Matra Jet

Mittelmotor-Exot im Fahrbericht

Der Matra Jet, 1962 als René Bonnet Djet geboren, war der erste Seriensportwagen mit Mittelmotor. Heute zählt die französische Flunder mit Kunststoff-Karosserie und Gordini-Motor zu den absoluten Exoten.

Matra Jet 6, Seitenansicht Foto: Hans-Dieter Seufert 22 Bilder

So ein Rüstungskonzern hat es auch nicht immer einfach: Keiner will offiziell etwas mit einem zu tun haben, keiner will mit einem gesehen werden, und aus den Zeitungen bleibt man meist auch besser draußen. Ein wenig mehr positives Image könnte da oft nicht schaden. So oder ähnlich werden die Verantwortlichen der Mécanique Avion Traction, sprich Matra, wohl gedacht haben, als sie 1964 den Kleinhersteller Automobiles René Bonnet übernahmen und in die Fahrzeugproduktion einstiegen. Der französische Rennfahrer und Konstrukteur René Bonnet hatte sich in den 50er-Jahren einen Namen gemacht, als er zusammen mit seinem Landsmann Charles Deutsch in Champigny-sur-Marne Sportwagen auf Panhard-Basis baute, die bei der Index-Wertung in Le Mans vorn dabei waren. 1962 aber endete die gute Zusammenarbeit mit Panhard. Deutsch und Bonnet lösten ihre Firma DB auf, Deutsch ging zu Panhard, Bonnet blieb in der Fabrik in Champigny und werkelte weiter. Anstelle der bisherigen Zweizylinder-Boxermotoren von Panhard verwendete René Bonnet nun die agilen Reihenvierzylinder aus dem Hause Renault, die auch Jean Rédélé seit 1956 mit Erfolg in der Alpine einsetzte.

Matra Jet-Motor vor der Hinterachse

Doch während Rédélé den Motor wie Porsche hinter der Hinterachse als Heckmotor einbaute, platzierte Bonnet den Vierzylinder dort, wo er nach Meinung aller Motorsport-Enthusiasten hingehört: vor die Hinterachse und damit direkt hinter den Rücken der Besatzung. Präsentiert wurde der René Bonnet Djet im Oktober 1962 auf dem Pariser Salon – und ging damit in die Automobilgeschichte ein als erster Seriensportwagen mit Mittelmotor. Ein Jahr später folgte A.T.S., 1965 De Tomaso, 1966 Lamborghini.

Als Chassis des Djet diente ein Zentralrohrrahmen mit einer Gitterkonstruktion aus Vierkantrohren zur Aufnahme des Antriebs und der Radaufhängungen. Die Vorderachse übernahm Bonnet praktisch unverändert vom Renault Major, hinten aber betrieb er einen deutlich höheren Aufwand: Die spur- und sturzkonstante Einzelradaufhängung an doppelten Dreieckslenkern mit je zwei Federbeinen und Stoßdämpfern pro Seite stammte von einem Formel 3-Projekt.

Passend zu all diesen Rennsportzutaten gab es rundum Scheibenbremsen und wie schon zuvor bei DB eine sportlich knapp geschnittene Karosserie aus Kunststoff. Wie eng die Hülle geformt ist, zeigt ein Blick auf das Profil: Die Ellbogen der Passagiere markieren die breiteste Stelle. Gefertigt wurde die Kunststoffhaut übrigens von Beginn an bei einer Matra-Tochtergesellschaft in Romorantin.

Die längs hinter der Besatzung eingebauten Renault-Motoren gab es in verschiedenen Hubraum- und Leistungsstufen von 1.000 bis 1.100 cm3 und 60 bis 100 PS, die alle eines gemein hatten: Sie waren laut und unkultiviert, und die hohe Leistungsausbeute wurde durch ein schmales Drehzahlband erkauft. Dass das Getriebe sich zudem schwer schalten ließ – es stammte aus einem Renault-Transporter –, erwies sich auch nicht gerade als hilfreich.

Weil zudem der Motorraum zwar nach oben hübsch abgedeckt, nach unten aber völlig offen war, gab es immer wieder Probleme bei Regenfahrten. Davon blieb auch Manfred Jantke bei einem Test 1966 in auto motor und sport nicht verschont: Besserung kehrte erst ein, „als wir den Zündverteiler in einen Frischhaltebeutel gepackt hatten“.

Kein Wunder also, dass potenzielle Käufer eher zurückhaltend auftraten – da half es auch nicht, dass 1963 ein Djet unter Beltoise/ Bobrowski die Index-Wertung in Le Mans gewonnen hatte. 1964 machte Matra René Bonnet ein Angebot, das der finanziell klamme Konstrukteur nicht ausschlagen konnte. Der Name änderte sich zunächst in Matra-Bonnet, ab 1965 in Matra-Sport.

Bonnet hatte bald nicht mehr viel zu melden, stattdessen wurde Philippe Guédon (später verantwortlich für den 530) beauftragt, den Djet zu zähmen. Die laufende Nummer 5 zeigte sich bereits weitaus zivilisierter, die Krönung der Baureihe aber ist der ab 1966 gebaute Jet 6, jetzt aus unerfindlichen Gründen ohne „D“: Hier kommt der 1255er-Motor von Amédée Gordini mit kräftigen 105 PS zum Einsatz, der den 775 kg leichten Djet 6 auf 210 km/h treibt.

Matra 6 mit hakeligem Getriebe

222 Exemplare wurden bis 1968 gebaut, zwölf davon mit herausnehmbarem Dachteil, und einen von diesen hat Dirk-Michael Conradt, Berater der Autostadt in Wolfsburg, 2008 für das dortige Museum ZeitHaus gesichert: „Als erster Mittelmotor-Sportwagen gehört er unbedingt in die Sammlung – im Grunde hätten wir lieber ein früheres Exemplar erworben, aber es war keines aufzutreiben.“

Macht nichts, genießen wir eben den Matra Jet in seiner letzten Ausbaustufe. Sie fährt sich – an einem sonnigen Tag und mit eher französischen Körpermaßen – weit weniger unbequem oder fordernd als gedacht: Der Motor braucht naturgemäß Drehzahlen, dreht aber schön hoch, ab dem mittleren Bereich geht es gut vorwärts. Zumindest bei frühlingshaften Temperaturen wird es im Rücken auch nicht zu heiß.

Das Getriebe schaltet sich in der Tat hakelig, was aber nur im Stadtverkehr wirklich stört. Dafür verwöhnt das Fahrwerk mit exzellenter Straßenlage, und nach einiger Zeit ertappt man sich bei dem Gedanken, dass man unbedingt einen Jet 6 bei Le Mans Classic einsetzen sollte – schließlich liegt der letzte (und einzige große) Rennerfolg schon eine Weile zurück: 1967 eroberten Henri Pescarolo und Michèle Dubosc beim Critérium des Cévennes Rang zwei.

Insofern war übrigens die damalige Taktik von Matra erfolgreich: Zumindest Automobilisten verbinden mit dem französischen Konzern eher den Formel 1-Titel 1969 und die drei Le Mans-Siege von 1972 bis 1974 als die Flugabwehrrakete Mistral.

Autostadt Wolfsburg

Der Matra Jet 6 gehört zum Museum ZeitHaus in der Autostadt in Wolfsburg. Hier werden unabhängig vom Hersteller Meilensteine des Automobilbaus präsentiert. Ein Besuch der Autostadt samt ZeitHaus lohnt sich für die gesamte Familie und rechtfertigt auch eine lange Anreise.