Rekordfahrzeug im Museum of Speed Pendine

Babs hat einen 27 Liter-V12 mit 600 PS

Im Süden von Wales steht an einem ganz besonderen Ort im eigens dafür gebauten Museum of Speed ein ganz besonderes Auto namens Babs. Mit ihr machte sich John Godfrey Parry Thomas Mitte der 1920er am endlosen Strand von Pendine auf die Jagd nach seinem größten Traum.

Rekordfahrzeug, Babs, Heckansicht Foto: Michael Orth 6 Bilder

Die Straße, die herführt, ist nicht mehr als ein besserer Feldweg. Auf welligem Asphalt geht es eng durch hohe Hecken zu einem Ort, der nur aus ein paar hellen Häusern besteht, die sich am Hang verteilen. Und doch ist dieser kleine Ort im Süden von Wales einer der ganz großen in der Geschichte der Geschwindigkeitsrekorde. Deren bekannteste Meilensteine mögen woanders gesetzt worden sein, in Daytona Beach oder den Salt Flats von Bonneville. Aber eines der dramatischsten Kapitel in der Geschichte des Land Speed Racing spielt genau hier, wo die schmale Straße eine Linkskurve macht, wo das "Beach Hotel" steht und wo sich vor dem Dorf der Strand Pendine Sands erstreckt, sieben Meilen weit. Wer nach Pendine kommt, kommt wegen des Strands, damals wie heute.

Parry Thomas will eigenen Rekord verbessern

Der riesige Kerl, der dort im Oktober 1925 aus seinem Auto steigt, mehr als zwei Meter groß ist er, kommt nicht, um zu baden. Als er mit schweren Schritten zum Strand runtergeht, zündet er sich mit einer Zigarette die nächste an. Hier würde es sich zeigen: ob er mutig und sein Auto schnell genug wäre. Beide waren sie es. Aber nicht auf Anhieb.

John Godfrey Parry Thomas bleibt 1925 ein paar Tage in Pendine. Er wohnt im "Beach Hotel" und schraubt im Schuppen nebenan - er beherbergt heute den kleinen Pit-Stop-Market - an seinem Wagen. Schließlich, enttäuscht und frustriert, reist er wieder ab. Das Wetter stand gegen ihn und einen Versuch, sich den Geschwindigkeitsrekord wieder zu holen.

Den hatte der Mann, den seine Freunde Tommy nannten, am 26. Juni des Vorjahres selbst aufgestellt. In Brooklands war er in einem gechoppten Leyland Eight, einem Wagen, den er als Chefkonstrukteur von Leyland persönlich entworfen hatte, mit 129,73 mph über die fliegende Meile gedonnert. Nur gut zwei Monate später aber fährt Malcolm Campbell in seinem Sunbeam Blue Bird über die Meile 146,16 mph. Am Strand von Pendine. Und genau dort schraubt Campbell im Blue Bird die Marke im Jahr darauf auf 150,87 mph.

V12-Flugmotor mit 27 Litern Hubraum

Parry Thomas hatte unterdessen ein Auto gekauft, das heute dort gezeigt wird, wo Triumph und Tragödie einst zusammenfielen. Einen Steinwurf nur von Strand und "Beach Hotel" entfernt, steht Babs, lang gestreckt und wie ihr einstiger Fahrer von überwältigend wuchtiger Präsenz, im Pendine Museum of Speed. Durch die verglaste Art-déco-Fassade fällt das Gegenlicht, aus dem Getriebe immer wieder mal ein Tropfen Öl auf den schwarz-weiß gekachelten Boden.

Kurz ragen rechts und links sechs Krümmerstummel unter Babs' Haube hervor, darüber stehen ölige Ventilfedern, die so immens dimensioniert sind wie der ganze Liberty-V-12-Flugmotor mit seinen 27 Litern Hubraum. "Einer der Mechaniker hatte auf den Motor 'Baby' geschrieben", erinnerte sich Parry Thomas auf die Frage nach dem Namen des Autos. "Ich war so amüsiert davon, dass ein solches Monster von Motor Baby heißen sollte, dass ich beschloss, den Namen leicht abzuwandeln und das Auto so zu taufen. Und es stimmt: Babs ist mein Baby."

Sein Baby hatte ihn angeblich 125 Pfund gekostet, leistete um die 600 PS und erfüllte Parry Thomas am 27. April 1926 seinen sehnlichsten Wunsch: den nach dem Geschwindigkeitsrekord. Für den fliegenden Kilometer jagten Tommy und Babs 169,3 mph schnell über den Sand von Pendine. 171,02 Meilen die Stunde waren es nach nächtlichen Einstellarbeiten an den Vergasern am nächsten Tag.

42 Jahre im Sandgrab

Der Rekord hielt nicht mal ein Jahr. Wieder ist es Malcolm Campbell, der ihn am 4. Februar 1927 bricht, und wieder gelingt ihm das am Strand von Pendine – in einem Napier Blue Bird. 174,88 Meilen pro Stunde zeigt die polierte Gedenktafel, die sie am "Beach Hotel", dem ehemaligen Hauptquartier aller Geschwindigkeitsjäger, aufgehängt haben.

Dort sitzen über Mittag diejenigen im Pub, denen es am Strand zu trocken ist, und halten sich an Bier und Cider und den guten alten Zeiten fest. Wie überall dort, wo keine besseren nachkamen, sind sie in Pendine noch immer präsent. Kaum ein Bild im Pub, das nicht eines der Autos zeigt. Eine der Aufnahmen ist vom 3. März 1927. Um halb eins hatte Babs sich eine Weile warm laufen dürfen, bevor der übel vergrippte Parry Thomas sie auf die kurze Abfahrt zum Strand hinuntersteuerte, um trotz mäßiger Bedingungen in den Tagen zuvor noch mal einen Angriff auf den Rekord zu wagen. Er könne einfach "nicht widerstehen, sich den Rekord zurückzuholen", hatte Parry Thomas den Reportern zuvor gestanden.

Tragisches Ende beim Rekordversuch

Nach ein bisschen Zuwendung läuft Babs prächtig. Mit beeindruckendem Tempo, Augenzeugen munkeln was von sicher 180 Meilen die Stunde, hält der Wagen auf den Messpunkt zu, als er plötzlich zu schlingern beginnt, schleudert, sich zweimal überschlägt und schließlich, die Front zum Meer gedreht, brennend zum Stehen kommt, John Godfrey Parry Thomas noch immer hinterm Steuer. Er ist der erste Mensch, den die Jagd nach dem Geschwindigkeitsrekord das Leben kostet.

Vermutlich war eine gebrochene Speiche hinten rechts in den Kettenantrieb geraten und hatte Babs aus der Spur gebracht. Mit einem Traktor ziehen Tommys Freunde das Auto vom Strand in die Dünen und begraben es dort wenig später. Parry Thomas wird in Byfleet, Surrey, in der Nähe der Brooklands- Rennstrecke beigesetzt. Babs ruht 42 Jahre im Sand von Pendine, bis ein Professor vom Bangor Technical College das Wrack ausgraben darf. 15 Jahre braucht Owen Wyn Owen, um Babs wieder aufzubauen und zurückzubringen an den Strand von Pendine, diesen kleinen, großen Ort in Wales, den Ort der letzten Land-Speed-Rekordfahrt in Europa.

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Museum of Speed in Pendine

Das Museum of Speed in Pendine/Wales veranschaulicht anhand von Infotafeln und Exponaten die Geschichte des örtlichen Strands bei der Jagd nach dem Geschwindigkeitsrekord in den 1920er-Jahren. Neben John Godfrey Parry Thomas' Rekordauto Babs sind Motorräder ausgestellt, und es läuft ein Film über Thomas' und weitere Wagen, die zwischen 1924 und 1927 in Pendine fünf Rekorde brachen. Öffnungszeiten des Museums von Ostern bis zum 30. September: 10 bis 13 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr, Eintritt frei, Telefon +44 (0)1994 453488.