Ford Granada II Fahrbericht

Kölns klare Kante

Die zweite Auflage des Ford Granada vollzog endlich die Wandlung vom einstamls barocken Straßenkreuzer zur seriösen und sachlich gezeichneten Mercedes-Alternative in der Mittelklasse.

Ford Granada II, Frontansicht Foto: Archiv 10 Bilder

Zugegeben, ich bin in der Minderheit. Mir gefällt die zweite Serie besser. Das geht mir beim Taunus so und beim Ford Granada erst recht. Ich mag funktionelle, kantige Formen ohne barockes Lametta. Hüftschwung und Knudsen-Nase finde ich zwar ganz nett, aber wenn ich die Wahl hätte, dann lieber die geglättete, strenge Variante.

Strenge Form als Maxime funktionellen Designs

Früher hatte ich mal einen VW K 70, einen besonders konsequenten Vertreter der Kategorie klare Kante. Den verehre ich bis heute. Ob Mercedes Strichacht, Rolls-Royce Silver Shadow, Opel Diplomat B, Peugeot 604 oder Jaguar XJ 40. Sie alle preisen bis auf ein bisschen Zierrat die strenge Form als Maxime funktionellen Designs. Autos eben, die auch das Werk begnadeter Architekten sein könnten.

Der CW-Wert war damals noch kein allmächtiger Diktator, die Scheiben standen noch steil, der Einstieg war bequem, und Kofferraum gab es jede Menge. Man saß auch noch nicht wie heute scheinbar in einem Kleinbus, sondern konnte die Motorhaube vom Fahrersitz aus sehen, groß wie eine Tischtennisplatte. All das und ein Raumgefühl von salonartiger Großzügigkeit bietet mir der Ford Granada II.

Wirklich schön finde ich den Ford Granada II erst ab dem GL-Paket, selbst die sachlich-funktionelle Linie braucht ein bisschen Kosmetik, um ihre natürliche Attraktivität zu unterstreichen. Schön gestylte schwarzsilberne Sportfelgen, hier und da eine Zierleiste und das wohnliche Interieur mit üppigen Polstern und Mittelarmlehne. Und in der holzfurnierten Instrumententafel bitte noch einen Drehzahlmesser für den besseren Dialog zwischen Mensch und Maschine - obwohl die gusseisernen Bauernmotoren ihre zulässige Höchstdrehzahl schon unter 6.000/min finden.

Ghia toppt GL noch einmal um Längen

Bei der Ghia-Ausstattung gibt es echtes Holzfurnier an den Türverkleidungen, schwellende Velourspolster, schön gestylte Aluräder und zu allem ein Langflor-Teppichboden . Ein Ford Granada Ghia ist das Auto von Welt für das gehobene Bürgertum, leistungsmäßig auf Wagenhöhe mit einem Mercedes 250 oder BMW 525. Im mondän fotografierten Prospekt steht er, unheimlich begehrenswert in Inkagold, vor dem Hamburger Luxushotel "Atlantic". Die beiden ziselierten Ghia-Wappen neben dem Türausschnitt trägt das Ford-Topmodel mit der gleichen Souveränität wie ein Maserati Ghibli.

Fords Chefdesigner Uwe Bahnsen ließ sich für die Linie des Ford Granada II wohl nachhaltig vom Fiat 130 Coupé inspirieren, den bei Pininfarina Paolo Martin entwarf. Vor allem Heckpartie und Seitenlinie zeigen Parallelen zu dem großen eleganten Zweitürer. Auch das Interieur-Design der voll veredelten Ford Granada Ghia-Variante ahmt mit seinem holzumrahmten Plüsch-Ambiente den vornehmen Italo-Stil der Siebziger nach. Nicht nur die Ausstattung des Ford Granada II, sondern auch seine Motorisierung sollte sich möglichst nach oben orientieren, damit man ihn wirklich begehrenswert findet. Motto in beiden Fällen: Je mehr, desto besser.

V4-Modelle sind nur etwas für Sammler

Die frühen V4-Modelle mit maximaler L-Ausstattung klingen zwar höchst originell, sind aber nur für Ford Granada-Sammler interessant, die noch einen echten Exoten suchen, dann bitte möglichst gleich als Zweitürer in abgefahrenem Hochlandgrün. Ein Vierzylinder-Zweiliter mit dem zwar undramatischen, aber akzeptablen Pinto-OHC-Motor gilt als untere Basis erträglichen Ford Granada-Vergnügens, der Zweiliter-V6 mit 90 PS kann nur leise, ist aber sonst überfordert, was den Benzinverbrauch hochtreibt. Während der 2,3-Liter-V6 mit 108 und später 114 PS die erste adäquate Antriebsquelle für diesen immerhin 1.300 Kilo schweren Klassewagen darstellt.

Nur das Jedermann-Markenimage von Ford verhindert, dass der Granada II längst als aufwendig gebautes Qualitätsauto wahrgenommen wird. Die Konstruktion grundsolide, ein Fahrwerk wie der Mercedes Strichacht, das sogar 350 SLC-oberklassetauglich ist, vorne Doppelquerlenker-, hinten Schräglenkerachse. Motoren mit hoher Unverwüstlichkeit, der V6 ist außerdem von großer Laufruhe und vor allem als Geheimtipp 2,8-Vergaser, 135 PS, mit geschmeidigem Durchzugsvermögen gesegnet.

Der Türenklang ist so satt wie bei einer S-Klasse, nur wird die schwere Motorhaube leider von einer windigen Stange gehalten statt selbsttätig von kräftigen Federn. Der Rotstift verhinderte wohl auch die hinteren Scheibenbremsen. Wie fährt sich denn so ein Ford Granada II? Um das herauszufinden, nehmen wir einfach die etwas oberhalb des arithmetischen Mittels angesetzte Version 2.3 GL mit Viergang-Schaltgetriebe.

Die Granada-Technik ist überdimensioniert und enorm haltbar

Auch im Fahrverhalten des Ford Granada II schwingt wie im Qualitätsgefühl ein Schuss Mercedes mit. Geborgenheit und das Gefühl, stets sicher und entspannt anzukommen, kennzeichnet Ford Granada-Fahren. Der Federungskomfort ist gediegen, die Straßenlage auch bei forcierter Kurvenfahrt narrensicher, weil deutlich untersteuernd. Neutraler liegt der Ford Granada mit dem S-Paket. Gasdruckstoßdämpfer, TRX-Reifen und stärker dimensionierte Stabilisatoren sorgen für eine noch bessere Abstimmung, die dem Komfort gar nicht mal abträglich ist.

Die Technik ist weit überdimensioniert und somit enorm haltbar, es gibt beim Ford Granada keine wartungsintensive Hyperkomplexität und keine arbeitslohnintensiven Unzugänglichkeits-Fallen. Notfalls fährt er auch mit Altöl und auf runderneuerten Reifen. Der Rostschutz übertrifft zwar den des Einser-Ford Granada deutlich, fiel aber trotzdem nicht besonders nachhaltig aus.

Rost zeigt sich beim Ford Granada II vor allem an den Kotflügeln in Höhe der A-Säule, an den vorderen Schwellerspitzen und den Wagenheberaufnahmen. Kritisch ist besonders der hintere Querträger, der das Differenzial aufnimmt. Wenn er durchgerostet ist, kommt die Reparatur teuer.

Die Preise für den Ford Granada II haben deutlich angezogen, sie liegen bei vergleichbaren Modellen auf W123-Niveau. Zu Recht, denn ein Ford Granada II ist seltener und versprüht vor allem als 2.3 oder 2.8 Ghia einen exklusiven Charme.

Ford Granada II auf einen Blick

Der Einstiegs-1,7-Liter-V4 leistet 75 PS, der 2,0-Liter-OHC-Vierzylinder 105 PS, außerdem gibt es V6-Motoren mit 2,0 bis 2,8 Liter Hubraum und 90 bis 160 PS. Der  Granada ist noch ein Vertreter der Hinterantriebs-Ära bei Ford, das Fahrwerk besitzt vorne Doppelquerlenker, hinten Schräglenker. Der Radstand beträgt 2.769 mm. Gebaut wurde der Ford Granada II von 1977 bis 1981 in 567.891 Exemplaren. Gut erhaltene Exemplare gibt es ab 4.000 Euro.