Mercedes 500 SL und Porsche 911 Carrera Cabriolet

Ab in den Süden!

Mit Mercedes 500 SL und Porsche 911 Carrera Cabriolet ans Mittelmeer: Es klingt ein wenig verrückt, nur für ein Wochenende hinunter an die Côte d’Azur zu fahren. Doch es lohnt sich, besonders in einem Cabriolet. Warum? Weil die erste Ausfahrt im Jahr ruhig etwas Besonderes sein darf.

Mercedes 500 SL, Porsche 911 Carrera Cabriolet, Fahrersicht Foto: Arturo Rivas 20 Bilder

Sie hat Klasse, wie sie sich hoch über den Dächern von Monaco und Nizza durch die Felsen windet. Im Süden das tiefblaue Meer, im Norden die bis zu 3.000 Meter hohen Ausläufer der Seealpen, und dazwischen nur ein paar Orte und Sommerresidenzen, die wie Adlerhorste im Fels hängen.

Mehr als 1.000 km Anreise

Viele haben versucht, sie zu übertrumpfen, ihr den Rang als die Nummer Eins der französischen Küstenstraßen streitig zu machen. Aus ihrer Sicht aufmüpfige Emporkömmlinge ohne Stil und Geschichte. Denn nur sie ist per Du mit dem Jetset, mit unzähligen Filmstars und natürlich mit dem gesamten europäischen Adel. Und wir kennen sie aus James-Bond-Filmen, aus einem Hitchcock, aus der Boulevardpresse. Nein, für die Grande Corniche gibt es keine wirkliche Alternative an der Côte d’Azur.

Frühstück im mittelalterlichen Éze, auf einer Terrasse fast 500 Meter hoch über dem Meer. Bei 15 Grad und einem strahlend blauen Himmel kein Gedanke mehr an den Winter daheim, an die über 1.000 Kilometer lange Anreise vom verschneiten Stuttgart über die (gottlob!) salzfreie Rhône-Autobahn bis hierher, wo der Frühling längst Einzug gehalten hat.

Porsche 911 verbraucht nur 8 bis 9 Liter

Der 29 Jahre alte Porsche 911 Carrera zeigte sich gänzlich unbeeindruckt von diesem langen Fahrtag. Belohnte die gesetzlich verordnete Schleichfahrt durch Frankreich – erlaubt sind maximal 130 km/h – sogar mit einer sagenhaften Reichweite: knapp 850 Kilometer bis zum ersten Tankstopp, das macht rund 8 bis 9 Liter pro 100 Kilometer. Nicht schlecht für einen 231 PS starken Sportwagen. Dieser erste große Trip wird uns beiden gut tun, so viel ist jetzt schon klar.

Ich bin in dem kleinen Bergdorf mit Stellan Lindström verabredet, einem Bekannten aus Schweden, der als Geschäftsmann nicht zuletzt wegen des milden Klimas bereits vor 20 Jahren in den Süden gezogen ist. Sein Mercedes-Benz 500 SL passt perfekt in die mondäne Welt der Côte d’Azur, ein Auto wie eine Villa auf Rädern, üppig und zeitlos. Zudem suggeriert es trotz fehlenden Daches oder Bügel eine größtmögliche Geborgenheit, selbst lange nach Ende seiner 18 Jahre andauernden Produktionszeit. Ein Erfolgstyp also, der im Lauf seiner langen Karriere Maßstäbe gesetzt hat – im Design gleichermaßen wie in Technik und Verarbeitungsqualität.

Inzwischen haben beide Autos ihre Dächer geöffnet. Beim Mercedes 500 SL verschwindet die Haube unter einer Klappe, beim Porsche unter einer Persenning, was ein paar Handgriffe länger dauert. Gemeinsam wollen Stellan und ich bis Saint Tropez fahren, die Côte d’Azur in Ruhe erleben, bevor die gesamte Küste wieder ihr schrilles Sommer-Party-Kleid anlegt und sämtliche Straßen hoffnungslos verstopft sind. Dann packt auch Stellan regelmäßig seine Koffer und zieht für drei Monate wieder in seine Heimatstadt Stockholm.

Afrikanischer Wind im Cockpit

Doch jetzt gehört diese himmelsstürmende Strecke zwischen Monaco und Nizza uns nahezu allein. Ein milder, von Afrika herwehender Wind zieht durch Mercedes 500 SL und Porsche 911 Cabriolet, ein grandioses Gefühl. Wir lassen es langsam angehen, doch bereits in den ersten Kurven der Grande Corniche offenbart sich das unterschiedliche Wesen dieser Cabriolets.

Der Mercedes 500 SL nimmt sie lieber gelassen, ist vom Charakter viel näher an einer Limousine als an einem Sportwagen. SL-Besitzer wie Stellan schätzen den Komfort, das Gefühl der Sicherheit, das beruhigende Wesen des 223 PS starken Fünf-Liter-V8, der trotz seiner Kraft zu keinerlei sportlichen Aktionen animiert. Das SL-Kürzel steht hier längst nicht mehr für „Super Leicht“ wie beim legendären Vorgänger 300 SL mit aufwendiger Gitterrohr-Bauweise, sondern für schnell und leise. Mit Hardtop taugt so ein später 107er mit V8 sogar als bequemer Reisewagen – und wurde deshalb wohl besonders gerne auch als repräsentativer Zweitwagen von Millionärsgattinnen bewegt.

Auch als Cabrio bleibt der Elfer ein Sportwagen

Der Porsche 911 hingegen sehnt sich naturgemäß nach mehr Tempo. Sogar als Cabriolet, das 1982 präsentiert wurde, kann er sein wahres Ich nicht verbergen – er bleibt bis in die letzte Schraubenspitze nun einmal ein hochkarätiger Sportwagen. Vermutlich sogar der erfolgreichste aller Zeiten, weil er so ziemlich alles gewonnen hat, was auf Renn- und Rallyestrecken abzuräumen war. Alltagstauglich ist er obendrein, selbst wenn er sich ein paar Eigenheiten wie einen mittig angeordneten Drehzahlmesser, stehende Pedale oder ein links sitzendes Zündschloss leistet.

Doch erst dieser gebläsegekühlte Sechszylinder-Boxer mit den beiden obenliegenden Nockenwellen macht einen Porsche 911 so unglaublich begehrenswert. Schier unerschöpflich in seinem Potenzial, dabei so langlebig wie ein Schiffsdiesel und akustisch bereits im Standgas eine Offenbarung. Einmal warmgefahren, giert das 3,2-Liter-Aggregat mit heißerem Kreischen förmlich nach Drehzahlen, fordert es den Fahrer mit seinem furiosen Sound-Feuerwerk stets aufs Neue heraus.

Doch fürs Erste ist Cruisen angesagt, der genialen Aussicht von der Grande Corniche auf die See wegen. Und hinter der nächsten Kehre auf Cap Ferrat, wo sich dicht an dicht die Villen der Superreichen drängen. Nur eine Mauer aus dicken Steinen, kaum kniehoch, begrenzt hier oben die Straße vor dem Abgrund – ich muss an Hollywoodstar und Monaco-Fürstin Grace Kelly denken, die 1982 in der Nähe mit ihrem Auto in die Tiefe gestürzt ist.

Der Charme der Vorsaison

Hinunter nach Nizza. Im Zeitraffer von der Einsamkeit der Berge mitten ins Gewühl einer Großstadt, deren Straßen wohl immer verstopft sind. Auf der Promenade des Anglais, der Flaniermeile der Stadt, ist der große Mercedes SL jedoch voll in seinem Element, besticht im zähen Strom moderner Wagen mit einer natürlichen Anmut, wie sie nur wirklichen Stars eigen ist. Vermutlich ließe man ihn trotz Halteverbot sogar direkt vor dem Negresco parken, jener berühmten Luxus-Herberge aus der Belle Epoque.

Weiter in Richtung Saint Tropez. Ich folge dem Mercedes 500 SL, hänge mich an seine großen Rückleuchten. Es geht vorbei an Juan les Pins, schließlich Cannes. Bis dahin verrammelte Ferienhäuser, geschlossene Bars, menschenleere Strände. Ruhe statt Rummel – Vorsaison ist etwas Wunderbares.

Doch erst hinter Cannes fährt die Küste wieder zu voller Größe auf. Bis Fréjus nur Straße und Fels, weil das Massiv de l’Esterel so steil ins Meer stürzt, dass in diesem Teil der Côte d’Azur jeder größere Bebauungsplan gescheitert ist. Dafür Kurven satt, mal auf Meereshöhe, dann wieder etwas weiter oben im rötlich gezackten Gestein.

Mercedes drückt aus dem Keller kräftig an

Hier darf der Porsche 911 wieder aus dem Schatten des Mercedes 500 SL treten. Zielsicher nimmt das Auto mit seinen beiden Kotflügelhörnern diese kurvige Trasse ins Visier, und ich erlaube mir ein paar Sprints. Einfach unfassbar, wie genial sich dieser 3,2-Liter-Boxer anhört, je höher er drehen darf. Oder wie leichtfüßig sich dieses Auto durch Kurven dirigieren lässt. Nur die Schaltung will nicht so recht zu einem Sportwagen passen. Der gewonnene Vorsprung zum Mercedes 500 SL ist schnell wieder dahin, weil die Wege zwischen den Gängen zu lang und nicht immer leicht zu finden sind.

Stellan hingegen genießt es, in der vierten Fahrstufe bis maximal 2.500 Umdrehungen vor sich hinzugleiten. Für den Leichtmetall-Achtzylinder des SL nicht mehr als eine Fingerübung, gleichwohl dessen Paradedisziplin. Vom Sound des großen V8-Aggregats dringt allenfalls ein leises Grummeln ans Ohr, während der wilde Boxer im Heck des weißen Carrera seinen Fahrer zu keinem Zeitpunkt darüber im Unklaren lässt, woher die Kraft kommt.

Wir lassen es laufen, halten erst wieder in Saint Tropez, gleiten auf der Flaniermeile im Hafen vorbei an winterfest vertäuten Yachten, an geschlossenen Restaurants und dunklen Boutiquen. Nur das „Café Sénéquier“, einer der Klassiker auf diesem weltberühmten Laufsteg, und ein paar kleine Bars in den Nebenstraßen versorgen die wenigen Besucher. Ohne Jetset und Massentourismus wirkt „Saint Trop“ wie ein provinzielles 6.000-Seelen-Kaff – allerdings ein besonders hübsches.

Der Porsche 911 und der Mercedes 500 SL halten in der ersten Reihe vor ein paar alten Fischerhäusern. Im Sommer käme so ein Parkplatz einem Lotteriegewinn gleich, doch heute interessiert sich kein Mensch dafür. Nur ein paar Jugendliche stürmen auf getunten Rollern vorbei, wenden, werfen einen Blick in die offenen Cabriolets, nicken anerkennend. Auch wir sind zufrieden. Der Tag war gut. So gut, dass es schwerfällt, Schluss zu machen.