Mercedes-Benz 500 SEC-AMG im Fahrbericht

Heißes S-Klasse-Coupé von AMG

Der Mercedes-Benz 500 SEC-AMG ist ein Kontrapunkt: Getunte Sportmodelle für die Straße waren bei Mercedes-Benz lange Zeit ein Tabu. Doch die Firma AMG brach nachhaltig damit und schuf Traumwagen. Wie den schwarzen 500 SEC von 1982 mit Fünfliter-V8. Das wilde S-Klasse-Coupé im Test – ein harter Ausritt mit 279 PS.

Frontansicht eines Mercedes-Benz 500 SEC-AMG Foto: Arturo Rivas 27 Bilder

Der Mercedes-Benz 500 SEC-AMG kam in einer Zeit, als Mercedes kaum mit sportlichen Modellen in Verbindung gebracht werden konnte. Anfang der 80er fehlt ein echtes Sportmodell im Mercedes-Modellprogramm – AMG hilft gerne aus.

Der SEC-AMG sprengt das brave Bieder-Image von Mercedes

Wer vor mehr als 30 Jahren folgende Prognosen zur Entwicklung der Automobilmarke Mercedes gewagt hätte, wäre sofort in den Verdacht geraten, komplett den Verstand verloren zu haben: Dass ein junger Farbiger aus England in einem McLaren mit Mercedes-Motor Formel 1-Weltmeister wird, dass 2010 gleich vier Renner mit Mercedes-Triebwerken und ein Werksteam mit zwei deutschen Fahrern in der Formel 1 starten, und dass es von fast jeder Personenwagen-Baureihe heiße AMG-Sportversionen gibt, deren Topmotoren bis zu 612 PS leisten und in Tests für immer neue Rekorde sorgen.

Doch blicken wir auf das Jahr 1982 zurück, hatte Mercedes mit den drei dynamischen S-Worten Sport, Spiel, Spannung trotz glorreicher Rennsport-Vergangenheit nichts mehr am Hut – schon gar nicht bei den Serienautos. Der Konzern pflegte vielmehr ein Image, das man aus heutiger Sicht als brav, bieder und beständig bezeichnen muss.

Für die Technik und Qualität der Fahrzeuge mag das ja noch von Vorteil gewesen sein, und V8-Motoren mit bis zu 231 PS Leistung stellten damals schon etwas dar. Doch ein echtes Sportmodell wie einst der legendäre 300 SL oder 300 SE 6.3 fehlten im Programm. Und der kleine, wilde Mercedes 190 E 2.3-16, der in den folgenden Tests für Aufsehen sorgte, kam erst zwei Jahre später.

AMG ist die richtige Adresse für leistungshungrige Mercedes-Fans

Bis dahin und auch darüber hinaus mussten sich leistungshungrige Mercedes-Fahrer an eine Firma im schwäbischen Affalterbach nordöstlich von Stuttgart wenden: AMG. Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher gründeten 1967 in der alten Mühle von Burgstall bei Affalterbach ihr eigenes „Ingenieursbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren“ auf Mercedes-Basis.

Das G von AMG steht für Aufrechts Geburtsort Großaspach; die beiden Ingenieure lernten sich bei Mercedes kennen, wo sie bereits Rennmotoren für die 300 SE-Limousine testeten. So entstand auch der Mercedes-Benz 500 SEC-AMG, eines der schönsten, gewagtesten und und damit interessantesten AMG-Modelle in der nunmehr seit 43 Jahren bestehenden Geschichte des Tuning-Betriebs, der seit 1999 (mit zunächst nur 51 Prozent) Bestandteil des Daimler-Imperiums ist.

Das AMG-Coupé ist markant, massiv und männlich

Das große Mercedes-Coupé C 126 debütierte 1981 auf der IAA in Frankfurt als 380 SEC mit 204 PS und 500 SEC mit 231 PS. Die Limousinen der S-Klasse (126er-Baureihe) liefen schon ab 1979 vom Band. Das neue Luxus-Coupé löste den optisch verkorksten SLC-Vorgänger C 107 auf verlängertem SL-Chassis ab. Dessen fest installierten Fensterjalousien markierten für manche, nicht nur viele Auto-Tester, den Tiefpunkt des zu jener Zeit nicht besonders inspiriert wirkenden Mercedes-Designs.

Leider bekam das neue, große, wie aus einem Guss gezeichnete Mercedes-S-Klasse-Coupé als Erblast die seitlichen Waschbrettbeschläge seines Vorgängers mit auf den Weg. Die sogenannten „Sacco-Bretter“ an den Fahrzeugflanken – benannt nach dem verantwortlichen Designer Bruno Sacco – erhielten Chromleisten als Abgrenzung zu den lackierten Karosseriepartien. Das Gleiche geschah mit den Plastikstoßstangen. Dieser dreifache Oberflächenmix an Fahrzeugen der Premiumklasse wirkte schon damals weder besonders elegant noch ansatzweise sportlich.

Nix darf mehr glänzen, der Chromschmuck wird konsequent geschwärzt

Das sah man auch bei AMG und ging deshalb beim Mercedes-Benz 500 SEC-AMG mit der Farbspritzpistole aufs Ganze: Alles, aber wirklich alles an dem SEC-Coupé einschließlich Fensterrahmen, Mercedes-Stern, Rückspiegel und Türgiffmulden, die im Serienzustand aus grauem Plastik bestehen, erstrahlt im damals noch ungewöhnlichen Schwarz. Diesen Look im Einheitslack finden wir zu Beginn der achtziger Jahre auch bei Chevrolet, Ferrari, Lamborghini und Porsche – und zu jener Sportwagenfamilie will der stattliche Mercedes-Benz 500 SEC-AMG zumindest optisch eindeutig dazugehören.

Und da steht er nun auf dem riesigen Gelände des edlen Kiesplatzhändlers Katomobile24 GmbH in Weinheim, wo primär gut ausgestattete, zwei- bis fünfjährige Gebrauchte aus deutscher Produktion auf Käufer hoffen – bereit für den Test. Geparkt zwischen ebenso schwarzen, modernen Audi A4, Dreier-BMW und VW Passat Kombis fällt das AMG-Coupé trotz seines Tarnlacks auf wie eine Rolex-Uhr zwischen Casio-Zeitmessern – markant, massiv, männlich.

Sonderlackierung kostete bei AMG 18.843 Mark

Obwohl der Lack des Test-Fahrzeugs an vielen Stellen auf ursprünglich nacktem Kunststoff und verchromtem Stahlblech haftet, sind keine massiven Steinschlagschäden oder gar flächige Abplatzer am Mercedes-Benz 500 SEC-AMG zu entdecken. Das spricht für die Qualität des AMG-Anstrichs, der damals sagenhafte 18.843 Mark kostete. Für das gleiche Geld gab es immerhin einen ausgewachsenen Opel Rekord Berlina 1.9 N mit vier Türen.

Billig waren die AMG-Autos damals nun wirklich nicht: Das Sportlenkrad kostete 468 Mark, und das eher konservative Motor-Tuning des Fünfliter-V8 von 231 auf 279 PS verschlang weitere 12.193 Mark. Es kommen zwei spezielle Nockenwellen und geänderte Ventile zum Einsatz, die Ein- und Auslasskanäle erhielten eine Politur, und die Verdichtung stieg gering- fügig von 9,2:1 auf 9,4:1. Die Maximalleistung steht jetzt erst bei 5.750/min zur Verfügung, 1.000/min mehr als beim Serien-Pendant. Es darf also völlig Mercedesuntypisch gedreht werden.

Souverän: Der 500 SEC-AMG legt fast geräuschlos ab

Mit entspechend großer Vorfreude ergreift der Mercedes-Benz 500 SEC-AMG-Pilot die Türklinke, die sich hinter einem Wind- und Schmutzschutz etwas versteckt, und reißt mit einem leichten Ruck die lange Fahrertür auf. Beim Schließen ertönt nur ein sattes „Plopp“. Man sitzt auf sehr bequemen Sportsitzen in einem hellgrauen, angenehm mit dem Holz des Instrumentenbretts harmonisierenden Innenraum.

Bis auf das Lenkrad und den 300 km/h-Tacho entspricht alles der Serie. Während der Motor für den Tester kaum hörbar läuft – AMG verzichtete aus Komfortgründen beim Mercedes-Benz 500 SEC-AMG bewusst auf eine Sportauspuffanlage – taumelt von links hinten der Gurtbringer heran und hält einem die Gurtzunge vors Ohr, die wir artig ergreifen und in das Gurtschloss stecken. Zufrieden zieht sich der Roboterarm zurück. Jetzt noch den Automatik-Wählhebel auf „D“ ziehen – das AMG-Schiff legt langsam ab.

Ungewöhnliche Kombination aus geschmeidigem Antrieb und DTM-hartem Fahrwerk

Vielleicht ist es nur die Ruhe vor dem Sturm – aber in einem AMG-Mercedes mit V8-Motor ohne kerniges Auspuffbrummen unterwegs zu sein, ist schon ungewöhnlich. Als noch ungewöhnlicher erweist sich im Test des Mercedes-Benz 500 SEC-AMG die Kombination aus geschmeidigem Automatik-Antrieb, fürstlichem Sitz- und Raumkomfort, herrlichem Holz- Ambiente und fast DTM-hartem Fahrwerk. Aufgrund kürzerer Sportfedern, Bilstein-Gasdruckstoßdämpfern und 225/50er-Niederquerschnittsreifen verspüren die SEC-Insassen trotz ihrer opulent, aber nicht zu weich gepolsterten Komfort- Sportsitze jede Querrille, jeden Schachtdeckel und jedes zarte Schlagloch beinahe als Totalausfall der Federung.

Dafür belohnt der Mercedes-Benz 500 SEC-AMG diesen Komfort-Verzicht mit einer Straßenlage, die dem sprichwörtlichen Brett schon ziemlich nahe kommt – trotz seiner 1,7 Tonnen Startgewicht. Praktisch ohne Seitenneigung und trotz schwerer V8-Maschine auf der Vorderachse umrundet der Coupé-Brocken auch enge Kurven mit erstaunlicher Behändigkeit, die sogar einen soften 190er alt aussehen lässt. Dabei kommt dem AMG-Mercedes die von Haus aus schon recht günstige Gewichtsverteilung von vorn 53,5 und hinten 46,5 Prozent zu Hilfe.

Ohne AMG hätte Mercedes nicht so schnell in den Motorsport zurückgefunden

Im Test des Mercedes-Benz 500 SEC-AMG stellt sich heraus, dass das Fahrwerk sogar mehr PS vertragen könnte, ohne jetzt über mangelnde Leistung jammern zu wollen. Ganz im Gegenteil schiebt der Motor bei Kickdown mit dem Bizeps eines Bodybuilders das Coupé nach vorn. Speziell im letzten Drehzahldrittel über 4.000/min kommt noch ein kräftiger Nackenbieger-Nachbrenner, bevor das Automatikgetriebe die nächste Fahrstufe nachschiebt. Als Höchstgeschwindigkeit ermittelte auto motor und sport flotte 230,8 km/h.

Für die Fotoaufnahmen fahren wir in die hübsche Altstadt von Weinheim, wo die ersten Café-Gäste im Freien sitzen und den schwarzen Riesen mit neugierigen Blicken verfolgen. Vermutlich wissen die wenigsten, dass mit dem Mercedes-Benz 500 SEC-AMG zwar kein Meilen-, aber wohl ein Markstein des langen Mercedes-Wegs in Richtung modernem Motorsport vorüberzischt. Denn ohne das Engagement von Hans Werner Aufrecht und seiner Tuning-Truppe von AMG hätte die Marke mit dem Stern über Touren- und Rennsportwagen nicht so schnell in den internationalen Spitzen-Motorsport zurückgefunden.

Noch viel wichtiger: Wir müssten heute vielleicht auf die kraftstrotzenden AMG-Sportversionen der Mercedes-Personenwagen verzichten und wären damit um einige Jungen- und Männerträume ärmer.