Talbot-Sammler Olaf Hard

Talbot-Träume

Youngtimer-Fahrer sind meistens Individualisten. Olaf Hard aus der Schweiz zum Beispiel fährt gern Talbot Tagora. Er besitzt sogar gleich zwei Exemplare davon - neben anderen Talbot.

Talbot Tagora, Olaf Hard Foto: Hardy Mutschler 13 Bilder

Wer Talbot fährt, muss mit Unverständnis und Nichtwissen rechnen - das war schon zu Beginn der 80er- Jahre so und ist heute nicht anders. Als der Fotograf die beiden Tagora für diese Geschichte auf einem Schotterplatz in einem Schweizer Industriegebiet arrangiert, kommt ein Passant vorbei und fragt: "Sagen Sie, was sind denn das für Autos? Sind das russische Wagen, die jetzt auf den Markt kommen? Sie sehen so kantig aus!"

Französische turbulente Verhältnisse

Olaf Hard, Besitzer der beiden Limousinen, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und klärt auf: "Nein, nein, die Autos sind schon über 30 Jahre alt und wurden in Frankreich gebaut", erläutert er dem verdutzten Besucher. Der 42-jährige Bautechniker könnte noch anfügen, dass der Talbot Tagora sogar mal für kurze Zeit die schnellste französische Serienlimousine war, doch dann müsste er sehr weit in die wechselvolle Historie der seltsamen Marke einsteigen.

Tatsächlich ist die Geschichte von Talbot in den späten 70ern und frühen 80ern ein Musterbeispiel für das nicht immer glückliche Geschick der französischen Automobilindustrie. Ende 1978 hatte der PSA-Konzern (Peugeot und Citroën) die europäischen Chrysler-Marken Simca, Matra-Simca und Sunbeam übernommen; zum Paket gehörte auch der Markenname Talbot, den sich Simca bereits 1958 einverleibt und ein Jahr später zu den Akten gelegt hatte.

Anfang 1979 wurden alle diese Marken unter dem einst ruhmreichen Namen Talbot vereint, die 7.000 europäischen Chrysler-Händler verwandelten sich über Nacht zu Talbot-Vertretungen. Leider entwickelte sich das Geschäft bei Weitem nicht so positiv, wie es sich die PSA-Manager gedacht hatten, weshalb Automobiles Talbot im September 1980 an Automobiles Peugeot angegliedert wurde; die Händlernetze und Absatzstrukturen wurden zusammengefasst.

Tagora wurde in England und Frankreich entwickelt

Gleichzeitig wurde auch der Talbot Tagora vorgestellt, das neue Spitzenmodell der Marke, mit dem Talbot in der oberen Mittelklasse Fuß fassen wollte und damit dem Peugeot 604 Konkurrenz machte. Der Name Tagora ist dabei ein Kunstprodukt, das in allen Verkaufsländern gut klingen sollte.

Allerdings schleppte der neue Star einige Geburtsfehler mit sich herum, die ihm den Start nicht gerade vereinfachten. Begonnen hatte seine Entwicklung 1976 unter dem Projektnamen C9 in England im britischen Planungsbüro von Chrysler (Simca) Europe. Nach der Übernahme wurde der Talbot Tagora dann von PSA weiterentwickelt und auf den Markt gebracht.

"Deshalb hat er als Hecktriebler auch die Hinterachse des Peugeot 505, die für die große Karosserie viel zu schmal ist, wodurch die Räder in den Radkästen etwas verloren wirken", grinst Olaf Hard.

Topmodell des Tagora war schnellste französische Serien-Limousine

Als Antrieb im Talbot Tagora GL und GLS diente der Zweiliter-Reihenvierzylinder von Chrysler mit einer obenliegenden Nockenwelle und Querstromkopf, der durch einen längeren Hub auf 2,2 Liter und 115 PS gebracht wurde. Das Spitzenmodell SX erhielt den gemeinsam von Peugeot, Renault und Volvo entwickelten 2,6-Liter-V6, dazu gab es noch den DT mit 2,3-Liter-Turbodiesel.

"Für den V6 hatten sich die Talbot-Techniker an die Weber-Dreifachvergaser aus den frühen Porsche 911 S erinnert - als sie dann bei Weber nachfragten, hieß es, die würden seit Jahren nicht mehr gebaut", erzählt Olaf Hard. Schließlich lieferten die Italiener doch, und mit 165 PS und knapp 200 km/h war der Talbot Tagora SX 1981 die schnellste Serienlimousine aus französischer Produktion.

Ein großer Wagen - und ein großer Flop

Auch sonst konnte sich der Talbot Tagora durchaus sehen lassen: Platz war in dem 4,63 Meter langen Viertürer reichlich vorhanden, das Interieur gab sich plüschig-wohnlich, der Fahrkomfort französisch weich. Einzig das Einspeichen- Lenkrad irritierte mit einem groben Kunststoffüberzug, sodass die österreichische Autorevue lästerte, es verwittere unter den Händen.

Ob es daran lag, sei dahingestellt, ein Verkaufserfolg jedenfalls wurde der Talbot Tagora nicht: Nach nur 20.133 Exemplaren, davon 1.083 mit V6, war 1983 schon wieder Schluss. Doch zu den wenigen, die sich für einen Tagora entschieden, gehörte Olaf Hards Vater. So etwas prägt.

Aufgewachsen mit Simca und Talbot

"Ein Freund meines Vaters hatte eine Simca- und dann Talbot-Werkstatt, da waren wir am Wochenende oft zum Kaffeetrinken", erzählt der Schweizer. "Da wurde der Grundstein für meine Leidenschaft gelegt." Eigentlich wollte er vor einigen Jahren nur einen Simca 1000 für den Geburtstag seines Vaters ausleihen, kurz darauf kam er von einer Auktion mit einem Simca-Coupé nach Hause. Es folgten ein Talbot Horizon sowie ein Samba-Cabrio.

Dann stand die Goldene Hochzeit der Eltern an, und Olaf Hard wollte sie unbedingt in einem Talbot Tagora chauffieren, also erwarb er den fuchsgrauen GLS auf diesen Seiten. Kurz darauf wollte ein Bekannter ein rotes Exemplar mit weniger als 50.000 Kilometern veräußern, aber niemand mochte das Auto. "Er drohte, dass der Tagora in den Export geht, also habe ich ihn eben gekauft", sagt Hard.

Längst hat er sich sämtliche Prospekte besorgt und auch einen originalen Werkstattkittel, schließlich repariert er vieles selbst. Dabei ist es erfrischend anzusehen, wie der junge Familienvater mit seinen Talbot Tagora umgeht - mit großer Leidenschaft, aber ohne den oft übertriebenen Ernst. "Die Autos sind nicht sehr gesucht und somit nicht viel wert, aber sie kosten auch wenig - das Teuerste sind die Garagenplätze", meint Olaf Hard. "Dabei ist der Talbot Tagora heute so rar, dass allein dieser Umstand es wert ist, ihn der Nachwelt zu erhalten."

Talbot - das bewegte Leben einer Marke

Die Geschichte von Talbot reicht zurück in das Jahr 1902, als der Earl of Shrewsbury and Talbot aus Staffordshire zusammen mit dem Franzosen Adolphe Clément beschloss, in London Autos unter dem Namen Talbot zu produzieren. 1920 erfolgte die Eingliederung in den französischen Sunbeam-Talbot-Darracq-Verbund.

1934 kaufte der gebürtige Venezianer Antonio Lago das Talbot-Werk im Pariser Vorort Suresnes, hier entstanden einige der aufregendsten Automobile der 30er-Jahre. Nach dem Krieg ging es bergab, 1958 kam es zur Übername durch Simca.