Osi-Ford 20 M TS

Taunus im Couture-Kleid

Manfred Jantke, der frühere auto motor und sport-Testredakteur und Porsche-Sportchef bis 1992, fand den Osi nicht nur zwischen den Zeilen wenig aufregend. Die Diskrepanz zwischen Form und Leistung hielt er für allzu extrem. Heute ist der Osi ein begehrter exotischer Vogel in der Ford-Szene.

Osi-Ford 20 M TS, Frontansicht Foto: Archiv 6 Bilder

Er sieht aus wie 250 Stundenkilometer. Und sein Name endet verheißungsvoll auf „i“ wie Ferrari, Maserati und Lamborghini. Von der Menge bestaunt, von Autokennern belächelt, ist er eine konkurrenzlose Parkplatzattraktion und lässt bei seinem Herannahen den Tramp am Straßenrand resigniert den Arm senken – „so einer nimmt einen natürlich nicht mit.“

Osi wird vom Ansturm überrannt

Nicht Ford hat sich diese Attraktion ausgedacht, sondern die italienische Karosseriefabrik Osi in Turin. Jahrelang hatte die Firma, die mit vollem Namen Officine Stambaggi Industriali heißt, mit Karosseriebauten für fremde Auftraggeber ein Schattendasein geführt, bis sie den frechen 50.000-Mark-Look auf der Basis des Kölner Ford 20 M TS kreierte.

Jetzt ist sie erschrocken über das Echo, das diese Kombination gefunden hat, und etwas hilflos steht sie einem Ansturm deutscher Kaufinteressenten gegenüber, die die italienische Pracht nicht nur scheu betrachten, sondern wirklich fahren wollen. Das ist Osi bisher noch nicht passiert. Die Firma vergrößert zurzeit die Produktionsstätten, um mehr als sechs Osi-Ford 20 M TS pro Tag erzeugen zu können.

Die Kölner Ford-Werke machen gute Miene zum schönen Spielzeug: Sie schicken Fahrwerks- und Antriebsaggregate nach Italien, stellen für den Vertrieb des Osi-Ford 20 M TS ihr Händlernetz zur Verfügung und betreuen den Osi-Ford kundendienstmäßig wie ihr eigenes Erzeugnis. Vielleicht tun sie das nicht einmal ungern, denn das respektable Repräsentationsstück ist keine schlechte Ergänzung zum Ford-Programm.

Für einen Ford sieht der Osi unverschämt gut aus

„Für einen Ford sieht er eigentlich unverschämt gut aus“, fand ein Bewunderer am Parkplatz, und der Mann hatte zweifellos richtig gesehen. Denn die Osi-Architekten haben beim Osi-Ford 20 M TS stilistische Register gezogen, wie sie Pininfarina oder Bertone normalerweise für Ferrari-Typen ziehen: Flache Motorhaube, langes Dach mit Riesenheckfenster, ein flotter Schwung der Gürtellinie und eine freche Partie über dem hinteren Radausschnitt, dazu ein plattes Heck mit scharfer Abrisskante – es gibt Damen, die vergessen darüber die gebotene Zurückhaltung.

Dabei bewegen sich Italiener im stilistischen Grenzbereich so geschickt, dass ein derart auffallendes Auto weder puppig noch affektiert wirkt. Auch mit Kilogramm und Zentimetern gingen die Turiner in die Vollen, was zur Folge hatte, dass ihr 2+2-sitziges Coupé 35 mm länger, 86 mm breiter und rund zwei Zentner schwerer geriet als ein fünfsitziger Ford 20 M TS.

Das ergibt exklusive Proportionen, weil der Osi-Ford 20 M TS gleichzeitig 140 mm niedriger ist als die Ford-Limousine. Breitschultrig und flach, so müssen Auto-Sexbomben gebaut sein Oft hapert es bei denen mit der Verarbeitung, und manche Stylisten vergessen gar über schwungvollen Linien die Erfordernisse des Autoalltags. Mit solcher Skepsis näherten wir uns dem Osi-Ford, wurden aber angenehm überrascht: Das Auto ist geräumig, bequem und offensichtlich solide gebaut. Wir fanden üppige Platzverhältnisse vorn und die brauchbarsten Coupé-Notsitze, die wir kennen.

Nobles Interieur und ordentliche Verarbeitung

Wäre nicht die Kopffreiheit im Osi-Ford 20 M TS hinten etwas knapp bemessen, der Osi wäre ein vollwertiger Viersitzer. Der Kofferraum ist groß und zeigt sich zusammen mit der umklappbaren Rücksitzlehne jeder Gepäckmenge gewachsen.

Die sehr breite Tür des Osi-Ford 20 M TS lässt einen aber schnell ins Wageninnere gelangen, wo man in echte Ledersitze sinkt. Ein weiter Verstellbereich der Sitze und die feine stufenlose Lehnenverstellung des 20 M ermöglichen kleinen und großen Fahrern, eine angemessene Sportfahrerhaltung einzunehmen. Die Innenausstattung steht der äußeren Erscheinung nicht nach: Zwischen Holz, Leder und zahlreichen Rundinstrumenten darf man sich wiederum wie im Ferrari fühlen.

Ein Holzlenkrad, ein Ledersäckchen am kurzen Schaltstock und schöne Instrumente, die Auskunft über Fahrgeschwindigkeit, Drehzahl, Wassertemperatur, Öldruck, Tankinhalt und Uhrzeit geben – all das kann der Osi-Ford 20 M TS-Fahrer genießen. Insgesamt verraten die Anlage der Karosserie und ihre Ausstattung erstaunlich viel Routine, wie man sie bei Kleinfirmen wie Osi selten findet.

Ähnliches lässt sich auch von der Verarbeitung sagen. Die Klapperfreiheit der Karosserie des Osi-Ford 20 M TS sowie sattes Schließen der Türen und Hauben verstärken den Eindruck, dass Ford keinen windigen Schönling unter seiner Flagge segeln lässt.

Sportliche Fassade und biederes Fahrwerk bilden fatale Disharmonie

Aus Kostengründen wählte Osi für die aufreizend sportliche Karosserie mit dem Ford 20 M TS einen ganz und gar unsportlichen Unterbau. Die Ford-Teile – also Fahrwerk, Motor und Antrieb – bleiben absolut serienmäßig, was bedeutet, dass sich hinter der 250 km/h-Fassade nur 2 Liter Hubraum, 90 PS und ein simples Starrachsfahrwerk verbergen. Diese Disharmonie ist das eigentliche Problem für den Osi-Fahrer.

Es ist weniger ein technisches Problem – wie unser Dauertest (siehe Heft 10/67) bewies, ist doch gerade der Ford 20 M TS solide „bis auf die Knochen“ – als ein psychologisches: Die Frager auf dem Parkplatz, die an mindestens 12 Zylinder und 300 PS glauben, fühlen sich verkohlt, wenn er ihnen wahrheitsgemäß Auskunft gibt. Der Osi-Ford 20 M TS geht immerhin 166,5 km/h. Trotzdem kann man sie nicht überzeugen, denn für sein Auftreten ist der Osi ziemlich genau 100 km/h zu langsam. Ist er deshalb schon eine Mogelpackung?

Wer sich durch solche Spitzen nicht nervös machen lässt, der kann mit dem Coupé durchaus zufrieden sein, mindestens so zufrieden nämlich wie mit einem Ford 20 M TS. Der Osi-Ford 20 M TS vollbringt nichts Außergewöhnliches, aber er ärgert einen auch nicht. Wahrscheinlich ist er das zuverlässigste und anspruchsloseste unter den schönen Autos. Vielen wird es ohnehin genügen, wenn sie auf der Autobahn mit dem leisen Sechszylindermotor und der geräuscharmen Karosserie bequem 160 fahren können. Dabei verbrauchen sie nur 12 bis 14 Liter Benzin, und ein großer 60-Liter-Tank zwingt nur selten an die Zapfsäule.

Lieber mit 2,3 Liter

Bekanntermaßen ist der Ford-Sechszylinder im unteren Drehzahlbereich nicht sehr durchzugskräftig. Durch das höhere Gewicht beschleunigt der Osi-Ford 20 M TS noch etwas schlechter als ein normaler 20 M TS, und auch die Höchstgeschwindigkeit ist trotz scheinbar günstigeren aerodynamischen Bedingungen nur unwesentlich höher.

Von den voluminösen Gürtelreifen der Größe 185-15 und einer zirka 4 cm breiteren Spur profitiert der Osi-Ford 20 M TS übrigens spürbar in den Kurven: Auf guter Bahn erreicht das Coupé wesentlich höhere Kurvengeschwindigkeiten (Querbeschleunigung) als ein serienmäßiger Ford 20 M.

Wobei sein Eigenlenkverhalten neutral und gutmütig ist. Auf schlechten Straßen setzt die schwere, ungenügend gedämpfte Hinterachse des Osi-Ford 20 M TS einer forschen Fahrweise Grenzen. Wie der Ford so kommt auch der Osi auf langen Bodenwellen leicht ins Schwingen.

Demnächst wird der Osi-Ford 20 M TS auch mit dem 2,3-Liter-Motor und 108 PS angeboten, der zirka 175 km/h bringt. Der Preis von 14 900 Mark scheint in Anbetracht des großen und prächtigen Wagens mit reicher Luxusausstattung keineswegs überhöht zu sein. Mit einem „richtigen“ Motor und einem schnellen Fahrwerk kostet so etwas normalerweise 50.000 Mark.

Der Osi-Ford 20 M TS heute

Vielleicht verkörpert der einst kaum ernst genommene Osi-Ford 20 M TS sogar das Beste aus zwei Welten. Eine rassige italienische Karosserie, innen Leder und Holz, gepaart mit der robusten Großserientechnik des einstigen Ford-Spitzenmodells P7a. Rund 2.200 dieser Hybriden liefen vom Band, überwiegend als 2000 S.

Das Angebot heute ist knapp, Osi-Ford 20 M TS sind entweder Restaurierungsobjekte um die 5.000 Euro oder gemachte Exemplare um 20.000 Euro. Die Qualität des Neuaufbaus ist dabei entscheidend, trotz identischer Bodengruppe mit dem P7 sind Reparaturbleche generell Mangelware.

Einmal restauriert, zählt ein Osi-Ford 20 M TS zu den problemlosesten Klassikern überhaupt. Manche greifen in den Ford-Baukasten und installieren den unauffälligen 2,8-Vergaser-V6 mit 135 PS.

Preise, Clubs und Spezialisten

Classic-Car-Tax notiert den OSI-Ford 20 M TS 2000 S, Baujahr 1967, in gepflegtem Zustand mit 18.000 Euro, mäßige Exemplare mit 4.800 Euro.