Piaggio Ape P 501 Fahrbericht

Fleissige Biene

In Italien sind die Piaggio Ape aus dem Straßenbild nicht wegzudenken. Die Ape ist eine  Kreuzung zwischen Vespa-Roller und Lastwagen. Ohne sie würde der Lieferverkehr jenseits der Alpen heute noch brachliegen. Eine Ausfahrt in einer Piaggio P 501. 

Piaggio Ape P 501 Dreirad Foto: Hardy Mutschler 25 Bilder

Nein, aufgeben kommt nicht in Frage. Nicht jetzt und nicht hier, nicht in der Piaggio Ape. Auch wenn die rechte Hand am Gasgriff bereits zu verkrampfen droht und sich das kleine Triebwerk im Heck die Seele aus dem metallenen Leib rackert. Dennoch schleicht das Land nur wie in Zeitlupe vorbei. Tempo 35. Mehr geht nicht. Zumindest nicht bergauf.

10 PS und 360 Kilogramm Leergewicht

Der beschauliche Hügel in der oberschwäbischen Provinz wirkt auf einen Fahrer am Lenker einer Piaggio Ape (italienisch für Biene) auf einmal so einschüchternd wie die Eigernordwand auf einen Bergsteigernovizen. Dort hinauf? Unmöglich, will man meinen, wenn nur 187 cm³ und rund 10 PS zur Verfügung stehen und 360 Kilo Eigengewicht plus Faktor X für die Besatzung in Schwung gehalten werden müssen.

Der Abstecher aufs Land mutiert spätestens jetzt zur Mutprobe. Im Rückspiegel der Piaggio Ape P 501 aus dem Jahr 1980 ist bereits ein veritabler Stau auszumachen. Da hilft es wenig, dass die Linke vom vierten in den dritten Gang schaltet. Ein Kraftakt übrigens. Aber dass die Kupplung einen starken Griff benötigt, scheinen Millionen von italienischen Landwirten, Weinbauern und Handwerkern seit fast 60 Jahren tapfer zu akzeptieren.

Größtmöglicher Nutzwert für jedermann

Jenseits der Alpen sind diese urigen Bonsai-Pickups namens Piaggio Ape in ihren unzähligen Variationen nicht aus dem Straßenbild wegzudenken. Man kennt sie als mobile Eisdiele, als Taxi für bis zu sieben Personen, als Postmobil, das auch noch durch die engsten Gassen italienischer Bergdörfer flutscht. Oder als Sattelzug(!), der auf die Bezeichnung Pentaró hört. Größtmöglicher Nutzwert für jedermann – Piaggio hatte sich in der Nachkriegszeit die Mobilisierung der Massen auf die Fahnen geschrieben – die 1946 vorgestellte Vespa („Wespe“) entpuppte sich prompt als Bestseller.

Aber ein Motorroller als Basis für einen dreirädrigen Kleinlaster? Was für eine kühne Idee zwei Jahre später aus den Köpfen des Flugzeugkonstrukteurs Corradino d’Ascanio und Enrico Piaggio! Bereits ab dem ersten Produktionsjahr liefen drei unterschiedliche Ausführungen von den Bändern in Pontedera: die Piaggio Ape als Pritsche, Kastenwagen oder Rikscha. Der Fahrer saß auf einem Sattel über dem bekannten 125 cm³-Vespa-Triebwerk mit 4 PS. Einziges technisches Zugeständnis an das höhere Fahrzeuggewicht war ein zusätzlicher vierter Gang. Die Kraft wurde über zwei Ketten, die in geschlossenen Kästen liefen, an die Hinterräder vermittelt. Größere Änderungen im Lauf der Zeit? Wenige. 1955 spendierte Piaggio seinem Muli ein stärkeres (Vespa-)Triebwerk mit 150 cm³ und 5,8 PS.

Größere Änderungen im Lauf der Zeit? Nur wenige

1956 gab es für die Piaggio Ape gegen Aufpreis ein Fahrerhaus mit hinten angeschlagenen Türen und einer Sitzbank für zwei. Das Differenzial ließ sich zudem per Hebel auf Rücklauf schalten – praktisch standen somit vier Rückwärtsgänge zur Verfügung. Die Ape wurde allmählich erwachsen, avancierte mit inzwischen acht werkseitig lieferbaren Aufbauvarianten jenseits der Alpen zum Rückgrat des nationalen Lieferverkehrs. Nur in Deutschland mochte man sie nicht. Drei Räder? Das schmeckte vielen augenscheinlich zu sehr nach Verzicht. Gegen den Goggomobiltransporter oder einen „Bulli“ hatte die Piaggio Ape in den Wirtschaftswunderjahren keine Chance. Zurück auf die Straße. Weiter bergan. Meter für Meter hart erkämpft.

Dass nicht gehupt oder gedrängelt wird, ist eine klare, wenn auch späte Sympathiekundgebung. Offensichtlich erinnert der Anblick einer Piaggio Ape heutzutage an den letzten Urlaub in Italien – an gutes Essen, guten Wein, schöne Frauen. Wer für solche Gedanken sorgt, der kann kein böses Wesen haben.

Viele von denen, die entgegenkommen, verdrehen gut gelaunt die Köpfe, manche grüßen im Vorbeifahren sogar, wenn sie das unschuldig wirkende Gesicht der Piaggio Ape erblicken. Mutprobe, Teil zwei. Die erste Bergabpassage. Von der Schwerkraft getrieben, fällt das Dreirad urplötzlich in Geschwindigkeitsregionen, für die es ganz bestimmt nicht konzipiert wurde. Gefühlte 300 Sachen. In Wirklichkeit knapp über 70. Die metallene Karosserie wirkt wie ein Resonanzkörper, verstärkt den an sich harmlosen Klang des Motors, der 1967 nach hinten direkt auf die Achse wanderte, um ein Vielfaches.

Die Ape liebt Geraden – die bergab gehen

Dennoch: Der Lautstärkepegel in der Kabine der Piaggio Ape  würde selbst hart gesottene Motorsportfans anerkennend nicken lassen. So etwas kann auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben und wirft ein vollkommen neues Licht auf die Tatsache, dass man sich in Italien – und da macht die sizilianische Verwandtschaft der Ehefrau des Autors keine Ausnahme – sehr gerne sehr laut unterhält. Die erste richtige Kurve. Mutprobe, die dritte. Dieses Teil hat nur drei Räder, schießt es urplötzlich durch den Kopf. Mit so einer Konfiguration scherzt man nicht.

Im Geist sucht der Lenker bereits nach einem Bremsfallschirm für die Piaggio Ape. Oder nach einem Anker. Am besten beides, weil den drei Trommelbremsen, die allesamt durch ein Fußpedal bedient werden, eben nicht allzu viel zuzutrauen ist. Fast schon automatisch wirft man sich im nächsten Moment auf der schmalen haltlosen Bank in die kurveninnere Seite, um der Schwerkraft entgegenzuwirken. Und wessen letzte Ausfahrt auf einem Dreirad im Kindergartenalter stattfand, vollführt unweigerlich einen grandiosen Eiertanz: Verglichen mit einer Piaggio Ape bewegt sich selbst ein Kart ungefähr so träge wie ein Ozeandampfer.

Die ersehnte Gerade. Für alle Beteiligten. Endlich Platz zum Überholen, während sich die kleine Italienerin ihren Lebensraum mit dem rechten Hinterrad auf dem schmalen Standstreifen einrichtet. Gut 60 zeigt der Tacho der Piaggio Ape in der Ebene an, und Motor wie Fahrer genießen die Ruhe nach dem Sturm. Die Wege werden schmaler, führen zu verstreut liegenden Höfen im Ravensburger Umland. Dort, wo Trecker und Mähdrescher ihre Hausstrecken haben, entpuppt sich die Piaggio Ape klammheimlich als Spaßmacher. Quasi auf der Stelle wenden? Fast schon rechtwinklig abbiegen? Rückwärts im vierten Gang? Das Leben kann so schön sein, wenn man sich näher kommt, schließlich sogar Freundschaft schließt. Gut, dass man am Anfang nicht gleich aufgegeben hat.