Porsche 356 C und Porsche 911 T 2.4 Fahrbericht

Die Qual der Wahl - Porsche 356 oder 911?

Porsche 356 und 911, zwei Kultfiguren im Sportwagenuniversum mit verschieden intensivem Charisma. Doch Ausstrahlung allein genügt als Kaufkriterium nicht. Erst wer ihre Qualitäten erfasst, weiß, wofür er sich entscheiden muss.

Porsche 356 C, Porsche 911 T 2.4, Heckansicht Foto: Arturo Rivas 14 Bilder

Die Beliebtheit von allen möglichen im Internet präsentierten Dingen wird über Klicks definiert. Ginge es dabei um frühe Porsche 911, würde die Auswertungssoftware mit dem Zählen der "Gefällt mir"-Klicks nicht mehr nachkommen. Nicht von ungefähr haben in der letzten Zeit die bis 1973 gebauten 911 mit der klar gezeichneten, zierlichen Ur-Karosserie kräftig an Wert zugelegt.

Elfer-Porsche ist Everybody's Darling

Die Gründe für die Rolle der klassischen Porsche 911 als Everybody's Darling sind vielschichtig. "Die Wagen sprechen eine große Allgemeinheit an, weil mit ihnen Begriffe wie Lifestyle und Prestige verbunden sind", erklärt Porsche-Spezialist Ingo Stimming aus Bad Segeberg. "Das 911-Gefühl wurde über Generationen transportiert und ist heute dank der aktuellen Elfer noch lebendig", ergänzt er, und: "Selbst bei denen, die nur neue Autos fahren, springt der Funke über, wenn sie sich in einen alten Elfer setzen."

Das stimmt. Es muss keiner von der historischen Bedeutung oder den sportlichen Erfolgen dieser Autos wissen, um ihrer Faszination zu erliegen. Okay, der Porsche 911 ist ein Sportwagen, das ist wohl jedem klar, und schon steht die erste Überraschung an: Das Einsteigen artet nicht in Turnübungen aus, und man liegt nach dem Angurten nicht hinterm Lenkrad wie das Opfer einer Bondage-Übung, sondern sitzt entspannt aufrecht.

Der 911 ist eine Fahrmaschine

Die nächste Überraschung: die überall spürbare Zweckmäßigkeit. Der Fahrer eines Porsche 911  genießt nach vorn und zur Seite eine bemerkenswert gute Sicht, die großen Instrumente im schnörkellosen Instrumentenbrett liegen perfekt im Blickfeld, und es bedarf keinerlei Verrenkungen, um an den Schalthebel zu gelangen. Selbst ein Laie bemerkt, dass hier alles optimiert wurde, was zum Fahren eines Autos nötig ist. Na ja, fast alles.

Wer mit einem klassischen Porsche 911 schon eine Weile zusammenlebt, der stößt schon auf die eine oder andere kritikwürdige Eigenschaft. Als da wären die nicht in allen Belangen befriedigende Heizung, die im Lenkrad als Stöße spürbaren Fahrbahnunebenheiten, die mangelnde Richtungsstabilität auf unebener Fahrbahn oder die Schaltbarkeit der 915-Getriebe, die zusammen mit den 2,4-Liter-Modellen im Modelljahr 1972 eingeführt wurden.

Eigenheiten der 915-Getriebe

Die mit vier oder fünf Vorwärtsgängen lieferbaren Getriebe waren für höhere Drehmomente ausgelegt und boten ein anderes Schaltschema. Die damaligen Tester bemängelten die Schwergängigkeit und die geringere Exaktheit der Schaltung, wobei sich heute auch der lange Schalthebel vieler 901-Getriebe nicht mehr so exakt führen lässt, weil alles schlichtweg ausgeleiert ist.

Doch die Porsche 911-Besitzer nehmen das ihrem Auto nicht übel, nach wenigen Metern Fahrt ist alles vergessen. Wenn sie mit dem links des Lenkrads angeordneten Zündschlüssel den Sechszylinder-Boxer im Heck aktivieren, sind all ihre Sinne sensibilisiert. Ein alter Elfer ist eine Fahrmaschine und will Aufmerksamkeit, dafür garantiert er ein pures, ungefiltertes Fahrerlebnis, mit servolosem Lenken und Bremsen und einer berauschenden Geräuschkulisse.

Speziell eine am frühen Morgen in einer engen Häuserschlucht gestartete Zweiliter-Version reduziert die Langschläfer unter den Anwohnern drastisch. Doch trotz Porsches Bemühungen, das Geräusch im Zuge der Modellentwicklung des 911 einzudämmen, bleibt bei den 2,4-Litern von dem giftigen Kreischen und dem Gebläseheulen noch genug übrig, um einen Hauch Rennatmosphäre zu spüren. Begleitet von diesem Konzert ist es eine Wonne, das Temperament des Motors auszukosten, und man ist begeistert, wie exakt sich so ein altes Auto dirigieren und wie schnell sich damit durch die Kurven pflügen lässt, selbst wenn man sie mit einem gewissen Respekt angeht.

Gerne werden Geschichten von plötzlich ausbrechenden Hecks in Elfer-Kreisen zum Besten gegeben, was besonders die bis Juli 1968 gebauten Versionen mit kurzem Radstand betrifft. Breitere Reifen schieben die Schrecksekunden etwas weiter hinaus. Der hier gezeigte 72er Porsche 911 T liegt am besten mit den als Extra lieferbaren Stabis vorn und hinten, was ihn allerdings härter macht, und einem Frontspoiler.

Der 911 T ist am günstigsten

Das T-Modell spielte ab 1967 die Rolle des Einsteiger-911 und besaß den schwächsten Motor. Bei den 2,4-Liter-Versionen waren das 130 PS (140 PS in US-Version), womit der Porsche 911 aber keineswegs langsam ist. Dafür gibt es dieses Modell günstiger als die begehrten 911 S, obwohl 70.000 bis 80.000 Euro für ein sehr gutes Original auch nicht gerade wenig sind.

Angesichts der gestiegenen Preise für die alten Porsche 911 schielt der eine oder andere auf die Porsche-Generation davor. Stagnieren nicht in letzter Zeit zumindest für die Standard-Coupés 356 B und 356 C die Preise? "Nein", widerspricht Porsche-Händler Ande Votteler aus Balingen. Dies betreffe höchstens die vielen in nur mäßigem Zustand befindlichen Exemplare, für supergute 356 C würden heute weit über 100.000 Euro gezahlt. "Aber zurzeit sind Autos dieser Qualität kaum zu finden", sagt er. Doch ist so ein Porsche 356 überhaupt eine ernst zu nehmende Alternative zum verführerischen 911? Zumindest jüngere Klassik-Fans schütteln im ersten Moment den Kopf.

Im Porsche 356 ist der 911 spürbar

Die deutlich rundere Karosserie mit der schmalen Spur wirkt auf sie weniger attraktiv. Doch diese aus optischen Gründen gefällte Entscheidung gerät bei einem intensiveren Kontakt mit dem Porsche 356 sehr schnell ins Wanken. Denn genau wie der 911 ist der 356 ein hervorragender Sportwagen mit Alltagsqualitäten, nur eben ein wenig älter. Daran lässt der Innenraum keinen Zweifel, mit seinem blechernen, eher nüchtern bestückten Armaturenbrett. Das gegenüber dem 911 engere Raumgefühl, der Schulterschluss zur Tür und die kleinen Scheiben, die in Verbindung mit der hohen Gürtellinie eine Atmosphäre der Geborgenheit schaffen, weisen ebenfalls auf die 50er-Jahre hin.

Umso erstaunlicher ist, wie es schon damals den Porsche-Ingenieuren gelang, dass sich der Fahrer sofort mit dem außerordentlich solide wirkenden Wagen verwachsen fühlt. Porsche hat ein Händchen für das Schneidern von Maßanzügen für Sportwagenfahrer. Die Sitze des Porsche 356 sind bequem. Die Pedale, das Lenkrad, der Schalthebel, alles sitzt am richtigen Platz.

Einzigartige Akustrik im Porsche 356

Eine weitere Besonderheit: Einem Porsche 356 vertraut man sofort wie seinem besten Freund, und daran ist das an den VW Käfer erinnernde Motorgeräusch nicht ganz unschuldig, das nach dem Start das hintere Abteil erfüllt. Doch die Käfer-Akustik dominiert nur im Leerlauf-Tuckern und in den unteren Drehzahlbereichen. Gibt man etwas mehr Gas, zeigt sich der 1,6-Liter-Vierzylinder von seiner aggressiven Seite.

Der nur 935 Kilo wiegende Porsche 356 C lässt sich mit 75 PS sehr zügig bewegen, und der 356-Novize gerät ins Staunen. Das Auto ist handlich, wendig, folgt minimalen Lenkbewegungen und durcheilt Kurven schnell, sicher und ohne Seitenneigung. In diesem 356 C, der ab 1963 zu haben war, steckt mehr 911 als vermutet, erst recht, wenn es sich um einen SC mit 95 PS handelt.

Plötzlich erscheint der 356 in einem ganz anderen Licht. Und hätte jeder die Chance, die Qualitäten eines 356 zu erfahren, wären die Folgen einer Beliebtheitsumfrage im Internet klar: klick, klick, klick …

Fazit von Bernd Woytal

Wie lautet die Definition für einen alltagstauglichen Sportwagen? Porsche hat diese Frage schon mehrfach beantwortet. In den 50er-Jahren hieß die Antwort 356, später 911. Mit dem klassischen Elfer ist mittlerweile ein derart großes Netz an Emotionen verknüpft, dass sich fast jeder darin verfängt. Dabei weiß auch ein 356 zu fesseln, eine kurze Probefahrt genügt.

Die Alternative: Porsche Carrera 993

Der modernste Porsche 911 mit der traditionellen und von Puristen geschätzten Luftkühlung ist der 993, den es ab Oktober 1993 zu kaufen gab. Welchen Stellenwert diese Autos mittlerweile haben, zeigt ein Blick auf die Preise. Für die jüngsten Carrera Coupés als C2 mit deutlich unter 50.000 Kilometern auf der Uhr werden zwischen 70.000 und 80.000 Euro aufgerufen.

Auch wenn dieser Elfer deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringt als die Urmodelle und sich im Umgang weitaus gesitteter verhält, erzeugt das Fahren die von seinen Vorfahren her bekannten Suchtgefühle. Wer dem anfangs 272 PS (später 285 PS) starken Sechszylinder-Boxer die Sporen gibt, möchte so schnell nicht wieder aussteigen. Gegenüber seinem Vorgänger, dem 964, trumpft der Porsche 993 nicht nur mit mehr Leistung auf, sondern mit einer um 20 Prozent torsionssteiferen Karosserie und einer neu konzipierten Mehrlenkerhinterachse, die für mehr Fahrsicherheit sorgt. Ein etwas größerer Kofferraum erhöht die Alltagstauglichkeit, und der hydraulische Ventilspielausgleich des Motors reduziert die Wartungskosten. Doch das Wichtigste: Er macht Spaß.