Mercedes SLC, BMW 6er und Porsche 928

Könige der Autobahn

Mit BMW 635 CSi, Mercedes 450 SLC und Porsche 928 S hatten drei große deutsche Hersteller patente und potente Sportcoupés im Angebot – wer in den Siebzigern Sportwagen liebte, hatte es nicht leicht. BMW , Porsche und Mercedes warben mit ihren unterschiedlichen Konzepten und Interpretationen eines sportlichen Coupés um die Gunst des Kenners. Die Qual der Wahl bleibt.

BMW 635 CSI, Mercedes-Benz 450 SLC 5.0, Porsche 928S Foto: Frank Herzog 22 Bilder

Das Gespräch auf dem riesigen Shell-Tankhof an Münchens größter Ausfallstraße ist nicht ganz frei von Vorurteilen. Ein paar Autobegeisterte reiferen Alters steigen neugierig aus ihren Audi A6 Avant, BMW 5er-Touring und Mercedes-E-Klasse. Sie machen sich über das extravagante Coupé-Trio her, das an den Zapfsäulen durstig nach drehzahlgieriger Flugplatz-Fotosession auftankt. BMW 635 CSi, Mercedes 450 SLC 5.0 und Porsche 928 S sind bei artgerechter Fahrweise allemal für 15 Liter Super Plus gut, ihre Tanks fassen 70, 86 oder sogar 90 Liter.

BMW 635 CSi – der Halbstarke des Trios – und der Harmonischste

Der BMW 635 CSi, kühl in funktionelles Polaris-metallic getaucht, wird von der mitteilsamen Kennertruppe zunächst wenig geschätzt. „Ist doch nur ein 5er-Coupé“, heißt es. „Viel zu lange Überhänge und dann noch nicht mal ein echtes Hardtop-Coupé mit voll versenkbaren Seitenscheiben“, moniert sogar der BMW-Fahrer. Und ergänzt wissend: „Das konnte der Vorgänger 3.0 CSi viel besser.“ Ein Dritter, der mit dem A6, vermisst bei unserem deutschen Boliden-Contest schmerzlich den Audi Quattro und findet die spoilerbewehrte Sportversion BMW 635 CSi „zu wenig elegant, zu aufgedonnert, fast ein bisschen halbstark.“ Dabei gab es das Topmodell ab 1980 sogar mit Automatik. Keiner von ihnen weiß, dass der zierliche BMW 635 CSi mit den feinen Gesichtszügen und der schmalen C-Säule der Ausgewogenste ist, der Harmonischste von allen. Er ist schnell, geräumig, sparsam und leise. 

Man kann den BMW 635 CSi bei mittlerer Drehzahl als schnellen Autobahngleiter mit Tempo 160 laufen lassen oder ihn jenseits von 5.000/min im Kurvengeschlängel einsamer Mittelgebirgs-Kreisstraßen mächtig fordern. Sein Handling ist von spielerischer Leichtigkeit. Seine milde Neigung, mit dem Heck nach außen zu drängen, gilt als markentypische Reverenz an den sportlichen Fahrer. Das Übersteuern gehört eben zu einem BMW wie Niere, Hofmeister-Knick und Sechszylinder. 

Mercedes 450 SLC – Rallyesieger und solide wie 'ne Burg

Die gelb-weiße Zapfsäule spiegelt sich im silbergrünen Lack des Mercedes 450 SLC 5.0. Erst bei 82 Liter rastet die Pistole ein. Unsere Kennertruppe feiert den seltenen Leichtbau-SLC, der Türen, Hauben, Räder und noch einen Motorblock aus Aluminium trägt, wie einen heimgekehrten Sieger. „Mit diesen schweren Ungetümen hat doch der Waxenberger in den späten Siebzigern die ganzen Übersee-Rallyes gewonnen“, schwärmt der sternentreue 270 CDI-Fahrer, obwohl er lieber die wirklich großen Coupés auf S-Klasse-Basis mag. „Die Südamerika-Rallye, die Bandama an der Elfenbeinküste und die East African Safari“ tönt der andere, und fügt hinzu: „Das ist ein Auto, solide wie eine Burg, dazu hinreißend elegant und gediegen, gefühlt eine Klasse höher als der BMW.“ Er hat recht. Achtzylinder sticht Sechsender – und wenn er noch so gut ist. So will es die Evolution.

Langer Radstand krönt die Figur. Der Mercedes 450 SLC ist einmal mehr ein bildschönes Auto, schon der lächelnde Blick aus dem chromgeschminkten Gesicht turnt einen an. Die neckischen Lamellen in den hinteren Seitenfenstern stehen ihm gut. Was die eigentlich sollen? Fragt man etwa bei Frauen nach dem Sinn von Schmuck? Der 5er-Touring-Fahrer verteidigt plötzlich seine Marke. „Wenn der BMW 635 CSi halbstark scheint, dann gilt dies erst recht für den Mercedes 450 SLC 5.0 mit Heckspoiler und dem seltsam abgesetzten Kontraststreifen rund um dieses alberne Riffelblech. Außerdem beschleunigt der BMW mit dem knackigen Fünfgang-Sportgetriebe deutlich besser als der Mercedes mit seiner bedächtigen Dreigang-Automatik.“
 
Man wundert sich, dass der üppige, ausladende Mercedes nur 50 Kilogramm mehr wiegt als der BMW. Sein Fünf-Liter-Alu-V8, der wegen besonderer Laufflächen ohne Stahlbuchsen auskommt, ist nicht schwerer als das Mordstrumm von Reihen-Sechszylinder mit dem markanten, unverwechselbaren Kopf, der zum Glaubensbekenntnis der weißblauen Marke gehört.

Leichtbau-SLC – Sicherheit, Souveränität und verhaltene Sportlichkeit

Selbst der leichte Mercedes 450 SLC vermittelt einem hinter dem wenig sensitiven etwas unförmigen Lastwagen-Lenkrad eine teutonische Schwere, die im trägen Kontrast zur italienischen Leichtigkeit des BMW steht. Der Mercedes 450 SLC untersteuert stärker und muss mit Nachdruck in enge Kurven gezwungen werden. Erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten lenkt er wie von selbst ein und übersteuert leicht, stets kontrollierbar.

Der Vorteil dieses stets gutmütigen Beharrungsvermögens liegt beim Mercedes 450 SLC im Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Daran ändert auch nichts, dass das Lenkrad zu dicht an der Frontscheibe klebt und die Wischer faul im Sichtfeld herumlungern. Trotz mäßiger Beschleunigungswerte suggeriert der drehmomentstarke, beim Druck aufs Gaspedal aus der Talsohle vehement davonstürmende V8 stets den Eindruck souveräner Kraftreserven. Das liegt vor allem an seiner satten akustischen Präsenz. Das tiefe Grummeln geht jenseits von 3.500/min in ein heiseres Stakkato über. Seine Stimme klingt trotzdem feiner als die der raubeinigen amerikanischen Achtzylinder. Der Mercedes 450 SLC schreit seine Potenz nicht hemmungslos raus, ebenso wenig wie seinen Reichtum.

Leder, Velours oder karierte Sportmatratze gab es im Fünfnuller zur Möblierung, den Metalliclack sogar ohne Aufpreis. Kriegsbemalung und Typenbezeichnung ließen sich auch abbestellen, wenn man denn aussehen wollte wie ein 280 SLC. Nur ein Hauch von Wurzelnuss um die Mittelkonsole musste sein. Erst der Nachfolger Mercedes 500 SLC operierte per Faustkeil mit vier Gängen in der unverbesserlichen Zickzackkulisse. Das passte viel besser, weil der teutonische Alu-Silizium-V8 anders als die Amis Drehzahl mag.

Porsche 928 S – der Intellektuelle oder „Ein Auto wie Grace Jones“

Alle sind sich plötzlich einig, A6 Avant 270 CDi, 530d Touring – der Porsche 928 S ist geil! Ausgerechnet das in den Benzingesprächen sonst meistumstrittene Auto stößt in der zufälligen Tankstellenrunde auf spontanen Beifall: „Diese zeitlose Form, direkt aus der Zukunft“, schwärmt der A6. „Eine Skulptur, wie geschaffen für das Museum of Modern Art“, jubelt der 270 CDI. „Ein animalisches Monster, wie vom anderen Stern, ein Auto wie Grace Jones“, doziert euphorisch der 530d.

Kein anderer Sportwagen verkörpert so konsequent die hemmungslosen siebziger Jahre wie dieser irisblaue Porsche 928 S. Alles Konventionelle in Frage stellen, alles anders machen, eine explosive Mischung aus Plastik-Wahn, Pop-Art, Afri-Cola-Rausch und Avantgarde. Chefdesigner Anatole Lapine ließ sich wohl vom kurzen, breiten AMC Pacer inspirieren. Auch der Porsche 928 ist beileibe nicht schön im klassischen Sinn. Er polarisiert total. Viele Details sind einfach gruselig – die Fahrradlampen, die Telefon-Wählscheibenräder, die massiven Bullaugen-Türrahmen und die versenkten Rückleuchten. Aber das Gesamtkunstwerk stimmt, es hat Dynamik und Attraktion. Der Porsche 928 ist neben dem Citroën SM und dem Mercedes C 111 das intellektuellste aller Autos.

Innen hüllt der enorm breite, dennoch figurbetont wie ein Maßanzug geschnittene Porsche 928 seine Besatzung in eine softe Kunststoff- und Leder-Wohnlandschaft von Interlübke. Nicht unfunktionell das Ganze, mit kontrastreichen großen Rundinstrumenten, garniert von wabbeligen Lakritz-Drehknöpfen.

Fast alles an ihm ist bizarr

Die Jalousie der Wählhebelkulisse, die im Drehzahlmesser integrierte Wählhebelanzeige, die liftartigen Staufächer in den Türverkleidungen, die Scheibenantenne und die beleuchteten Make-up-Spiegel im Dachhimmel. Für Fahrer und Beifahrer. Technisch haben die Porsche-Ingenieure dem Porsche 928 S alles mit auf dem Weg gegeben, was gut und teuer ist – Transaxle und Vollverzinkung. Die komplexe Hinterradaufhängung mit Quer- und Längslenkern heißt nicht umsonst Weissach-Achse. Sie ist mit ihrer fahrdynamischen Angriffslust den Schräglenkerkonstruktionen von BMW und Mercedes weit überlegen.

Unter der taillierten Alu-Haube des Porsche 928 steckt ein optimal ausbalancierter Zweinockenwellen-4,7-Liter-V8 aus Leichtmetall mit Silizium-Laufbahnen ähnlich wie beim Mercedes-Pendant. Aber Tassenstößel statt Schlepphebel drücken auf die Ventilfedern, und der lange Zahnriemen macht denPorsche 928 -Motor heute verdächtig. Die hohe Verdichtung von 10,4:1 nimmt dem überaus wohlklingenden 310-PS-Achtzylinder im Porsche 928 S endlich halbwegs den Durst. Die Crew sitzt perfekt in weichem Leder. Form und Akustik des Wagens sind im Einklang. Über 4.500/min trompetet der V8 infernalisch und atemberaubend, die Viergangautomatik von Daimler-Benz stört die Lustgefühle nicht im Geringsten, das Drehzahlniveau liegt sogar niedriger als beim Mercedes 450 SLC und beim BMW 635 CSi, der Porsche 928 versteht sich auch als Boulevard-Sportwagen. Dafür schlägt das Fahrerherz im 928 eindeutig höher. Er ist aus dem prächtigen Trio der Wagen schlechthin für den Auto- Enthusiasten. Das finden auch die drei von der Tankstelle.