Maserati 4000 GTI Sebring im Fahrbericht

Michelottis Meisterstück

Maserati 4000 GTI Sebring - seinen Namen erhielt der Vierliter-Sechszylinder nach einem Maserati-Sieg auf Floridas Sebring-Kurs. Seine Schönheit wird von vielen ebenso unterschätzt wie seine Qualitäten als hochkarätiger Gran Turismo.  

Maserati 4000 GTI Sebring - Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 8 Bilder

Allora, es ist kein Geheimnis, dass es in Italien die feinsten Pasta-Gerichte, den würzigsten Espresso und höchst faszinierende Sportwagen gibt. Letztere gedeihen in der Gegend von Modena besonders gut. Die dort heranreifenden Prachtexemplare genießen in Fachkreisen ein hohes Ansehen - speziell, wenn sie aus einem traditionsreichen Haus wie zum Beispiel Maserati stammen.

Maserati - der Dreizack im Namen des Motorsports

Die 1914 gegründete Marke widmete sich anfangs vorwiegend dem Motorsport, und schon bald prägten ruhmreiche Siege das Image des Dreizacks - was sich als glänzende Basis für den Bau von Straßensportwagen erweisen sollte. So richtig in Schwung kam dieses Geschäft mit dem 1957 vorgestellten 3500 GT, der als Coupé und ab 1959 auch als Spyder das Dolce Vita des damaligen Jet-Sets bereicherte.

Ein weiterer Vollblüter aus dem Maserati-Stall ging Ende 1963 in Serie. Dieser 2+2-sitzige 3500 GTI erhielt die Typenbezeichnung Sebring. Dies war ein geschickter Brückenschlag zur Motorsportgeschichte der Marke, denn auf der gleichnamigen Rennstrecke hatte Maserati 1957 einen großen Sieg errungen. Dennoch erregte der Sebring damals weit weniger die Gemüter als sein Vorgänger. Und in der zeitgenössischen deutschen Presse fand er leider nicht die gebührende Beachtung. Selbst heute zählt er nicht gerade zu den am meisten umschwärmten Maserati-Modellen.

Michelottis traumhaftes Coupé ist ein Gefühlschaos

Das von Michelotti gezeichnete und von Vignale realisierte Coupé ist nach wie vor ein Fall für Kenner und Liebhaber des Understatements. Denn der Sebring wirbt nicht mit ausgeprägtem Vorderbau und drallen Rundungen um die Gunst des Betrachters wie so manche italienische Filmdiva jener Epoche. Die schlichte Eleganz seiner Karosserie mit dem filigranen Dachaufbau und der hohen, durchgehend verlaufenden Gürtellinie betört viele erst auf den zweiten Blick, aber dann sind jede Menge Emozione und Amore im Spiel. "Bevor ich in den Wagen stieg, trat ich immer einen Schritt zurück, um ihn zu bewundern, denn er ist eine Schönheit", gestand der britische Journalist John Bolster anno 1963 in Autosport. Doch nicht nur der optische Auftritt des Sebring verdient ein Kompliment.

Wer den Wagen näher kennen lernt, entdeckt alsbald weitere Qualitäten. Und er stellt sehr schnell fest, dass es sehr einfach ist, mit ihm Freundschaft zu schließen. Allein die Tatsache, dass er von den Passagieren beim Einsteigen keine akrobatischen Übungen verlangt und zwei kommode Ledersitze bereitstellt, macht ihn schon sympathisch. 

Wer im Maserati 4000 GTI Sebring sitzt, fühlt sich geborgen

Hinten fühlen sich Erwachsene wegen der kurzen Sitzfläche und der eingeschränkten Beinfreiheit zwangsläufig weniger wohl, aber wir haben es hier ja schließlich mit einem 2+2 zu tun. Die Sitzposition auf den vorderen Plätzen wirkt wegen der hohen Gürtellinie recht tief, was aber andererseits ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Das herrliche, dreispeichige Holzvolant, die schmucke Smiths-Instrumentensammlung und die sieben akkurat aufgereihten, filigranen Kippschalter, die den Spieltrieb des Fahrers geradezu herausfordern, verdeutlichen, dass es sich hier nicht um ein nüchternes Kraftfahrzeug, sondern eher um ein Genussmittel handelt.

Im Maserati 4000 GTI Sebring schlägt das gezähmte Herz des Tipo 350 S

In dieses Bild passt auch die Antriebsquelle perfekt hinein. Der Reihensechszylinder ist eine gezähmte Version aus dem Rennsportler Tipo 350 S - ein Kunstwerk aus Leichtmetall mit zwei obenliegenden Nockenwellen, die von einer Dreifachkette angetrieben werden, mit einer siebenfach gelagerten Kurbelwelle und hemisphärischen Brennräumen.

Nicht zu vergessen die Gemischaufbereitung. "Giulio Alfieri, dem Entwicklungsingenieur von Maserati, ist es gelungen, die Benzineinspritzung auf dem Maserati-Wagen serienmäßig einzuführen", steht in einer in deutscher Sprache verfassten Pressemitteilung vom März 1964. Der Grund für diese bereits beim 3500 GT eingeführte Modifikation wird gleich mitgeliefert - "mehr Leistung und weniger Verbrauch".

Der 235 PS starke Maserati lässt sich mit unter zehn Litern Verbrauch fahren

Letzteres kann Rolf Deichmann vom Deutschen Maserati Club nur bestätigen. Sein Sebring der ersten Serie begnügt sich auf Langstreckenfahrten mit gleichmäßiger Geschwindigkeit mit weniger als zehn Litern auf 100 Kilometer - schon für ein Auto mit 3,5 Liter Hubraum und 235 PS ein überraschender Wert. Und der Beweis dafür, dass die Lucas-Benzineinspritzung entgegen allen Unkenrufen keine "grande catastrofe" darstellt, wenn sie funktioniert. 

Der Sebring, den die Schweizer Oldtimer Galerie Toffen dem Motor Klassiker zur Verfügung gestellt hat, gehört zu den wenigen, die mit einem Vierliter-Motor ausgerüstet worden sind. Dieser war wie jene Version mit 3,7 Liter Hubraum der zweiten Serie des schicken Coupés vorbehalten. Der 255 PS starke Doppelzünder lässt sich nicht lange bitten und erwacht nach kurzem Schlüsseldreh zum Leben.

Der Maserati-Reihensechser bietet musikalischen Hochgenuss

Wie auch beim 3,5-Liter, der oft als robuster Bauernmotor bezeichnet wird, erklingen zunächst weder ein heißeres Fauchen noch ein bösartiges Brüllen. Es ist schon eher ein gutmütiges und beruhigendes Brummen, das in der Leerlaufphase aus dem Maschinenraum erklingt. Aber erfreulicherweise besinnt sich das Kraftwerk mit zunehmender Drehzahl seiner Klasse und liefert dann ein Konzert, das die damaligen Hits von Adriano Celentano weit in den Schatten stellt.

Begleitet wird dieser musikalische Hochgenuss von einer temperamentvollen Beschleunigung. Wer es darauf anlegt, erreicht in wenig mehr als sieben Sekunden 100 km/h, doch solche Material mordenden Sprintorgien passen nicht zum Charakter dieses Autos. "Bei diesem leistungsstarken Wagen mit hervorragendem Beschleunigungsvermögen überrascht die Elastizität des Motors", heißt es in der damaligen Pressemitteilung. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Von den rund 370 Nm, die bei 4.000/ min anfallen, scheint ein Großteil auch in anderen Drehzahlbereichen zur Verfügung zu stehen, und entsprechend beeindruckend setzt sich der Sebring in Szene.

Ganz gleich, welcher Gang gerade eingelegt ist - ein gefühlvoller Tritt auf das Gaspedal genügt, um merklich an Tempo zu gewinnen. Dabei erinnert das Herausbeschleunigen aus niedriger Drehzahl an den Start eines Düsenjets, dessen Schub mit wachsender Geschwindigkeit immer stärker spürbar wird. Überlandfahrten gestalten sich mit diesen Kraftreserven außerordentlich mühelos und zügig. Der Griff zum zierlichen, aber deutlich kräftiger als ein Grissini dimensionierten Schalthebel ist nur selten erforderlich.

Der Maserati 4000 GTI Sebring verlangt nur bei Nässe erhöhte Aufmerksamkeit

Das schont die Kräfte des Fahrers, denn die Kupplung erweist sich als relativ schwergängig. Auch lassen sich die fünf Vorwärtsgänge des ZF-Getriebes nur mit Nachdruck einlegen. Der Fahrkomfort ist trotz hinterer Starrachse erstaunlich gut, und das Fahrverhalten fand zur damaligen Zeit viel Lob. In Kurven bleibt der Sebring lange neutral, bis er schließlich mit dem Heck nach außen drängt. Nur bei Nässe verlangt er besondere Aufmerksamkeit.

Da er auf dem Chassis des Vignale Spyder basiert, besitzt er einen um zehn Zentimeter kürzeren Radstand als das 3500 GT Coupé. Und so wirkt er im Zusammenspiel mit den ebenfalls geringeren Karosseriedimensionen etwas wendiger als dieses. Aber seine Domäne sind schnelle Reisen auf gut ausgebauten Straßen. Wer damals nach einem zeitigen Frühstück in Neapel auf die Autostrada fuhr, konnte in Mailand zu Mittag essen. Unsere Ausfahrt fällt zwar kürzer, aber dennoch beeindruckend aus. Ein Passant kommentiert den parkenden Sebring mit der italienischen Zauberformel: "Bella macchina". Die kurze Antwort : "Si".