OSCA MT4-2AD 1.500 im Fahrbericht

Echter Maserati ohne Familienname

Bei den Classic Days am ersten Augustwochenende wird diesmal unter anderem das 100-jährige Maserati-Jubiläum gefeiert - da darf ein OSCA MT4-2AD natürlich nicht fehlen. Wir durften den Sportwagen pilotieren.

OSCA MT4-2AD 1500, Fahrbericht, mkl 07/2014 Foto: Hardy Mutschler 14 Bilder

Es gehört zu den Bosheiten der Geschichte, dass ausgerechnet der Nachkriegs-Sportwagen, in dem mehr Maserati-Geist steckt als in den meisten anderen, nicht unter dem alten Familiennamen firmiert, sondern unter Officine Specializzata Costruzioni Automobili, kurz OSCA. Denn darin sind sich Techniker und Historiker in der Regel einig: Kein anderer italienischer Sportwagen reichte Mitte der Fünfziger in Fertigungsqualität und Finish an den OSCA MT4-2AD heran - und keiner war in der beliebten 1.500er-Klasse erfolgreicher.

Firma OSCA im Dezember 1947 gegründet

Wie es dazu kam, ist ein Lehrstück in Industriegeschichte und in Psychologie: Als die Maserati-Brüder Ernesto, Bindo und Ettore nach dem Tod ihres Bruders Alfieri ihr Unternehmen wegen Finanzproblemen am 1. Mai 1937 an den Industriellen Adolfo Orsi verkauften, vereinbarten sie, weitere zehn Jahre für die Officine Alfieri Maserati tätig zu sein. Nach Ablauf der zehn Jahre sprach wenig dagegen, den Kontrakt zu erneuern - doch weder die Maseratis noch die Orsis wollten in typisch italienischem Stolz den ersten Schritt tun.

Also sammelten Ernesto, Bindo und Ettore am 1. Mai 1947 wortlos ihre Sachen zusammen und gingen zurück nach Bologna, wo sie am 1. Dezember im Vorort San Lazzaro di Savena in der Via Ponte Vecchio in einer ihrer alten Hallen ihre neue Firma OSCA gründeten - mit dem stolzen Zusatz "Fratelli Maserati Bologna". Manche Historiker vermuten übrigens heute, der Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit sei noch banaler gewesen als verletzter Stolz: Bereits 1939 hatte Adolfo Orsi die Fertigung nach Modena verlegt - und die Maserati-Brüder waren es einfach leid, täglich von ihrem geliebten Bologna nach Modena zu pendeln.

In der Via Ponte Vecchio machten die drei Maseratis nun mit einer Handvoll Mitarbeiter wieder das, was sie im Prinzip schon seit 33 Jahren taten: Rennwagen bauen, und das mit einem Höchstmaß an Leidenschaft, Sorgfalt und Hingabe. Bei ihren neuen Reihenvierzylindermotoren etwa waren die Dichtflächen von Zylinderblock und Zylinderkopf so fein geläppt, also von Hand mit einer speziellen Paste geglättet, dass man im Prinzip auf eine Kopfdichtung verzichten konnte. Im neuen MT4 (Maserati Tipo 4 Cilindri) trug der Vierzylinder 1948 zunächst nur eine obenliegende Nockenwelle und holte 71 PS aus 1.100 cm³ und im Jahr darauf 90 PS aus 1.350 cm³.

OSCA ein leicht zu fahrender und robuster Rennwagen

Ab 1950 rotierten im OSCA-Zylinderkopf zwei obenliegende Nockenwellen, und die Leistung des MT4-2AD stieg auf 90 beziehungsweise 100 PS. Beim Fahrwerk vertrauten die Fratelli Maserati auf einen Stahlleiterrahmen mit Einzelradaufhängung vorne und Starrachse hinten sowie Trommelbremsen rundum - nichts Spektakuläres, aber Stand der Technik und gut gemacht. Zusammen mit einer leichten Aluminiumkarosserie, geringer Stirnfläche und einem Gewicht von lediglich 550 Kilogramm waren damit bei 100 PS rund 200 km/h drin.

Erste Rennerfolge ließen nicht lange auf sich warten: Noch im September 1948 gewann Gigi Villoresi beim Gran Premio di Napoli, im Mai des folgenden Jahres siegte Giulio Cabianca in Ferrara, und 1950 feierte ein OSCA MT4 unter Fagioli/Diotallevi seinen ersten Klassensieg bei der Mille Miglia. So ging es munter weiter: Der OSCA entpuppte sich als vergleichsweise leicht zu fahrender, robuster und leistungsstarker Sportwagen, der immer für einen Klassensieg und eine respektable Platzierung im Gesamtklassement gut war.

1953 wuchs der Hubraum des OSCA-Motors auf 1.450 cm³ (110 PS), 1954 auf 1.500 cm³ und 120 PS. Der erste 1.500er-Motor wurde in Chassis 1.142 eingebaut, und das ist genau das Auto in diesem Fahrbericht. Erster Besitzer war Giulio Cabianca, ein erfolgreicher Privatfahrer aus Varese, der einen Großteil seiner Rennen auf OSCA bestritt. Cabianca verbuchte mit 1.142 mehrere Klassensiege, vor allem aber einen sensationellen zehnten Gesamtplatz bei der Mille Miglia 1954 - zwei Jahre später toppte Cabianca dieses Ergebnis in Chassis 1.181 mit einem neunten Gesamtplatz. Alle Autos vor ihm in der Ergebnisliste (und viele hinter ihm) hatten mindestens doppelt so viel Leistung.

OSCA MT4-2AD erhält spanische Nationalfarben

Bereits im Juli 1954 suchte Alfonso de Portago, ein Neffe des spanischen Königs und talentierter Fahrer, ein neues Auto, und kaufte Cabianca den OSCA MT4-2AD mit der Nummer 1142 ab - wobei manche Quellen behaupten, der Wagen sei ein Geschenk von de Portagos Mutter gewesen. Der junge Spanier jedenfalls ließ den OSCA MT4-2AD sofort vom ursprünglichen Rot in seine Lieblingsfarbe Schwarz umlackieren, mit einem Mittelstreifen in den spanischen Nationalfarben.

So gerüstet nahm de Portago im August 1954 auf dem Nürburgring das 500-km-Rennen in Angriff - wo er sich prompt überschlug, zum Glück aber unverletzt blieb. Auch der OSCA MT4-2AD hatte nur ein paar Schrammen abbekommen und stand kurz darauf bei der Tour de France Auto am Start, wo de Portago mit einem Zündungsproblem ausfiel. Als Nächstes stand die Carrera Panamericana auf dem Programm, für die sich de Portago aber einen Ferrari sichern konnte, sodass er den OSCA MT4-2AD an Roberto Mieres verlieh, der ebenfalls nicht die Zielflagge sah. Nach einigen Besitzerwechseln tauchte Nummer 1.142 schließlich 1956 beim Bergrennen im schweizerischen Ollon-Villars auf, wo Robert Jenny den zweiten Platz in seiner Klasse feierte.

Weitere Renneinsätze sind wahrscheinlich, aber nicht dokumentiert, später landete das Auto in der Rosso Bianco Collection, dann bei einigen Sammlern. Schließlich wurden die Düsseldorfer Oliver Maierhofer und Marc Hoffmann auf das Auto aufmerksam, das mittlerweile teilzerlegt war. "Es gab im Prinzip das Chassis und die Karosserie sowie viele Technikteile, leider fehlte aber auch manches", erzählt Oliver Maierhofer, "das haben wir uns dann im Laufe der Jahre zusammengesucht." Insgesamt sechs Jahre dauerte die Restaurierung bei den britischen Spezialisten Hall and Hall, bis der OSCA MT4-2AD wieder im originalen Trimm von der Carrera Panamericana 1954 rennbereit war.

Einsatz bei den Classic Days

Seither hat 1.142 mehrere Einsätze problemlos absolviert, darunter die Mille Miglia und Goodwood. Vom 1. bis 3. August stehen nun die Classic Days im Kalender, und im Fahrbericht darf der OSCA MT4-2AD schon mal den Dreieckskurs vor Schloss Dyck erkunden. Kurz die beiden Weber-Doppelvergaser fluten, ein Druck auf den Starterknopf links, und der Vierzylinder trompetet los. Kurz warmlaufen lassen, Öldruck gut, also los.

Vor einigen Jahren haben Oliver Maierhofer und ich mit einem Schwesterauto dieses OSCA (Chassis 1.132) am Ein-Stunden-Rennen beim Oldtimer-Grand-Prix teilgenommen (Motor Klassik 10/2002), und ich war schon damals sehr überrascht, was man mit dem Auto vor allem bei Regen so alles anstellen kann. Auch in diesem Fahrbericht passt der Wagen perfekt, der 1,5-Liter schiebt kräftig an, und der Gangwechsel geht sogar noch leichter von der Hand, weil derzeit ein vollsynchronisiertes Getriebe montiert ist. Mit seiner auffälligen Lackierung und den selbstbewussten Lebensäußerungen gehört der OSCA MT4-2AD sicher zu den Stars bei den diesjährigen Classic Days, und er passt prima zur Maserati-Geburtstagsfeier - schließlich ist er zu 100 Prozent hergestellt von Fratelli Maserati Bologna.