Peugeot 504 TI und Renault 16 TX Fahrbericht

Charakterstarke Franzosen ab 7.500 Euro

Der eine fügte sich nicht in die Verhältnisse der Mittelklasse, der andere führte vor, wie viel Kultur und Komfort sich ihnen abringen lässt: Renault 16 TX und Peugeot 504 TI im Fahrbericht.

Peugeot 504 TI, Renault 16 TX, Frontansicht Foto: Klaus-Hardy Mutschler 10 Bilder

„Damit könnt ihr fahren bis Timbuktu“, sagt Albert Merk und meint damit seinen weißen Peugeot 504 TI von 1972. Es liegt nicht nur am Gesichtsausdruck des Manns, dass man ihm nur allzu gerne glaubt, was er da sagt.

Es liegt auch daran, dass der 504 selbst als 106 PS starker TI mit Zweilitermotor und Kugelfischer-Einspritzung nicht schnell genug war, um einen Ruf einzuholen, der ihm seit Jahrzehnten vorauseilt – nach Timbuktu unter anderem: Das Ding ist nicht kaputt zu kriegen. Und wenn, dann immer wieder irgendwie zu reparieren. Trotzdem ist das, was Albert Merk sagt, nur die halbe Wahrheit.

Peugeot baut den 504 in Afrika noch bis 2005

Die ganze ist: Mit dem Peugeot 504 käme man aus der Mitte Malis auch wieder zurück bis Altenstadt an der Iller und wäre hinterher nicht mal völlig gerädert. Weil er ja so komfortabel ist wie robust, dieser zurückhaltend elegante Wagen, den sie nach dem Produktionsstopp in Sochaux als Gebrauchten massenweise nach Afrika holten, um ihn in Nigeria sogar noch bis 2005 zu fertigen. Vier Jahre vorher erst hatte man in Kenia, China und Argentinien – dorthin sind einst die Produktionsanlagen verschifft worden – aufgehört zu bauen, was sich nach dem Muster des 504 alles zusammenfügen ließ.

Und dieses Muster war: das Beste aus einfachen Mitteln machen. Wobei einfach nicht primitiv bedeutet. In der Konstruktion des 504 bleibt Peugeot Traditionellem verhaftet, der brave Motor trägt seine Nockenwelle seitlich, öffnet sich andererseits aber auch verhalten der Moderne, etwa in Form von Schräglenkerachse, Scheibenbremsen rundum und optimierten Brennräumen im ansonsten braven Vierzylinder.

Gelungener Mix aus Funktionalität und Pragmatismus

Der Mix gelingt Peugeot so gut, dass die technische Basis auch den Nachfolger 505 noch lange Jahre tragen kann, ohne im Wesentlichen Veränderungen zu brauchen. Dabei ist es weniger Finesse als Funktionalität, weniger Chichi als ein schlichter Chic und weniger Prestige als Pragmatismus, mit denen der 504 überzeugt. Auch heute noch ist das so, weil sich das Pragmatische des 504 nicht im Profanen verliert, sondern sich mit Kultiviertheit verbindet. Daraus resultiert sein besonderer Charme, und der hat sich mit den Jahren nicht verloren, er wurde einnehmender.

Das kann am kommoden Interieur liegen oder daran, dass der Peugeot 504 einfach gut federt und gut fährt, gut liegt und gut lenkt, leise läuft und zünftig zieht. Allein der Stock der Mittelschaltung rührt ein wenig zu indifferent im Getriebe, aber dieses Laxe lassen wir der Limousine gerne als Zugeständnis ans Französische durchgehen, das eine oder andere Detail sei ihm als Zierde des Individuellen zugestanden: Die Blinkerbetätigung sitzt rechts, das Zündschloss links, der Stromkreis schließt sich mit einem Dreh nach rechts, und der Lichtschalter greift sich irgendwo hinterm dünnen, großen Lenkrad.

Renault 16 ab 7.500 Euro

Auch der Renault 16 schmückt sich mit solchen Vignetten der Eigenwilligkeit. Seine schwere gescheitelte Haube will mithilfe eines Schlüssels entriegelt werden, die Wischer setzt ein Hebel in Gang, der wie ein Stöckchen aus der Armaturentafel ragt, und selbst das Spitzenmodell Renault 16 TX, lieferbar ab 1974, möchte sich bitte am Lenkrad die fünf Gänge sortieren lassen. Das ist mithin das einzige Zugeständnis an traditionelles, um nicht zu sagen ältliches Layout, das der Renault 16 macht.

1961 war von Renault-Chef Pierre Dreyfus der Auftrag ergangen, ein neuartiges familientaugliches Fahrzeug zu entwerfen, das sich nicht in den Konzepten für einen Kompakten, einen Kombi oder eine Limousine erschöpfte, sondern idealerweise die Vorzüge der drei Klassen vereint. Das klingt nach überzogenen Erwartungen und nach Scheitern mit Ansage. Aber nur drei Prozent der Kunden meinten damals, sie würden sich den Renault 16 nicht wieder kaufen. Das zeigt, wie genau der Wagen mit der verschiebbaren und klappbaren und herausnehmbaren Rückbank nicht nur den Geist, sondern auch die Bedürfnisse seiner Zeit traf. Selbst heute ist es nicht schwer, in ihm den Avantgardisten von einst zu erkennen. Die Strenge seiner Erscheinung unterstreicht diesen Eindruck und rettete ihn über die Zeit.

Strenge Form, sanftes Wesen

Die formale Strenge entspricht allerdings so gar nicht dem Wesen des Renault 16. Vor allem der TX zeigt sich mit Zentralverriegelung und elektrischen Scheibenhebern zuvorkommend, mit seinem kräftigen und elastischen Motor richtig gut gelaunt. Amédée Gordini passte ihm einen Querstromkopf auf den Alu- Block, so dreht der Vierzylinder trotz langem Hub erstaunlich frei, und in den oberen Gängen überfällt ihn nicht das Würgen, selbst wenn die Drehzahl sich dem Leerlauflevel nähert.

Hoch und aufrecht und weich hinter steilen, eckigen Fenstern sitzend, schaukelt und wankt es sich auf nachgiebiger Drehstabfederung über geschwungene Landstraßen. Sanft ist das und besänftigend. Man könnte bis Timbuktu fahren und wieder zurück und wäre trotzdem nicht gerädert. Darin ähneln sich Peugeot 504 und Renault 16.

Das Beste: Der Spaß mit den charakterstarken Franzosen ist auch was für den schmalen Geldbeutel. Laut Classic-Analytics notieren sowohl Renault 16 TX als auch Peugeot 504 TI im Zustand 2 um die 7.500 Euro.

Fazit von Michael Orth zu Peugeot 504 und Renault 16

Man kann Peugeot 504 und Renault 16 tatsächlich ohne Baskenmütze fahren, man muss nicht immer an Rotwein denken und mit einem Stangenbrot zum Käsepicknick fahren. Abseits klischeeschwerer Allgemeinplätze zeigen 504 und R16 dann, was sie wirklich sind: unterhaltsam und mild begeisternd. Die Entscheidung für sie fällt nicht schwer, die zwischen ihnen schon.