lobt Thomas als talentierten Schrauber und Schweißer, der "bis aufs Lackieren alles selber macht", wie sie stolz hinzufügt.

"Außerdem kosten die Autos kein Vermögen", stellt Christiane beruhigt fest. Sieben Stück hatte er bis jetzt, alle für kleines Geld, ein Teileträger steht noch in unserer Halle gegenüber dem Wohnhaus. Diese Casa Granada ist Thomas Zuflucht in der knapp bemessenen Freizeit. Unten in der geräumigen neuen Halle stehen die Ford Granada, nebenan ist eine komplett ausgerüstete Werkstatt mit Grube und Hebebühne und oben lagern die Ersatzteile  neben einem Haufen Kleinkram auch Sperriges wie Türen, Hauben und Polster. Unterdessen rollt Thomas im Granada aus der Halle über den Hof, die rote 07er-Nummer ist schon dran, noch verschluckt sich das große Coupé im eleganten Dunkelbraun beim sanften Gas geben.

Servolenkung und Vinyldach gegen Aufpreis

Er hat es lange nicht bewegt. Vorsichtig rangiert er den breiten Ford Granada durch die Einfahrt auf die Straße, kräftiges Zupacken ist dabei nötig, rollen muss er, im Stand wird es arg. Der Schweizer Erstbesitzer hat leider auf die Servolenkung verzichtet. "Die gab es erst ab dem GL serienmäßig, sonst kostete sie 917 Mark Aufpreis", referiert unser Granada-Mann korrekt. Preislisten hat er natürlich auch gesammelt. "Viele denken, beiden Coupés sei das Vinyldach serienmäßig, aber auch das kostete 318 Mark mehr."

Thomas Gütter passt weltanschaulich gut zur Youngtimerszene, weil er kein Originalitätsfanatiker ist. Sein Ford Granada Coupé hat er dezent aufgewertet, vorne den Chromgrill vom Urmodell angeheftet, dazu noch einen Ford-Schriftzug befestigt. Die Ronal-Aluräder von S und Ghia stehen dem Coupé ausgezeichnet. Einzig das Ford-Sportlenkrad wirkt in der recht spartanischen Cockpit-Atmosphäre des L-Modells eher aufgesetzt, der notwendige optische Dialog mit dem Drehzahlmesser fehlt einfach. Die verschleißanfällige Stoffpolsterung ersetzte er durch eine perfekt erhaltene Kunstleder-Garnitur in Safaribraun, passend zum Vinyldach.

Styling nach US-Vorbild

Neben der reichlich vorhandenen Emotion gibt es für Thomas Gütter auch noch eine Handvoll sachlicher Argumente für den Ford Granada Mark I. Das raffinierte Styling mit den fein zitierten amerikanischen Stilelementen an Bug und Heck gehört ebenso dazu wie die leisen und durchzugskräftigenV6-Motoren, deren satter Sound nicht nur Granada-Freaks betört. Das großzügige Raumgefühl und die entspannte Sitzposition tragen ebenfalls zum angenehmlässigen Ambiente bei, das ein früher Granada so selbstverständlich vermittelt.

Ein ganz großes Plus ist die komfortable Federung, die den Ford Granada so geschmeidig abrollen lässt, und die zusammen mit den großzügigen Platzverhältnissen und dem leisen Sechszylinder einen Hauch von Mercedes S-Klasse zaubert. Während Escort, Taunus und Capri ihre Passagiere mit sportlicher Härte massieren, genießen Granada-Fahrer laut Verkaufsprospekt von 1976 einen beispiellosen Fahrkomfort.

Die neue, aufwendige Schräglenkerachse machte es möglich. Sie löste beim Ford Consul-/Granada-Debüt 1972 die oft gescholtene Blattfeder-Starrachse der17 M- und 20 M-Modelle ab. Auch die fordtypische McPherson-Vorderachse an den Federbeinen wich einer Doppelquerlenker-Konstruktion.500 Millionen Mark und vier Jahre Entwicklungsarbeit hatte Ford in Köln und Dagenham in die neue einheitliche MH-Modellreihe investiert, die in Großbritannien Zephyr und Zodiac ersetzte.

Germansierter Granada

Schnell erwies es sich als strategischer Fehler, die zweitürige Limousine als Fastback anzubieten. Die konservative Ford-Kundschaft hat es nicht verstanden, sprach stets vom Coupé und wünschte sich den klassischen Zweitürer mit Stufenheck, den Ford 1973 zunächst als Consul nachlud. Anders als die betont schlicht gestylten, beinahe zierlichen neuen Opel Rekord und Commodore-Modelle fanden die barocken Formen von Ford weniger Anklang. So wurde das etwas schwülstige Hüftschwung-Coupé schon Anfang 1974 begradigt. Ein Jahr später brach die Ära von Bob Lutz als neuem Vorstandsvorsitzenden in Köln an, er stoppte den Consul und setzte die sogenannte Germanisierung des Ford Granada durch.

Die Ford-Designer unter Uwe Bahnsen griffen Kosten sparend in die Trickkiste. Sie nahmen dem Granda das Lametta, strafften ihn optisch, indem sie Kühlergrill, Alu-Fensterrahmen, Türschweller und Heckblende (ab L) schwärzten. Außerdem senkten sie die Karosserie vorne leicht ab, verbesserten die Sitzposition und installierten sachliche Instrumente statt der tief versenkten Höhlenuhren, die einen frühen Granada heute so reizvoll machen. Die Edelstahl-Radkappenpracht ließen sie ihm jedoch ausgerechnet beim Grundmodell. Kenner lieben sie heute mehr als die nüchternen Stahl-Sportfelgen.

Von 95 auf 75 PS mit urigen V4- und V6-Motoren

Ausgerechnet der modernste Motor, der Zweiliter-OHC-Reihenvierzylinder mit 99 PS, ursprünglich in Amerika für den Ford Pinto entwickelt und als 1600er im Taunus und Capri bewährt, flog wegen mangelnder Zuverlässigkeit aus dem Programm. An seine Stelle trat neben den urigen 1700-V4-Aggregaten mit 70 und 75 PS wieder der altbewährte Zweiliter-V6 aus dem Ford 20 M.

Der leistet zwar weniger als der 2.0 OHC, dafür läuft er aber viel leiser und geschmeidiger. Es gab den V6, der streng genommen auf dem Weg zum VR 6-Motor war, weil jedes Pleuel seinen eigenen Hubzapfen hatte, beide Zylinderbänke wie bei einem Boxermotor leicht versetzt, im Scorpio bis 1993. Dieser extrem kurzhubige, stirnradgetriebene Grauguss-Motor prägt den komfortablen Charakter des Ford Granada mehr noch als die aufwendige Hinterachse. Im Mark I gab es ihn in der Leistung sorgfältig abgestuft, zusätzlich als 2.3 (108 PS), 2.6 (125 PS), 3.0 (138 PS) und zuletzt noch als 2.8i (160 PS). Der Dreiliter kam aus England, hatte Heron-Zylinderköpfe und galt als nicht vollgasfest.

Dafür wurde seine Elastizität (240 Nm bei 3.000/min) stets gerühmt. Der 2.8i-Motor litt anfangs unter thermischen Problemen und ist weniger durchzugskräftig. Gütters Ford Granada lebt mit dem 2,3-Liter-HC-Motordie goldene Mitte. Beim kommoden Gleiten über die vielen kleinen Landstraßen im dünnbesiedelten nördlichen Chiemgau zählen Laufkultur und Drehmoment mehr als Leistung. Für einen Stoßstangenmotor benimmt sich der Sechszylindererstaunlich drehfreudig.

Solider und sparsamer Bauernmotor

Über den Drehzahlbereich verändert er deutlich seine Klangfarbe, zunächst tönt er sonor, später heult er heiser, und über 5.000 Touren setzt ein stimulierendes Trompeten ein. Dabei treten keine lästigen Vibrationen auf. Erstaunlich, dass der solide, aber unspektakulär konstruierte Bauernmotor so ein angenehmer und genügsamer Partner ist - mehr als 13 Liter auf 100 km braucht sein Ford Granada selten. Thomas Gütter freut sich schon, wenn der gelbe Turnier demnächst vom Lackierer kommt. Mit Schiebedach und Automatik lädt er erst recht zum coolen Cruisen ein. Sein Held aber bleibt das seltene Coupé mit der aufregenden Fastback-Silhouette.