Packard 120 Convertible im Fahrbericht

Ein Baby-Packard für alle

Die Luxusmarke Packard brachte 1935 mit dem 120 ein kompaktes Volumenmodell auf den Markt. Seine schlichte Schönheit und moderne Technik begeistern noch heute.

Packard 120 Convertible, Seitenansicht Foto: Jörg Künstle 25 Bilder

Dieses weinrote Packard Convertible Coupé bietet schon auf dem Parkplatz einen wunderbaren Mix aus kunstvoller Antiquität und herrlichem Spielzeug. Dass es fährt - sogar sehr kultiviert und vergleichsweise flink -, hat den Vorteil, dass man diese Skulptur im strengen Art-déco-Stil fast überallhin mitnehmen kann: wenn der stolze Besitzer zum Beispiel mit seinem Packard 120 Freunde und Verwandte besucht oder damit eine Oldtimer-Rallye bestreitet. Ganz sicher wird er dann so manchem interessierten Betrachter die vielen, oft versteckten Details seines US-amerikanischen Cabrios erklären müssen.

The Goddess of Speed weist den Weg

Da wäre als Erstes diese herrliche Kühlerfigur "The Goddess of Speed". Die Göttin der Geschwindigkeit trägt einen gläsernen Flügel und ist ein begehrtes Automobilia-Sammlerstück. Umso schöner, wenn man auch den dazugehörenden Wagen besitzt. Die Goddess darf auf einer zweigeteilten, V-förmig angepfeilten und dynamisch leicht nach hinten gekippten Kühlerfront mitreisen. Vertikale Chromstreben unterstreichen deren schlankes Hochformat.

Die daneben platzierten, mit einer Finne versehenen Chrom-Scheinwerfer im Stromlinien-Stil geben dem Cabrio eine sportliche Note. Ebenso die kompakten, tropfenförmigen Kotflügel, die unterhalb der Scheinwerfer bereits mit den Seitenteilen der lang gestreckten Motorhaube zusammengewachsen sind - der erste, zaghafte Schritt zur Ponton-Karosserie. Vergleichbare Luxus-Cabrios aus Deutschland von Maybach oder Mercedes wirken dagegen mit ihren riesigen Lampen und den elefantenohrenartigen Monster-Kotflügeln mondän und etwas altbacken.

Dazu besitzt die moderne Packard-Karosserie auch einige praktische, traditionelle Ausstattungsmerkmale wie eine herunterklappbare Gepäckbrücke und den sogenannten Schwiegermuttersitz. Die integrierte Notsitzbank bietet für zwei (kleine) Fahrgäste ordentlich Platz, ist aber sehr umständlich nur von vorn über das rechte Trittbrett zu entern. Eine runde Gummi- Tritthilfe auf dem hinteren Kotflügel weist den Weg und schont zugleich den Lack. Allerdings lässt es sich kaum vermeiden, beim Einsteigen auf das sandfarbene Sitzpolster zu treten, was bei unserem Fotofahrzeug im Concours-Zustand doch einige Hemmungen verursacht.

Der Packard-Reihenachtzylinder versteckt sich

Schließlich der obligate Blick unter die zweigeteilte Motorhaube, wo wir einen immerhin 4,6 Liter großen, 120 PS starken Reihenachtzylinder erwarten dürfen. Zunächst entdecken wir dort nur einen riesigen Luftfilter und eine Doppel-Fanfaren-Hupe, die auch hervorragend auf das Dach eines US-Trucks passen würde. Der niedrig bauende Seitenventiler mit seinen 16 stehenden Ventilen ist nämlich tief und deutlich nach hinten versetzt in das Stahlträger-Chassis eingebettet.

Während in dem konventionell aufgebauten Motor keine große Neuerungen stecken, glänzt der Packard in anderen Bereichen mit damals sehr moderner Technik, die das Fahren in einem Vorkriegs-Klassiker unkompliziert und komfortabel macht: vollsynchronisiertes Dreigang-Schaltgetriebe mit konventionellem Mittelschalthebel, hydraulische Bremsanlage, automatischer Starter-Choke und einzeln aufgehängte Vorderräder mit Schraubenfedern. Probieren wir jetzt das Ganze einfach mal aus.

Außen mächtig, innen eng wie ein Fiat 500

Zuerst steigen wir in den Wagen hinauf und lassen uns auf der angenehm straff gepolsterten Sitzbank nieder. Mit einem satten, metallischen "Klack" fällt die hinten angeschlagene Fahrertür in das Schloss. Wie bei vielen Vorkriegsautos der Luxusklasse sitzt man höher als in einem modernen SUV, sodass man sich mit Fußgängern auf Augenhöhe unterhalten kann. Das steigert ganz ungemein das eigene Selbstwertgefühl, wenn man zum Beispiel bei einer Polizeikontrolle die Wagenpapiere zeigt - bequem sitzend, während der Ordnungshüter stehen muss.

Obwohl der Packard 1,91 Meter breit und etwas über fünf Meter lang ist, bietet das nach vorn schmäler werdende Cockpit kaum mehr Platz als ein aktueller Fiat 500. Freude kommt trotzdem auf. So reicht die gemeinsame Sitzlehne fast bis zum Nacken hoch und stützt damit wirkungsvoll den gesamten Rücken. Die Augen genießen das in Wagenfarbe lackierte Armaturenblech mit dezenter, fünffacher Chromstreifen-Zier und zweimal zwei Anzeigen zur Motor-Überwachung. Ein Kilometer-Tacho mit beachtlichen 180 km/h am Skalen-Ende macht deutlich, dass wie viele andere Packard auch unser Fotofahrzeug nach Europa ausgeliefert wurde, wo es zunächst in der Benelux-Region unterwegs war.

Reihenachtzylinder zieht kraftvoll wie ein Elektromotor an

Schließlich gleicht der blaue Himmel über den Köpfen das im Verhältnis zur Fahrzeuggröße knapp geschnittene Cockpit problemlos aus. Auch der Blick nach vorn über die schmäler werdende Motorhaube und die beiden Ersatzräder hinweg zu unserer kleinen Kühler-Elfe, die am Abgrund der Wagenfront balanciert, weckt die Vorfreude auf das Packard-Fahren. Es beginnt mit einem simplen Dreh am Zündschlüssel, und der Motor nimmt fast geräuschlos seine Arbeit auf: ein tiefes, turbinenartiges Summen.

Das aus dem Fahrzeugboden sprießende Kupplungspedal lässt sich ohne großen Widerstand nach unten drücken. Auch der Schalthebel in Lkw-Größe benötigt eher eine sanfte als eine starke Hand, um die Gänge zielgenau zu sortieren. Mit nur wenig erhöhter Drehzahl rollen wir ruckfrei an und schalten bereits bei etwa 25 km/h in den zweiten, bei 50 km/h in den dritten und letzten Gang. Das weitere Beschleunigen bis auf maximal 137 km/h übernimmt dann allein der Reihenachtzylinder, der dank 305 Newtonmeter Drehmoment bei nur 1.500/min fast so kräftig und vibrationsfrei wie ein Elektromotor anzieht.

Nur die indirekte Lenkung erfordert zu Beginn der ersten Packard-Kilometern eine erhöhte Aufmerksamkeit, um das Cabrio generell auf Kurs zu halten. Auch beim Abbiegen sollte das Lenkmanöver rechtzeitig mit dem ersten Anrollen beginnen, damit Kontakte mit Straßenschildern oder ein Ausflug in die Botanik vermieden werden. Ansonsten rollt der Packard souverän und sicher durch Stadt und Land, wo er stets bewundernde Blicke auf sich zieht.

Packard ging technologisch voran

Dabei ist unser Packard 120-Cabrio, das Kenner "One Twenty" nennen, eigentlich der Packard des kleinen Mannes. Die bereits 1899 von den Gebrüdern James Ward und William Dowd Packard in Warren, Ohio, gegründete Marke galt als großer Cadillac-Rivale. Schon die ersten Packard-Modelle von 1900 und 1901 besaßen epochale Technik-Neuerungen wie das H-Schaltschema beziehungsweise das erste Lenkrad anstelle eines Lenkhebels.

Weitere Entwicklungen waren zum Beispiel der erste Serien-V12 (1915, Twin Six), generell Vierradbremsen, schrägverzahnte Differenziale (beide 1923), Klimaanlage (1940) und vieles mehr. Namhafte Spezialisten in Europa und den USA wie Erdmann & Rossi, Franay, Graber, D'Iteren, Le Baron und andere schufen attraktive Sonderkarosserien auf Packard-Basis.

Letzter Packard lief 1956 vom Band

Nach dem großen Banken-Crash in den USA entschied sich Packard für den Bau eines kompakten, preisgünstigeren Modells, das 1935 präsentiert wurde: des 120. Die Zahl stand für den Radstand, gemessen in Inches. Weil auf dem gleichen Montageband wie die großen Modelle produziert wurde, blieb auch für den 120 der hohe Qualitätsstandard erhalten. Den 120 gab es in sieben verschiedenen Karosserie-Varianten, er wurde ein großer Verkaufserfolg.

Dennoch musste Packard nach der Fusion mit Studebaker im Jahr 1950 der geballten Power von Chrysler, GM und Ford weichen: Der letzte echte Packard rollte am 25. Juni 1956 in South Bend, Indiana, vom Band. Schön, dass viele der zeitlos schönen Autos überlebt haben und uns heute ein überragendes Cabrio-Gefühl vermitteln.