Pontiac Trans Sport GT Fahrbericht

Der weiße Riese

Eine siebenköpfige Familie aus Backnang musste ihren ausgedienten Van ersetzen und adoptierte einen 92er Pontiac Trans Sport für 450 Euro. Wie lange wird der Spaß mit dem Exoten dauern?

Pontiac Trans Sport, Seitenansicht Foto: Hardy Mutschler 15 Bilder

Pontiac Trans Sport - Mein Gott! Was ist  das denn??!!! Ein Mars-Erkundungsfahrzeug? Ein entgleister ICE? Oder etwa der neue, große, von Dacia und Mercedes gemeinsam entwickelte Familien-Van? Zum ersten Mal ungetarnt?

Familienauto für 7 Personen mit 240.000 Kilometer für 450 Euro

Könnte doch sein: Dunkel getönte Scheiben verhindern den Blick in den Innenraum des merkwürdigen, extrem aerodynamisch gestylten Gefährts. Dort im Pontiac Trans Sport ist es sicher mit vielen technischen Messgeräten ausgerüstet, vor deren Bildschirmen zwei Red-Bull trinkende Nerds sitzen und emsig die Testfahrt-Daten auswerten.

Plötzlich fährt ruckartig die einzige Schiebetür nach hinten, und vier Kinder zwischen fünf und neun Jahren purzeln ins Freie, rappeln sich auf und rennen los in Richtung des Einkaufswagen-Parkplatz eines Supermarkts. Dann öffnen sich die beiden Vordertüren des Pontiac Trans Sport und ein junges Paar in salopper Werktags-Freizeitkleidung steigt aus der gläsernen Fahrerkanzel des langnasigen Transporters mit der geriffelten, fast rundum verlaufenden Scheuerkante, die den Riesen sogar ein bisschen wie einen Schwimmwagen wirken lässt.

Die junge Frau mit dem dunklen, dichten Lockenkopf steigt durch die Schiebetür in den Fond und kommt mit einem Baby im Sicherheits-Henkelmann wieder ans Tageslicht. Jetzt ist die Familie Bahro komplett: Sieben Mann und ein Pontiac Trans Sport, den sie vor einem Jahr mit 240.000 Kilometer auf dem Tacho für 450 Euro gekauft haben. Und sie lieben ihr Auto über alles.

Pontiac Trans Sport sorgt für staunende Blicke

Besonders Tina Bahro, die zwei Kinder in die Patchwork-Familie mitbrachte, mag den praktischen Ami: "Endlich hat jedes unserer Kinder seinen eigenen Sitz im Auto. Und die effektiv arbeitende Klimaanlage legt schon nach wenigen gefahrenen Kilometern los." Dann zählt sie weitere Pluspunkte auf: Dank Automatik und leichtgängiger Servolenkung ließe sich der knapp fünf Meter lange Riese auch gut in enge Parklücken manövrieren. Auf der Autobahn schaffe der Pontiac Trans Sport mit seinen 167 PS auch mal eine Spitze von 190 km/h. Und, was am meisten Spaß macht: "Die Leute drehen sich nach dem ungewöhnlichen Auto um und fragen schon mal, was das für einer sei. Die meisten halten den jetzt 20 Jahre alten Van sogar für ein aktuelles Modell."

Pontiac Trans Sport statt Fiat Multipla

Dabei kam er zu den Bahros wie ein armer Hund aus dem Tierheim, den eigentlich keiner mehr haben wollte. Mark Bahro wollte ursprünglich seinen Fiat Multipla von 1998, der bereits 278.000 Kilometer gelaufen war, durch das gleiche Modell ersetzen.

Der Motor des Fiat brachte keine Leistung mehr und rußte stark. Trotzdem wollte Mark wieder einen gebrauchten Multipla kaufen, denn "die vordere Dreier-Sitzbank und die schräge Optik haben uns schon immer gefallen." Also suchte Mark im Internet nach einem entsprechenden Wagen, der schließlich bei einem Gebrauchtwagen-Händler in der Nähe von Herrenberg angeboten wurde. Doch da stand auch der Pontiac Trans Sport, allerdings zusammen mit einigen Unfall-Autos in der Schrott-Abteilung.

Aus der Schrottabteilung auf die Straße

"Wir wunderten uns, denn der Pontiac sah richtig fit aus - kein Rost, keine Unfallspuren", berichtet Mark. Und er war sogar fahrbereit, weshalb man eine Probefahrt unternehmen konnte. "Wir haben unterwegs alle Funktionen gecheckt, die elektrischen Fensterheber, die Klimaanlage, den Tempomat. Alles hat funktioniert. Dann haben uns noch die vielen Ablagen und die sauberen, gut erhaltenen Sitze gefallen." Damit war der Multipla gestorben, und der Pontiac Trans Sport musste her.

Der Händler wollte für den Pontiac Trans Sport 600 Euro haben, doch man einigte sich wegen der abgefahrenen Vorderreifen auf 450 Euro. So kam die Familie Bahro in den Genuss dieses extrem modern gestylten Vans, dessen Dach und Fenster mit Ausnahme des charakteristischen Mittelbügels aus zwei riesigen Glaskuppeln zu bestehen scheinen.

Und bislang hat dieser Exote nach über einem Jahr und 15.000 gefahrenen Kilometern der Familie Bahro kaum Schwierigkeiten bereitet. Nur der Anlasser schwächelt derzeit, und im Heckbereich musste am Rahmen geschweißt werden. Hier wurde vermutlich durch einen Unfall der stählerne Spaceframe-Rahmen des Pontiac Trans Sport beschädigt. Die daraufgeschraubte Kunststoff-Karosserie ist dagegen absolut rostresistent, womit auch der gute Allgemeinzustand des Youngtimers erklärt wäre.

Der Pontiac Trans Sport stammt aus einer Ära, in der General Motors speziell mit der Marke Pontiac der Welt zeigen wollte, dass auch amerikanische Automobile hohe technische Ansprüche erfüllen können. So gab es zum Beispiel Mitte der Achtziger die kompakte Limousine Pontiac 6000, die auch mit Allrad-Antrieb lieferbar war und gegen den Audi 100 antrat, der in den USA als Audi 5000 vermarktet wurde.

Pontiac Firoo war technisches Vorbild des Trans Sport

Wesentlich bekannter ist dagegen der von 1984 bis 1988 produzierte Mittelmotor-Sportler Pontiac Fiero, der ebenfalls eine Kunststoff- Karosserie besaß und technisches Vorbild für den Pontiac Trans Sport war.

Optisches Vorbild war ein Concept Car aus dem Jahr 1986, das General Motors mit geringen Abweichungen zum Serienauto entwickelte. Der Glasanteil des Dachs wurde deutlich verringert und der Radstand verkürzt. Das war notwendig, um bereits existierende Frontantriebs-Einheiten aus verschiedenen Limousinen in die Pontiac Trans Sport-Nase transplantieren zu können. Der Space-Frame-Rahmen unter der Kunststoffhaut besteht aus galvanisiertem Stahl, wodurch der Trans Sport echte Langzeit-Qualitäten besitzt.

Im Gegensatz zum Fiero vermarktete GM den Pontiac Trans Sport auch unter den Namen anderer Divisonen, als Chevrolet Lumina APV (All Purpose Vehicle: "Vielzweck-Auto") und als Oldsmobile Silhouette. Alle drei galten in den USA als sogenannte Mini-Vans und sollten ab 1990 den erfolgreichen Chrysler/Plymouth Voyager und Dodge Caravan Konkurrenz machen, was jedoch gründlich misslang.

Pontiac Trans Sport war ein Flop

Hauptgrund war sicher das futuristische Design mit der langen, unübersichtlichen Fahrzeugnase, die dem Pontiac Trans Sport und seinen Schwestermodellen den Spitznamen "Dustbuster" bescherte. Dustbuster hießen in den USA die kleinen Hand-Staubsauger von Black & Decker mit der rundlichen Saugnase.

Auch die schwache Basis-Motorisierung des Pontiac Trans Sport mit nur 120 PS aus 3,1 Liter Hubraum bremste die Stückzahlen; den deutlich stärkeren 3,8-Liter-V6 gab es erst ab 1992. Zwei Jahre später erfolgte ein Facelift: Die Fahrzeugnase wurde um 7,6 Zentimeter verkürzt und die seitlichen Sicken mitsamt der auffallenden Taillierung etwas abgemildert.

Der erste Pontiac Trans Sport wurde von Anfang an bis zum Produktionsende 1996 auch in Europa von großen Opel-Autohäusern angeboten. Hierfür nahm GM eine eigene Vierzylinder-Variante mit Fünfgang-Schaltgetriebe ins Programm. Der einst von Oldsmobile entwickelte Vierventiler erzeugt aus 2,3 Liter Hubraum 137 PS. Der letzte Trans Sport im ICE-Design war ein umetikettierter Oldsmobile Silhouette.

In Europa gab es 1990 mit wenigen Ausnahmen noch keine unterhalb der bekannten Fiat-, Ford- und VW-Transporter angesiedelten Mini-Vans, sodass der Pontiac Trans Sport durchaus häufiger anzutreffen war. Das Bestseller-Trio und Gemeinschaftsprodukt Ford Galaxy, Seat Alhambra und VW Sharan kam erst 1996.

Vorbildliche Übersichtlichkeit

Doch jetzt wollen wir selbst einmal in den Space Shuttle steigen und wie einst Major Tom "völlig losgelöst" abheben. Zuvor bestaunen wir noch die in Griffnähe zum Lenkrad platzierten Schalter und Hebel, was groß in Mode war, damit man beim Einschalten der Scheibenwischer nicht gleich mit dem Pontiac Trans Sport in den Graben fuhr. Das Zweispeichen-Lenkrad mit dickem Lederkranz rechtfertigt den Namenszusatz "GT". Weniger jedoch der Blick nach vorn in die riesige Glaskuppel, unter der ohne weiteres zwei Kinder auf dem Parkplatz ihren Mittagsschlaf halten könnten.

Trotzdem ein dickes Lob: Im Gegensatz zu aktuellen Vans und auch vielen Kompaktwagen stören im Pontiac Trans Sport keine dicken A-Säulen den Blick nach draußen und auf die Straße, die dort irgendwo unter der langen Pontiac-Nase verlaufen müsste. Nach alter US-Tradition ziehen wir an der Lenksäule den Automatik-Wählhebel nach unten, geben etwas Gas und heben vorsichtig ab. Dass wir uns nicht in einem Raumschiff befinden, merken wir an den sanften Roll- und Stampfbewegen, die der Pontiac in Kurven sowie beim Beschleunigen und Bremsen produziert.

Fahren im Pontiac Trans Sport ist eine Mords-Gaudi

Immerhin reichen die 167 PS des 3,8-Liter-V6 und die standfesten Bremsen dazu aus, regelrechte Sturmfahrten zu entfachen, was bei den Kindern in ihren Velours-Einzelsitzen Schreie des Entzückens auslöst. Fahren im Pontiac Trans Sport ist eine Mords-Gaudi. Doch wer bezahlt den Spaß - Verbrauch etwa 14 Liter - an der Tankstelle? Besitzer Bahro klärt auf: "Wir tanken E 85, den Biosprit. Da kostet ein Liter um 1,20 Euro. E 85 kann ich beim Pontiac Trans Sport im Verhältnis 3:2 mit E 10 mischen."

So bleibt der weiße Ami-Van ein kalkulierbares Vergnügen, wenn die Technik die nächsten 240.000 Kilometer ohne Mucken mitmacht.