Ford 17 M 1700 CS, Opel Rekord 1700 und VW 1600 L

Die Herren Jedermann

Mittelklasse-Vergleichstests waren die Straßenfeger von auto motor und sport. Mehrteilig wie ein Durbridge im Fernsehen, das Resultat mit Spannung erwartet. Motor Klassik greift die Idee 40 Jahre später auf und mischt die Kandidaten neu. 

Ford 17 M 1700 CS, Opel Rekord 1700 und VW 1600 L Foto: Uli Jooß 23 Bilder

So einen hatte ich auch mal, lautet der melancholische Refrain, der das Mittelklasse- Trio bei der Frühlingsausfahrt begleitet. Man hört ihn unterwegs leise beim Getränkemarkt, an Tankstellen und manchmal auch als spontanen Zuruf, wenn für die Fotos auf Wirtschaftswegen rangiert und auf Wanderparkplätzen gewendet wird.

Die Autos der Familie – natürlich von Opel, Ford und Volkswagen

Jedermann-Autos wie Ford 17 M, Opel Rekord und VW 1600 sind technisch und stilistisch wenig spektakulär. Sie taugten nicht zu Lieblingsmodellautos. Man hatte sie, mehr aus Pflicht als aus Neigung, und natürlich von Wiking. Alle drei in Kieselgrau, den VW gern auch als Polizei oder Feuerwehr auf der Modelleisenbahnplatte in 1: 87.

Die drei Jedermann-Autos tragen das kollektive Gedächtnis einstiger Straßenbilder lebendig in sich. Auch die Familienchronik längst Verstorbener lässt sich an ihnen mühelos ablesen. Würde man sich ohne ihre Autos überhaupt noch an manche Verwandte errinnern? Onkel Bernhard hatte einen VW 1600 LE in Savannengelb. 585 Mark hatte er sich die fortschrittliche Bosch D-Jetronic kosten lassen, ohne die geringste Mehrleistung gegenüber dem Vergasermodell. Dennoch war er mächtig stolz drauf. Opa Kurt fuhr fast ein Jahrzehnt lang genau den Ford 17 M, der nur einen Sommer lang tanzte. Weiß mit roten Polstern.

Tante Irmgard, schon damals eine resolute Bankkauffrau, schaffte den bilderbuchhaften Wirtschaftswunder- Aufstieg vom A-Kadett zum C-Rekord. Ein zweitüriger 1900 L mit Automatik in gewagtem Rot, den sie beherzt auch zu entfernten Familienfeiern lenkte. In Urlaub fuhr sie stets ins Salzkammergut, in die Bankfiliale mit der Tram. So kamen in sechs Jahren knapp 39.000 Kilometer zusammen.

Auch die Kaufentscheidung des Vaters beeinflusste die drei Jedermann-Autos. auto motor und sport legte sich damals mit seinen aufwendigen auf zahlreiche Messwerte gestützten Mittelklasse-Vergleichstests mächtig ins Zeug. Sie waren ein Ereignis – die Leser fieberten dem zweiten Teil mit der Gesamtwertung förmlich entgegen. Audi 100 LS und VW K 70 machten die Entscheidung zur Bürgermeisterwahl später noch schwerer.

Sportlicher Langschnauzer – VW 1600 L

Der VW 411 LE tragischerweise nicht. Er hatte mit der für Volkswagen untypischen selbsttragenden Schrägheck-Karosserie, der Federbein- Vorderachse und der D-Jetronic das Stigma des unverstandenen Genies. Sein kleiner Bruder, der VW 1600 L, war und ist ein Sympathieträger. Anders als der exotische 411 hat er das Straßenbild der sechziger und siebziger Jahre geprägt. Deshalb darf er hier mitspielen – und der 411 nicht. Erst als Variant hat man ihn begriffen. Marinablau ist unser 1600 L, von September 1970. Die zweitürige Stufenheck-Limousine heißt diskret Typ 31. Sie hat noch das klassische VW-Lenkrad mit Hupring und noch nicht die Vierspeichen-Prallplatte mit den eigenartig flachen Fingerhebeln dahinter. In Typ 3-Kreisen nennt man ihn salopp Langschnauzer, das klingt wie eine gutmütige Hunderasse – und genau so wirkt ein VW Typ 3: treu, brav und fast ein bisschen niedlich. Zur IAA 1969 wurde der Ponton-Käfer mit dem pummeligen 50er-Jahre-Charme gründlich modernisiert.

VW 1600 L – fast ein Sportwagen

Der Bug und damit auch der Kofferraum wuchsen in der Länge um 12 Zentimeter, das Heck wurde gestrafft und bekam poppig-große Rückleuchten, die nun bestens zu den klobigen Eisenbahnschienen- Stoßstangen passten. Doch viel wichtiger war das verbesserte Fahrwerk. Vorn blieb es zwar bei der guten alten Kurbellenkerachse des Käfers, die einem großen Gepäckraum beständig im Weg ist. Hinten wich die Pendelachse, wie zuvor schon bei der Automatikversion, einer modernen Schräglenkerkonstruktion, die sich auch in schnell gefahrenen Kurven und bei scharfem Bremsen sehr spur- und sturzkonstant verhält. Er ist mit seiner aufwendigen Doppelgelenkachse der mit Abstand Fahraktivste und Kurvenwilligste der drei. Gierig folgt er dem Nebenstraßengeschlängel auf der Schwäbischen Alb, nimmt Haarnadelkurven flott im zweiten Gang und fährt den anderen davon.

Melodisches Boxerrauschen stimuliert den Fahrer, das Triebwerk mit dem flachen Gebläsekasten klingt sonorer als ein im Prinzip ähnlicher Käfer-Motor. Sein ingeniöses Fahrwerk mit angenehm neutraler Straßenlage macht das Leistungsmanko gegenüber den beiden ausgeprägten untersteuernden Starrachsern mehr als wett. Die 54 PS brauchen Auslauf und wollen drehen – auch wenn das Limit von 5.000/min leider schnell erreicht ist. Geschmeidig flutschen die Gänge durch die Schaltgasse, nur ein bisschen Elastizität steckt im Schaltgefühl. Auch die Lenkung fühlt sich angenehm direkt an, leichtgängig ist sie sowieso. Die Sitzposition passt viel besser als im Käfer, der 1600 sitzt wie ein knapp geschnittener Anzug. An die stehenden Pedale hat man sich schnell gewöhnt, nur die Radkästen stören im Fußraum. Typ 3-Fahrer haben immer etwas Ballast vorn im Kofferraum. Oder sie füllen den 40-Liter-Tank bis zum Kragen, das schiebt den Grenzbereich mit der ausgeprägten Übersteuerneigung weiter hinaus. Es wäre sicher falsch, den VW 1600 L als sportlich zu bezeichnen, dazu fehlt es ihm an Leistung – aber er hat die Anlagen zu einem Sportwagen.

Technisch ist er bis auf die Vorderachse von einem Porsche 912 nicht allzu weit entfernt. Und als Vorstufe gibt es ja noch den großen Karmann, Typ 34.

Der Lässige: Opel Rekord

Eine völlig andere Automobilkultur begegnet einem im Opel Rekord. Sitzposition und Raumgefühl sind betont lässig. Man hat das Empfinden, ein innen wie außen riesiges Auto zu bewegen, fühlt sich fast verloren auf dem flach konturierten Fahrersitz. Bremsen, Schaltung, Lenkung und Kupplung gehen geradezu spielerisch leicht. Es fehlt der knappe, trockene Dialog oder auch die herausfordernde Auseinandersetzung, die der forciert bewegte VW 1600 mit dem Fahrer pflegt. Der weiße Rekord C in der 66-PS-Normalversion will seinem Besitzer unauffällig diesen.

Der behäbige Vierzylinder schnurrt zumindest bis 100 km/h im typischen Opel- Näseln vor sich hin, dann wird er brummig. Seine 66 PS entfaltet er oben heraus zäh und etwas unwillig, auch das Durchzugsvermögen aus dem Drehzahlkeller ist nicht gerade seine Lieblingsdisziplin. Seine eigentlichen Talente sind eher der kultivierte Lauf, die Wartungsfreundlichkeit und Langlebigkeit. Vielleicht liegt die Nockenwelle noch nicht hoch genug im gusseisernen Zylinderkopf, kurze Stößelstangen lassen sich bei der Opel-eigenen c.i.h.-Konstruktion (camshaft in head) nicht vermeiden.

Der Opel Rekord verkörpert die amerikanische Philosophie des leicht zu bedienenden und anspruchslosen Gebrauchsautomobils, nur mit dem Storchschnabel verkleinert. Sein Styling mit der seitlichen Coke-Bottle-Line stammt vom Chevrolet Chevelle, die Technik wurde an europäische Verhältnisse angepasst – eben ein Vierzylinder statt eines V8-Motors, das Fahrwerk optimiert.

Skurrile Kummerfalte – Ford 17M 1700 S

Der Rekord C übernahm bei seinem Debüt 1966 zwar die neue Motorengeneration von seinem Kurzzeit-Vorgänger B, gab sich aber beim Fahrwerk besondere Mühe. So wird die starre Hinterachse von Längslenkern und einem Panhardstab exakt geführt. Statt Blattfedern gibt es endlich Schraubenfedern. Vordere Scheibenbremsen mit Zweikreishydraulik und Bremskraftverstärker sind beim Rekord C nun serienmäßig. Der hübsch geformte Mittelklasse-Opel fährt sich angenehm und mühelos, man kann heutzutage im Verkehr zumindest über Land recht gut mitschwimmen: Die coole Lenkradschaltung passt sehr gut zum Charakter des Wagens. Schon deshalb schaltet der Faher gern und oft. Manchmal schüsselt man etwas uninspiriert durch die Landschaft, findet im breiten Sitz nicht den rechten Halt und fläzt leicht schräg auf dem Polster. Wer es es zur Abwechslung einmal eiliger haben sollte, stellt fest, dass der Rekord auch anders kann.

Das Fahrwerk wiurd vom 66 PS-Benziner kaum gefordert

Die zahmen 66 PS der 1700er- Normalbenzin-Maschine fordern das ordentlich abgestimmte Fahrwerk keineswegs, notfalls ist es Commodore GS/E-tauglich. Was bleibt, ist eine ausgeprägte Untersteuerneigung, die große Lenkradausschläge erfordert. Die Lenkung selbst arbeitet nicht sonderlich direkt, weil sie möglichst leicht gehen soll.

Der Rekord ist anders als der VW 1600 nicht dazu geeignet, einen guten Fahrer zu animieren. Er setzt wie auch der Ford 17 M sehr stark auf Gefühl und Geborgenheit. Wenn es darum ginge, jetzt gleich von Kopenhagen nach Palermo zu fahren, wären nicht nur wegen ihrer riesigen Gepäckräume der Opel oder der Ford die erste Wahl. Ihre robusten Motoren singen das Lied vom ewigen Leben, sie bringen dich überall hin, unterwegs in kühlen Nächten spenden sie wohlige Wärme.

Und sollte mal der Krümmer abreißen, was nicht passieren wird, schweißt ihn jeder Dorfschmied wieder fest. Die großartige Einfachheit dieser konventionellen Autos hat etwas Faszinierendes, auch wenn Technik-Gourmets müde lächeln. Gerade das ist uns heute abhandengekommen – und deshalb sehnen wir uns danach im Oldtimer.

Ein MG B ist im Grunde nichts Anderes, nur ist er dazu noch offen. Der Ford 17 M 1700 S setzt noch eins drauf, er verstärkt die Tugenden und Schwächen des Opel Rekord. Das Biedere kippt bei ihm ins Skurrile. Da passt es, dass er in dieser Form als P7a nur ein Jahr gebaut wurde und nach gründlichem Facelift und mit zwei zusätzlichen Längslenkern an der Hinterachse doch noch ein Erfolg wurde. „Kummerfalte“ schimpften ihn 1967 die Ford-Händler – wegen seines Hüftknicks über der Hinterachse, der doch beim Rekord C so gut ankam.

Nach 40 Jahren ändert sich die Sicht der Dinge

Der P7a brach leider mit der aerodynamischen und funktionellen Linie der Vernunft, die 1960 mit der Badewanne 17 M P3 begonnen und 1964 vom Nachfolgertyp P5 weiter kultiviert wurde. Er geriet fast unfreiwillig zum Mini-Lincoln, ausladend in Form und Größe, betont kantig im Grundlayout und für den 20 M mit stilistischen Mätzchen aufgetakelt. Erstmals verzichteten die Kölner auf den Namen Taunus. Heute gewinnt speziell der erste P7 gerade aus der stilistischen Unvollkommenheit seinen Charme.

Das schwarze Dach der aufpreispflichtigen Zweifarbenlackierung betont den lichten Aufbau mit den schmalen Pfosten. Gar nicht schlecht gelang den Kölner Ford-Designern unter Lesley Hoover die Sickenführung an den Flanken. Die breiten pfeilförmigen Rückleuchten beleben erfreulich das sachliche Heck. Die C-Säule ist fast coupéhaft geneigt. Die Radzierringe wirken hingegen kitschig, doch wer die Proportionen verbessern wollte, konnte gegen Aufpreis sogar 14-Zoll-Räder ordern. Bei einer Solofahrt mit dem 17 M fühlt man sich wie in einem leeren Omnibus. Haltlos verliert sich der Fahrer auf dem konturfreien Einzel-Liegesitz in der Tiefe des Raums. Wird die Tür zugeschlagen, hallt der Resonanzkörper – wie beim Rekord. Nur der VW besitzt die satt ins Schloss fallende Solidität eines wirklichen Qualitätsautos.

Die Welt des 17 M ist jedoch dann wieder in Ordnung, wenn sich der kompakte V4- Motor dicht vor der Spritzwand nach dem Schlüsseldreh wachrüttelt und seine vertraute Stimme gurgelnd und pfeifend erhebt. Dieses wuselige Maschinen-Unikum wird von einer Ausgleichswelle so erfolgreich gezähmt, dass es erstaunlich leise und vibrationsarm läuft und dabei auch noch elastisch zur Sache kommt. Trotz zentraler Nockenwelle und langer Stößelstangen übertrifft er den nur vier PS-schwächeren Opel-Motor deutlich an Temperament.

Das Fahren im 17 M macht auch deshalb mehr Spaß, weil die Lenkradschaltung so spielerisch leicht und ohne allzu lange Wege durch die flache Drehmomentkurve gleitet. Man schaltet öfter als nötig, und beim Griff zum Hebel streift das Auge kurz die skurrilen Instrumente im Art-déco-Look, auch das eine verspielte Arabeske des P7a. Vor engen Kurven schnell gefahrener Landstraßen hat man zunächst Respekt und laviert das große, aber erstaunlich leichte Schiff zaghaft mit dem Lenkrad sägend um die Biegung. Es hat um die Mittellage ziemliches Spiel, auch die Hinterachse wird bei Spurrillen und Bodenwellen nervös.

Das kann selbst die moderne McPherson-Vorderachsaufhängung nicht ausgleichen. Eine präzise Straßenlage ist eben nicht die Sache des 17 M, da liegt der Rekord deutlich besser. Und der VW mutiert gar zum Elfer.

Das Testergebnis: Opel vor Ford und Volkswagen

Ein Vergleichstest der drei Jedermann- Autos wäre vor vierzig Jahren in auto motor und sport sinngemäß so ausgefallen: Erster – Opel Rekord, gefällige und geräumige Karosserie, straffes Fahrwerk, zäher Motor, sehr gute Handlichkeit. Zweiter – Ford 17 M, geräumige Karosserie, elastischer drehfreudiger Motor, gute Handlichkeit, gewöhnungsbedürftige unpräzise Fahreigenschaften, guter Fahrkomfort. Dritter – VW 1600 L, sehr gut verarbeitete, aber enge Karosserie mit zu kleinem Gepäckraum, lauter, unelastischer Motor, sehr gute Handlichkeit, gewöhnungsbedürftige Fahreigenschaften.

Heute beurteilt Motor Klassik die Autos genau andersherum. Erster: VW 1600 L, Zweiter Ford 17 M, dritter Opel Rekord. Schließlich liegen 40 Jahre dazwischen. Und der Preisindex wich der Emotionswertung.