Renault Dauphine, VW 1200 Export

Heck-Partie mit Kleinwagen

Renault Dauphine und VW Käfer, zwei grundverschiedene Heckmotor-Kleinwagen. Renault machte 1956 dem VW Käfer mit der adretten Ponton-Limousine Dauphine erstmals ernsthafte Konkurrenz. Beide verfügen über Vierzylinder-Heckmotoren - im Renault in Reihe, im VW der Boxer -, unterscheiden sich jedoch wie ein Chanel-Kleid von einem Dirndl.

Renault Dauphine, Baujahr 1959; VW 1200 Export, Baujahr 1960 Foto: Dino Eisele 18 Bilder

Einfach niedlich, dieser kleine Renault Dauphine, der wie ein ganz Großer daherkommt. Bei nur 3,9 Meter Außenlänge besitzt er eine rundlich gezeichnete Ponton-Karosserie mit vier Türen. Seine Frontstoßstange umrahmt nach oben das Kennzeichen und eine Klappe, hinter der das Reserverad verstaut ist: Voilà - form follows function.

Zwei Designwelten: Renault Dauphine und VW Käfer

Das Gleiche gilt für die seitlichen Lufteinlässe vor den Hinterrädern der Renault Dauphine, deren obere Längssicken bis in die Vordertüren reichen. Durch diese sonst nur späteren Mittelmotor-Boliden vorbehaltenen Karosserieöffnungen bezieht der im Heck montierte, wassergekühlte Reihen-Vierzylinder seine Kühl- und Atemluft. Ein komplett verchromtes Entlüftungsgitter am Wagenheck der Renault Dauphine dient ebenso zu dessen Wohlbefinden. Größer können die optischen Unterschiede zum Konkurrenten aus Deutschland nicht ausfallen.

Die Serienproduktion des VW Käfer lief bereits Ende 1946 an, was man ihm sofort ansieht. Seine rundlich nach unten gezogene Nase und Wagenheck, die ebenso rundlich modellierten Kotflügel, die Trittbretter und die wie angeklebt wirkenden Stoßstangen stammen ganz entschieden aus einer anderen, viel älteren Design-Ära - und sind uns dennoch vertrauter als die einst so schicke Dauphine-Karosserie. Kein Wunder, war doch der bucklige Käfer noch 1985 Bestandteil des offiziellen VW-Programms, bis dessen Produktion in Südamerika erst 2003 definitiv, endgültig und ein für alle Mal endete. Die Form des Käfer wirkt heute auf uns daher zeitloser, erwachsener und sogar moderner als die der hübschen, schnuckeligen Dauphine.

Renault Dauphine ist 1956 klar das modernere Konzept

1956, als die Renault Dauphine präsentiert wird, sah man das noch anders. Der flotte Franzose war für die Fachpresse eindeutig das modernere, zeitgemäßere Automobil. auto motor und sport lobte nicht nur "die Zierlichkeit und Eleganz typisch französischer Linienführung", sondern konstatierte der Renault Dauphine gegenüber dem VW Käfer auch "eine klare Überlegenheit in bezug auf die Straßenlage und in bezug auf die Fahrsicherheit". Ebenso positiv bewerteten die Tester die reichhaltig ausgestattete Karosserie der Renault Dauphine mit vier Türen, den niedrigen Benzinverbrauch, die "ausgezeichneten Bremsen" und das "glänzend abgestufte Dreiganggetriebe".

Doch jetzt sind wir dran, um die Unterschiede der beiden Heckmotor-Millionen-Seller einmal selbst zu erfahren - und beginnen mit dem VW Käfer. Das blaue Export-Modell von Anfang 1960 im unrestaurierten Originalzustand gehört Walter Lenßen, der es im vergangenen Jahr von der Familie des Erstbesitzers erwarb.

Dies erklärt auch das umfangreiche, zeitgenössische Zubehör, mit dem der Vorbesitzer seinen geliebten, nur 80.000 Kilometer gelaufenen VW Käfer optimierte: außenliegende Sonnenblende, US-Stoßstangenhörner, verchromte Trittbrettenden, verchromte Regenleisten und die Umrüstung von Winker auf Blinkeranlage einschließlich eines nur linksseitig oben an der B-Säule angebrachten Abbiegelichts.

Dank weit öffnender Tür und hoher Sitzposition mit der Fahrernase ziemlich nah an der steil stehenden Windschutzscheibe macht das Einsteigen in den VW Käfer nur wenig Mühe. Der Motor startet sofort - und von hinten klingt das typische, singende Hecheln des luftgekühlten VW Käfer-Boxers, der beim Gasgeben ein Art Pochen dazugibt und beim Gaswegenehmen immer etwas hinterherheult.

Der Sound der Siebziger - Boxermotorengesang im VW Käfer

Das ist der Sound, der von 1946 bis weit in die Siebziger hinein vor allem das deutschsprachige Europa und Südamerika bewegte. Nicht zu vergessen das typische, leicht hallende "Klonk", wenn mit dem leichtgängigen Vierganggetriebe des VW Käfer die Rückwärtsgangsperre überwunden oder sportlich flott geschaltet wird.

Das Instrumentenbrett des VW Käfer verdient wieder einmal seinen Namen nicht, da es zum Großteil aus in Wagenfarbe lackiertem Stahlblech besteht, das mit einigen hellbeigen Zugschaltern gespickt ist, auch von unten. Mit wenig Gas setzt sich der VW Käfer spontan in Bewegung, und schon bei etwa 30 km/h signalisiert ein sanftes Donnern von hinten: bitte Schalten! Der Boxer mag keine hohe Drehzahlen und braucht sie auch nicht. Seine 30 PS stehen bereits bei 3.400/min zur Verfügung.

Die direkte Lenkung arbeitet erfreulich leichtgängig, während sich das Fahrwerk des VW Käfer weniger hart als vielmehr widerspenstig zeigt und bei flotter Schlaglochfahrt frech zurückschlägt. Der Komfort des VW Käfer lässt auch angesichts der schwachen Gebläse-Heizleistung und den im Winter oft unvermeidlichen Waschküchenfenstern deutlich zu wünschen übrig. Kann das der schicke Franzose besser?

Renault Dauphine: mühevollerer Einstieg doch besseres Raumgefühl

Durch die kleinere Fahrertür und die niedrigere Sitzposition ist der Einstieg in die Renault Dauphine etwas beschwerlicher und kleinwagenmäßiger als beim VW Käfer. Doch dann sitzt der Fahrer gemütlich und entspannt hinter einem etwa gleich großen Lenkrad, blickt jedoch durch eine größere und weiter entfernt platzierte Scheibe über ein helles Kunststoff-Instrumentenbrett nach draußen. Im direkten Vergleich wirkt die hohe Sitzposition im VW Käfer mit der hoch aufbauenden Motorhaube und der kleinen Windschutzscheibe in der Renault Dauphine wie in einem Geländewagen.

Die gesamte Lichtanlage und Scheibenwischer kontrolliert der Renault Dauphine-Fahrer über die beiden Lenksäulenhebel, die Heizung über zwei verborgene, blind zu ertastende Griffe unterm Instrumentenbrett. Dies würde, so schrieb auto motor und sport, "die Gefährdung der Insassen bei Unfällen" verringern. Damals war man noch ohne Sicherheitsgurte unterwegs, weshalb ein leidlich gepolstertes und schalterfreies Cockpit wie in der Renault Dauphine die Köpfe der vorn sitzenden Passagiere vor größeren Unfallblessuren bewahren sollte.

Der winzige Mittelschalthebel des Dreiganggetriebes kann mit drei Fingern bedient werden. Das passt gut zu der generell lässig-zwanglosen Art, zu der die Renault Dauphine ihren Fahrer einlädt. Das übliche H-Schema ist jedoch etwas riskant belegt, da der Rückwärtsgang links vorn liegt und die restlichen drei Vorwärtsgänge die Positionen Zwei bis Vier belegen.

Bei den Fahrleistungen herrscht Gleichstand

Einmal in Fahrt werden - solange die Renault Dauphine nicht zum Stehen kommt - nur die Gänge zwei und drei benötigt, zwischen denen man locker mit drei Fingern hin- und herschaltet. Der 26 PS starke 850er-Motor zieht tapfer durch. Er muss nur 630 Kilogramm Renault Dauphine bewegen - immerhin 110 Kilo weniger als die VW Käfer-Maschine, sodass in den Fahrleistungen Gleichstand herrscht und hier wie dort maximal 112 km/h realisierbar sind. Der Renault Dauphine-Motor macht dabei mit seinem dezenten Brummen und Rasseln deutlich weniger Klangdrama als der VW Käfer-Boxer.

Und jetzt probieren wir einmal eine der beide winzigen hinteren Türen der Renault Dauphine aus. Ja, es geht - auch ein zwei Zentner schwerer Ein-Meter-Achtzig-Mann kann sich rückenschonend im Schneckentempo durch die Mini-Öffnung auf den Rücksitz zwängen, wo er es sich auf einer angenehm straff gepolsterten Sitzbank bequem machen kann. Heller Kopf und Schulterraum sind ausreichend und großzügiger als im VW Käfer vorhanden, während die breit gespreizten Beine nur mühsam mehr neben als hinter der Fahrersitzlehne Platz finden.

Trotzdem überwiegen die positiven Eigenschaften der kleinen, komfortabel federnden Limousine. Die Renault Dauphine galt nicht nur in Frankreich und Deutschland als ein modernes und praktisches Auto. Dies machen die internationalen Verkaufserfolge deutlich. Die kompakte Renault Dauphine mit vier Türen entstand in Kooperationen mit lokalen Herstellern rund um den Globus.

Renault verkauft mehr Dauphine als VW Käfer - aber nur in kurz in den USA

Renault Dauphine-Produktionsstätten gab es in Argentinien, Australien, Brasilien, England, Irland, Japan, Mexiko, Spanien, Südafrika auf den Philippinen und in den Vereinigten Staaten, wo Renault mit 90.000 verkauften Renault Dauphine kurzzeitig sogar VW überholte. Insgesamt entstanden von der zwischen 1956 bis 1967 (nur noch Sportmodell Dauphine Gordini) 2,1 Millionen Einheiten.

Und trotzdem: Der VW Käfer blieb König. Die Renault Dauphine, die "Thronfolgerin", regierte tatsächlich für einige Jahre als Frankreichs Bestseller, geriet jedoch bald in den Schatten ihrer größeren, kantigeren und damit moderner wirkenden Nachfolger Renault R 8 und R 10 und schließlich in Vergessenheit. Doch der VW Käfer lief und lief und lief und machte erst nach 21,5 Millionen gebauten Autos endgültig Halt.

Zehn Mal so viele Käfer - das Erfolgsrezept des Rekordautos

Warum dieser überwältigende Erfolg, den kein VW Käfer-Konkurrent in drei Jahrzehnten, von 1950 bis 1970, erzielte? Erstens war die völlig eigenständige Form des ersten Volkswagens nie irgendwelchen Modeströmungen ausgesetzt. Zweitens gab es von Volkswagen zunächst keine und später nicht immer überzeugende Alternativen zum ursprünglichen "Typ 1", während Renault mit einer ganzen Armada an interessanten Neukonstruktionen der braven Dauphine hauseigene Konkurrenz bescherte: Bereits 1961 kamen der frontgetriebene Renault R4, 1962 der R8, 1964 der R10 Major und 1964 der ultramoderne, deutlich größere und teurere R16, neben denen die gleichzeitig gebaute Renault Dauphine von 1956 doch schon sehr altbacken wirkte. Drittens konnte der Franzose mit der Langzeitqualität eines VW Käfer nicht mithalten. Speziell dessen Karosserie und Innenausstattung machen einen deutlich solideren Eindruck.

Dennoch folgen wir heute noch gern dem im Renault Dauphine-Fieber entstandenen Werbeslogan "Le monde dit oui à Renault - die Welt sagt ja zu Renault" und erfreuen uns wieder an dem originellen und kultivierten Klassiker aus Frankreich.