Jeep Cherokee und Range Rover

Grip-Master aus Europa und USA

Jeep Cherokee und Range Rover sind bei jedem Trip Meister der unbeschränkten Haftung. Talentierte Allround-Allradler sind sie beide, doch unterscheiden sie sich in Konzept und Charakter ganz erheblich.

Jeep Cherokee 4.0 und Range Rover 3.9 Foto: Hardy Mutschler 14 Bilder

Jeep Cherokee oder Range Rover, das ist inzwischen viel mehr eine Glaubens- als eine Geldfrage. Natürlich kostet ein Jeep Cherokee weniger als ein Range Rover. Aber als Youngtimer liegen sie preislich nah beieinander. So entscheidet die Überzeugung für eines der beiden sehr unterschiedlichen Konzepte.

Geländewagen aus Zeiten der Ölkrise

Dass Range Rover und Jeep Cherokee überhaupt so verschieden sind, liegt an den Ölkrisen der siebziger Jahre. Ohne die hätte sich Jeep als der Nachfolger für den Wagoneer wohl den Range Rover zum Vorbild genommen – also groß, schwer, mit volumenstarkem V8-Motor und vor allem edel. Doch das Entwicklungsprojekt Jeep Cherokee XJ beginnt Ende 1978 und damit kurz vor der zweiten Krise.

Die Marke Jeep gehört da gerade AMC/ Renault. Obwohl Jeep das Design allein verantwortet, gerät das Konzept des Jeep Cherokee sehr europäisch, mit einem durch die selbsttragende Bauweise niedrigen Gewicht, kompakten Abmessungen und einem 2,5-Liter-Vierzylinder- Basismotor mit 105 PS. Als der Jeep Cherokee 1984 unter dem Namen Wagoneer auf den Markt kommt und von Benzinmangel keine Spur mehr ist, beschließt Jeep, ihn nicht mit der Nachfolge des alten Wagoneer zu betrauen. Der große Geländewagen wird stattdessen als Grand Wagoneer bis zum Debüt des Grand Cherokee 1992 weitergebaut. Dem Jeep Cherokee kommt eine neue Rolle zu: Nicht ganz so urwüchsig, aber kaum weniger geländetauglich als der Wrangler, begründet er die Nische der Sports Utility Vehicles.

Drehwilliger Reihensechser gegen souveränen V8

Der Range Rover dagegen darf sich dagegen als erster Luxus-Offroader fühlen. Seine Entwicklung startet 1967 und bleibt von größeren ökologischen Bedenken noch unberührt. Das Gewicht des Range Rover streift die Zwei-Tonnen-Marke. In allen Dimensionen überragt der Range Rover den Jeep Cherokee deutlich. Dass ihm das auch bei der Zylinderzahl gelingt, verdankt der Range den GM-Controllern: Bei einem Besuch in den USA 1962 will Rover-Chef W. Martin-Hurst eigentlich die Rover-Gasturbine an Sportboot- Hersteller verkaufen. In einer Versuchswerkstatt findet er dabei den von General Motors schon nach drei Jahren aus Kostengründen abgelegten Buick-V8-Motor. Rover kann GM Rechte am Compact-Car- Achtzylinder abkaufen und erhält so ein Universaltriebwerk für die ganze Palette – von P5 B bis zum 1970 vorgestellten Range Rover, verbaut ihn von 1967 bis 2004. Anfangs 3,5 Liter groß, wächst der Hubraum des V8 für den Range Rover über die Jahre auf bis zu 4,2 Liter.

Als 3,9-Liter in unserem Foto-Range Rover leistet er 182 PS. Damit liegen nur drei PS zwischen dem Range Rover und dem Jeep Cherokee 4.0. Dessen Vierliter-Reihensechszylinder bietet Jeep ab 1987 an. Da ist das 20. Jahrhundert nun auch schon ein wenig fortgeschritten, was die Amerikaner aber nicht davon abhält, den Sechser des Jeep Cherokee komplett aus Grauguss zu fertigen. Na gut, fast komplett, denn den Ventildeckel schmückt Leichtmetall. Leichtbau sieht aber anders aus.

Cherokee – leichtfüßiger Geländewagen im Kompaktmaß

Aber nur nach dem Äußeren zu bewerten, gehört sich nicht. Gerade bei dieser Maschine nicht, die den Jeep Cherokee so kultiviert und temperamentvoll antreibt. Dabei hilft die feinnervige Viergang-Automatik, die sich nur in wenigen, jedoch entscheidenden Momenten ins Geschehen einmischt und ansonsten auf die Durchzugskraft der 296 Newtonmeter vertraut. Drehen kann der Motor des Jeep Cherokee auch noch. Das geschieht zwar ohne große Begeisterung, dafür mit einem sonor-rauchigen Ton. So geht dem Jeep Cherokee die Schwere eines Geländewagens ab.

Das liegt auch an seinem agilen Handling: Solange im Jeep Cherokee der 4WD nicht zugeschaltet ist, werden nur die Hinterräder angetrieben. Dann fährt sich der Jeep Cherokee vergnüglich-übersteuernd und wirkt nicht wie ein Geländewagen, sondern wie ein kompakter, höher gelegter Kompaktkombi mit Allrad-Option. Was der Jeep Cherokee von seinen Ausmaßen her ja auch ist. Innen drücken vor allem die geringe Kopffreiheit und die ab der B-Säule dunkel getönten Seitenscheiben auf das ohnehin nicht gerade luftige Raumgefühl. Weil sich der Reihensechzylinder vorn längs streckt, bleibt bei knapp 4,30 Meter Gesamtlänge im Jeep Cherokee nicht mehr viel Platz für Fond und Gepäckraum. Doch gerade seine Kompaktheit macht den Reiz des Jeep Cherokee aus.

Unterwegs im Wintergarten – der Range Rover

Beim Range Rover dagegen ist es im Vergleich zunächst seine Größe. Auch wenn er den Jeep Cherokee in jeder Dimension nur um einige Zentimeter überragt, wirkt er viel mächtiger. Anders als in den Jeep Cherokee steigen die Passagiere in den Range Rover nicht ein, sondern auf. Der Jeep Cherokee ist Parterre, der Range Rover Hochparterre. Wegen der niedrigen Gürtellinie sind die Fenster des Range Rover fast bis auf Hüfthöhe heruntergezogen.

Dank der schmalen A-, B- und C-Säulen sowie des Glasschiebedaches sitzt man so in dem Range Rover auf den weichen Velourspolstern wie in einem Wintergarten, schwebt hoch über der Straße. Über die Kanten in der Motorhaube lässt sich die Straße anpeilen, und das Fahrgefühl im weich gefederten Range Rover hat nichts gemein mit dem sportlich abgestimmten Jeep Cherokee.

Im Vergleich zum Range Rover überschüttet der Jeep Cherokee seinen Fahrer mit Informationen: Die direkte Lenkung und die straffe Federung geben alle Informationen, die ihnen die Straße einflüstern, fast schon ein wenig zu vorlaut weiter. Im Range Rover dagegen herrscht in beiden Bereichen Funkstille. Dass es Kurven gibt, weiß der Range Rover, doch mit ihnen will er eigentlich am liebsten nichts zu tun haben. Gern würde er sie ignorieren. Dennoch hält der Range Rover ein Lenkrad bereit. Es lässt sich fast ohne Kraftaufwand drehen. Und mit etwas Übung gelingt es, daraus resultierende Richtungsänderungen mit den Kurvenradien einigermaßen in Einklang zu bringen.

Große Kletterer und komfortable Reiseautos sind beide

Das geht dann nicht ohne eine erhebliche Schräglage und ziemliches Wogen ab. Doch die weiche Abstimmung ermöglicht dem Range Rover nicht nur seinen lange Zeit für andere Geländewagen unerreichbaren Federungskomfort, sondern trotz seiner Schraubenfedern auch ein überragendes Offroad-Potenzial. Anders als bei Jeep Cherokee arbeitet der Allradantrieb des Range Rover permanent und verspannungsfrei. Hier wie dort lässt sich das Mittendifferenzial sperren und eine Untersetzung einlegen. Man sollte weder mit Range Rover noch mit Jeep Cherokee stecken bleiben: Wo die beiden nicht mehr weiterkommen, bedarf es wohl eines Bergepanzers, um ihnen rauszuhelfen.

Doch wie dem Jeep Cherokee liegt auch dem Range Rover das Reisen noch mehr als das Kraxeln. Im Range geht das zu viert noch kultivierter. Viel mehr Raum steht den Fond-Passagieren im Range Rover zwar nicht zur Verfügung, jedoch Armlehnen seitlich und mittig, bequemere Polster und eben vor allem die alles überragende Aussicht.

Zum distinguierten Charakter des Briten passt sein V8-Motor: Er treibt den schweren Range Rover souverän an, bleibt dabei akustisch aber immer dezent und wird schon bei moderatem Tempo von den Windgeräuschen übertönt. Vor 20 Jahren war ein Range Rover ein Auto für Menschen, die nicht über Geld sprachen, sondern viel Geld übrig hatten. Einem Jeep Cherokee, stets rund ein Drittel günstiger als der Brite, ging als mittleres Modell der Jeep-Familie das Image des Nobel-Offroaders selbst in den hochwertigsten Ausstattungsvarianten ab. Auch wenn der Jeep Cherokee immer nach oben strebte, erreichte er nie den Ruhm des Range Rover.

Denn der war nicht nur das unumstrittene Oberhaupt der Land Rover-Dynastie, sondern damit gleichzeitig auch das Oben. Von diesen zwei Autos ist keines besser oder schlechter. Sie sind nur anders. Jedes transportiert die Grundwerte seiner Marke – cool und distinguiert der Range Rover, kumpelhaft und bodenständig der Jeep Cherokee. Endlich ein Fall, in dem man nicht eigentlich beide Autos haben muss. Wer mit einem dieser beiden glücklich ist, muss sich nie mehr Gedanken machen, ob nicht der andere die bessere Wahl gewesen wäre.