Porsche 911

Sportlicher Dreiklang - Targa, Turbo und Carrera

Drei Mal Porsche 911: Targa, Turbo und Carrera sind die essentiellen Substanzen des Porsche-Mythos. Namen voller Kraft und Magie wie keine andere Typenformel. Ein junger, wilder 2.2 Liter Targa, ein brutaler 3.3 Liter Turbo und ein graziles Carrera Cabriolet zeigen die vielen Gesichter des 911.

Foto: Hardy Mutschler 40 Bilder

Beim Elfer ist vieles anders - das macht ihn so reizvoll

Es fällt schwer, ihn mit anderen Sportwagen zu vergleichen, vielleicht noch mit dem Jaguar E-Type, eine ähnlich charismatische Sportwagen-Diva. Aber der Porsche 911 kann mehr. Wie in einem perfekten Rollenspiel tritt er gleichzeitig als Targa, Turbo und Carrera auf. Später als Porsche 911 SC, 911 Carrera und 911 Turbo sogar in drei Karosserievarianten. Als Coupé, Targa oder Cabriolet. Selbst der Speedster flirtete am Schluss der G-Serie mit dem Porsche 911. Manche meinen gar, der Porsche 911 sei beides, Sportwagen und Gran Turismo, weil man mit ihm schnell und entspannt lange Strecken fährt. Seine aufregende, aber trotzdem harmonische Karosserielinie ist mindestens so einzigartig wie der süchtig machende Motor. Sie ist eine perfekte Synthese aus Ästhetik und Aerodynamik und verhält sich kongenial zum Triebwerk. Der luftgekühlte Sechszylinder-Boxermotor im Heck klingt unnachahmlich gut und giert nach dem Ölaufwärmen geradezu drehzahlhungrig nach einem zügellosen Ausritt am Rande des Begrenzers.

Je nach Drehzahl inszeniert er ein Feuerwerk unterschiedlicher Tonlagen, vom tiefen Grummeln bis zum hellen Kreischen. Sein furioser Sound inspiriert und animiert den ambitionierten Fahrer. Der Porsche 911 ist unsterblich, seit 1963 gibt es ihn, nunmehr als 997 in der elften Generation. Bei den frühen Zweilitern unterscheiden wir noch einmal zwischen ganz kurzem (A-Serie: 2.211 mm) und kurzem (B-Serie ab 1968: 2.268 mm) Radstand.

Eine andere, emotionalere Welt

Sein konstruktiver Aufwand mit der geschmiedeten achtfach gleitgelagerten Kurbelwelle, dem zweiteiligen Leichtmetall-Motorgehäuse, den beiden oben liegenden Nockenwellen, den natriumgekühlten Auslassventilen und der Trockensumpfschmierung sucht seinesgleichen. Gekrönt wird der aufwendige Stuttgarter Maschinenbau vor der mechanischen Einspritz-Ära mit Stempelpumpe von zwei Dreifachvergasern, ob Solex, Weber oder Zenith.

Wer in den wohl typischsten aller Porsche einsteigt, betritt eine andere, emotionalere Welt des Autofahrens. Denn auch in vielen Details gibt sich der Porsche 911 betont eigenwillig, ja beinahe kapriziös, eine Mischung aus kühler Funktionalität und verspielter Technikverliebtheit seiner ambitionierten Macher. Das Zündschloss sitzt links neben der Lenksäule, die Pedale sind stehend statt hängend angeordnet, und das Lenkrad steht sehr steil. Trotzdem genießt man im Porsche 911 eine angenehme Sitzposition, und das ungewohnte Spiel mit der Pedalerie entfacht einen geradezu sinnlichen Reiz. Der Porsche 911 ist vorne erstaunlich geräumig, bietet reichlich Innenbreite und eine gute Sicht nach vorne auf die beiden hübschen Scheinwerferhügel. Nur die großen Radkästen stören ab Schuhgröße 43. Die seltsam geformten Sitze mit den hohen Lehnen samt integrierter Kopfstützen sehen zwar spießig nach VW 1600 Variant aus, geben aber guten Halt.

Brauchen Beachtung und Pflege: Die Boxer-Herzen

Die Porsche 911-Saugmotoren von Modelljahr 1972 bis Modelljahr 1981, also 2,4-Liter, 2,7-Liter und der 3,0-Liter bis zur 204 PS starken SC-Variante, geben sich mit Normalbenzin zufrieden. Der Ölstand wird bei betriebswarmem Schmierstoff und laufendem Motor per Peilstab gemessen. Tribut an die Trockensumpfschmierung mit separatem Öltank, die einen Teil des Vorrats erst in den Motor pumpen muss. Aber das so anspruchsvoll konstruierte Triebwerk mag im Sommer am liebsten simples HD-Einbereichsöl SAE 30, auf keinen Fall sollte man ihm vollsynthetische Hightech-Öle servieren. Ein Segen, dass beim 3,2-Liter-Motor die vorher so anfälligen Kettenspanner nun in den Hauptstrom der Druckumlaufschmierung integriert sind. Vorher bekamen sie nur ein paar Tropfen Überlauföl ab.

Die späteren Porsche 911-Motoren sind längst keine hitzköpfigen Drehorgeln mehr. Das beträchtliche Hubraumwachstum verbesserte die Standfestigkeit und senkte das Drehzahlniveau. Beim zahmen Dreiliter Porsche 911 SC mit 180 PS beginnt der rote Bereich beispielsweise schon bei 6.200/min, selbst ein Audi 80 schaffte das damals locker. Generell gelten bei den großvolumigen Saugmotoren maximal zulässige Höchstdrehzahlen von 6.250 bis 7.000/min. Sogar das unterschwellige Getrieberasseln beim Beschleunigen aus niedriger Drehzahl gefällt uns am Porsche 911. Es ist so typisch für ihn wie die geschmiedeten Fuchs-Räder und gibt keinen Anlass zur Besorgnis. Der Fünfte hat bei allen Porsche 911-Typen Schongangcharakteristik. Beim Touring-Modell kostete er noch Aufpreis. Zum Standard gehörte das Fünfganggetriebe erst wieder beim Zwittermodell Porsche 911 SC von 1978.

Überhaupt ist die Schaltung des Porsche 911 für einen schnellen Sportwagen nicht besonders präzise. Die Wege sind lang und indifferent. Beim schnellen Schalten sperrt sich die Synchronisation (System Porsche) ganz leicht, aber spürbar. Gerade der blutorange 2.2 Liter Targa mit dem 905er Fünfgang-Schaltgetriebe mag eine Portion Zwischengas beim Herunterschalten in den zweiten Gang. Das Schaltschema ist hier noch anders, der Erste liegt ganz nach Sportgetriebemanier links hinten neben der gemeinsamen Schaltgasse vom zweiten und vom dritten Gang. Das Ensemble der fünf herrlichen Rundinstrumente mit dem großen Drehzahlmesser in der Mitte gehört zum Flair des Porsche 911. So grüßt der Motor den Fahrer aus der Ferne, teilt ihm mit, ob er sich wohlfühlt oder nicht.

Targa in Minimalausstattung = maximaler Fahrspaß

Der Porsche 911 Targa trägt selbstbewusst schwarze Kunstlederbezüge, kein Leder. Thomas Link, 44, mag es nun mal gerne original. Der Architekt aus Balingen, der Industriebauten entwirft, ist seit rund 15 Jahren Porsche 911-Fan und erfüllte sich mit dem 2.2 Liter Targa einen lange gehegten Traum. Der Purist verehrt die frühen Porsche 911 bis 1973, dieses Exemplar ist weitgehend unrestauriert und war lange in Familienbesitz. Diskretes Colorglas, grün getönt und Fünfgang, mehr gibt es nicht.

Die Vorbesitzer verzichteten damals bei ihrem Porsche 911 sogar auf ein Autoradio und leider auch auf die herrlich filigranen Schriftzüge am Heck in dezentem Gold. Der braven Motoroptik half Thomas Link mit Sportluftfiltern auf die Sprünge. Eine Edelstahl-Auspuffanlage sorgt für eine schärfere Tonlage des Sechszylinder- Boxers, der im Porsche 911 2.2 T und 2.4 T noch mit Graugusszylindern operiert, die Biral-Zylinder aus Aluminium mit Graugussbuchsen blieben dem E und S vorbehalten. Der 2,2-Liter verwendete aus Gewichtsgründen übrigens ein Magnesiumgehäuse. Porsche führte es 1968 mit der B-Serie ein und stellte erst beim Dreilitermotor wieder auf leichter beherrschbaren Alu-Druckguss um. Es hält besser dicht und verzieht sich nicht.

Link fährt seinen Porsche 911 Targa mit maximal 4.000/min behutsam warm, wartet, bis der Ölvorrat auf über 80 Grad erhitzt ist. Die Nadel des Ölthermometers wandert langsam zwischen 80 und 100, verharrt dort schließlich. Dann gibt er Gas, bleibt beim Schalten knapp unter der 6.000er-Marke und freut sich, dass es in dem Kurvengeschlängel auf der Schwäbischen Alb so richtig vorwärts geht. Der kräftige Schub nach jedem Schaltvorgang wird von einem dumpfen Brüllen aus dem Heck des Porsche 911 begleitet, das sich in wenigen Sekunden zu einem heiseren Kreischen steigert.

"Man muss beileibe keine ONS-Fahrerlizenz in der Tasche haben, um einen frühen Porsche 911 zu beherrschen, aber ein bisschen Autofahren sollte man schon können. Es spüren, wenn der Wagen in einer zu schnell gefahrenen Kurve mit dem Heck herumkommt, um ihn dann mit sanftem Gegenlenken wieder auf Kurs zu bringen", erklärt Link und lässt keinen Zweifel daran, dass er sein Auto beherrscht.

Über-Porsche: Der 3,3-Liter-Turbo

Der Porsche 911 3.3 Liter Turbo ist Felsgrün. Das ist eigentlich eine ideale Tarnfarbe, trotzdem wirkt er neben Porsche 911 2.2 Targa und Carrera 3.2 Cabriolet wie ein überlebensgroßer Titan. Der Heckflügel trägt unheimlich auf. Zusammen mit den turbotypischen Kotflügelverbreiterungen und den üppigen Schwellerverkleidungen entsteht die magische Präsenz eines Supercars. Der Turbo spielte stets die Rolle des Über-Porsche 911. Grob formuliert ist er doppelt so teuer, doppelt so leistungsfähig, aber auch doppelt so kostspielig wie die asketischen Basismodelle des Porsche 911, die auf kurvigen Strecken agiler sind und damit mehr Fahrspaß vermitteln.

Der Porsche 911 Turbo gehört auf den Boulevard oder auf die Viertelmeile, seine Welt ist die endlos lange Gerade, die er mit Top-Speed 260 km/h verkürzt. Der Turbo läuft besser geradeaus und ist bei hohem Tempo deutlich leiser als der Carrera. Die originalen Schwellerverkleidungen sorgen für mehr Anpressdruck bei hohem Tempo, arbeiten aerodynamisch Hand in Hand mit Front und Heckspoiler. Innen trägt der Turbo schilffarbiges feinstes Leder, Ton in Ton zum Lack. Das edel ausstaffierte Interieur macht klar, dass der Turbo vor allem auch ein Luxus-Porsche 911 ist.

"Rund 150.000 Mark hat das Auto Anfang 1987 neu gekostet", sagt Erwin Hermann nicht ohne Stolz. Kürzlich hat der Diplom-Kaufmann den Porsche 911 von einem Klinikarzt erworben, aus erster Hand mit nur 46.000 Kilometer auf dem Tacho. "Ich wollte immer nur den 3,3-Liter-Turbo, neben dem utopischen 959 ist er für mich der Porsche 911 in seiner extremsten Form", schwärmt der 53-jährige Schraubenfabrikant aus Balingen. "Allein die Daten imponieren mir, 300 PS, 440 Newtonmeter. Der Porsche 911 Turbo beschleunigt wie ein Superbike und verzögert wie ein Jet, dank der Bremsanlage vom Porsche 917", freut sich Hermann.

Er mag müheloses Schnellfahren, dafür reicht auch ein Porsche 928, aber das ist nun mal kein Porsche 911. Bei den Fahrten ist der Porsche 911 Turbo selbst im Kurvenlabyrinth am Heuberg der Schnellste, weil er auf der Geraden mächtig aufdreht und weil Porsche ihm trotz aller Kraftmeierei das Leichtfüßige des Porsche 911 nicht genommen hat. Vier Gänge reichen bei der Flutwelle von Drehmoment, die es nach jedem Schaltvorgang zu bändigen gilt. Sein bulliger Sound ist eine Oktave tiefer als das metallische Sägen des Porsche 911 Targa. Keine Frage, der Turbo weckt das Tier im Porsche 911.

Cabrio in klassischer Designerkombination

Das sanfte Porsche 911 Carrera 3.2 Cabriolet fristet ein Schattendasein im Trio. Es liegt nicht an den Fahrkünsten von Christoph Schlagenhauf, 38, dem Inhaber des Porsche-Restaurierungsbetriebs Boxer-Motor in Balingen. Es liegt an der Farbe. Schwarz steht dem Wagen nicht besonders, weil schwarz die vielen dunklen Partien der Karosserie, einschließlich Verdeck, schluckt. Das perlweiße Lederinterieur reißt es als Kontrast nicht raus. Es ist eine Designerkombination - so gewollt anders hätte sich Jil Sander 1986 ihr Carrera Cabriolet bestellen können.

Es ist dieser leicht feminine Touch, der das Porsche 911 Cabriolet beim Fahren umweht, ein schönes Open-Air-Erlebnis, das die Lust auf Schnellfahren nicht gerade weckt. Friedlich grummelt der gezähmte 3,2-Liter-Boxer bei 2.500/min im Heck. Die Tachonadel pendelt irgendwo zwischen 80 und 100 km/h. Jetzt wäre es an der Zeit, die Simply Red-Kassette einzuschieben und auf schönen Nebenstrecken Richtung Schwarzwald zu fahren. Das Porsche 911 Cabrio ist gefühlsmäßig von der milden Sorte, man unterschätzt es leicht. 231 PS sind mehr als im legendären Carrera 2.7 RS. Wir genießen die überragende Laufkultur des 3,2-Liter und staunen, zu welch hoher Perfektion der Porsche 911 reifte.