Fahrbericht VW-Porsche 914/4 und 914/6

Ungleiche Zwillinge

Gleiches Design, aber zwei unterschiedliche Herzen: Hier ein Porsche-Sechszylinder, dort ein VW-Vierzylinder. Käme eine Märchenfee – die Antwort wäre bei vielen klar. Und im echten Leben?

Porsche 914/4 und 914/6, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 12 Bilder

Dort, wo die beiden Porsche 914 auftauchen, fallen sie zu allererst wegen ihrer Farbe auf. Der eine in Phönix-Rot, der andere in Sonnengelb, ansonsten gleichen sie sich wie Zwillinge - vorne eine Haube, hinten eine Haube und in der Mitte ein Targa-Bügel. Keine Schnörkel und kein Strich zu viel. Ein Auto im Bauhausstil, das schon mal für Verwirrung sorgt: Der eine ist ein VW und klingt auch so, während der andere wie ein Elfer röhrt, sich in den Papieren Porsche nennen darf, und von dem dennoch die meisten denken, er käme aus Wolfsburg.

Natürlich sind beide Hersteller an der Entstehung des Porsche 914 beteiligt. Der Wolfsburger VW-Konzern als Auftraggeber, weil er gegen Mitte der Sechziger auf der Suche nach etwas mehr Pep im stilistisch wie technisch angestaubten Sortiment ist, während man in Stuttgart einen Nachfolger für den unter dem 911 angesiedelten späten 356 benötigt.

Porsche 914 mit Rennsportkonzept und Mittelmotor

Das Ergebnis ist auf der IAA 1969 zu sehen und elektrisiert die Besucher weniger wegen des Designs, sondern vielmehr wegen seines Konzepts: Der Porsche 914 wird von einem Mittelmotor angetrieben, und so etwas gab es bisher nur im Rennsport. Oder bei Exoten vom Schlage eines Lamborghini Miura.

Bei der Auswahl der Motoren ist zumindest beim VW-Konzern jedoch rasch Schluss mit jedweder Exotik. Der neue VW-Porsche 914/4 bezieht seine Kraft aus dem 1,7-Liter-Vierzylinder-Boxer des VW 411. Anspruchslose Großserientechnik also, die dank Benzineinspritzung immerhin 80 PS leistet.

Da bieten sich den Technikern bei Porsche ganz andere Möglichkeiten: Sie zwängen den Zweiliter-Sechszylinder aus dem 911 T in den engen Schacht hinter der Kabine des 914/6, feinster Motorenbau also. Und standfest obendrein. Mit einer Leistung von 110 PS arbeitet der Boxer an der untersten Grenze seiner Möglichkeiten. Dennoch ist der 914/6 genauso schnell wie die um 200 ccm und 115 PS verstärkte Neuauflage des 911 T. Schlimmer noch: Im Sprint von null auf 100 nimmt der leichte VW-Porsche 914/6 dem Elfer sogar eine Sekunde ab. Die heile Porsche-Hierarchie droht einzustürzen.

Der Sechser - eine Elfer-Gefahr

Der Konzern reagiert, erhöht kurz vor der Präsentation den ursprünglich angekündigten Preis von 16.000 Mark auf 19.980 Mark und besiegelt damit das Schicksal des 914/6: Das Auto ist schlicht zu teuer. Für einen Tausender mehr erhalten Porsche-Fans 1970 bereits einen aktuellen 911 und obendrein die Garantie, nicht aus Versehen doch für einen VW-Fahrer gehalten zu werden.

Damit es gar nicht erst zu so einer Verwechslung kommt, hat Besitzer Uwe Markovac auf der vorderen Haube seines sonnengelben Porsche 914/6 von 1971 nachträglich ein Porsche-Wappen angebracht. Für den ehemaligen Porsche-Versuchsingenieur kein Frevel: "Im Brief ist die Dr. Ing. h. c. F. Porsche KG als Hersteller genannt.“ Ein Ritterschlag, der ungehört verhallt: 1972 stellt Porsche den Bau des 914/6 ein. Mangels Nachfrage und nach nur 3.353 Exemplaren.

Mit zwei Litern Hubraum auf 100 PS

Volkswagen hält hingegen weiterhin an dem Modell fest. In den USA ist man ganz verrückt nach dem VW-Porsche 914/4, und das grundsolide 411-“Nasenbär“-Triebwerk entpuppt sich zudem als ausbaufähig: 1972 spendieren ihm die Wolfsburger eine Hubraumerweiterung auf zwei Liter, und auf einmal leistet dieser luftgekühlte Boxer stramme 100 PS. Damit kann man sich selbst im Revier der nur noch zehn PS stärkeren Sechszylinder sehen lassen. Die sind zwar immer noch eine Spur schneller unterwegs, aber die Luft ist dünner geworden.

Ralph Rieger, 914/4-Spezialist aus Göppingen, weiß genau, in welcher Disziplin sein phönix-roter 914/2.0, Baujahr 1973, besonders punkten kann: "Das maximale Drehmoment ist bei beiden Modellen identisch. Der Vierzylinder benötigt allerdings 1.000 Umdrehungen weniger, um es abzurufen.“ Eine Ausfahrt soll es nun endgültig klären. Vier- oder Sechszylinder. Ein Schnäppchen sind beide längst nicht mehr, der Aufpreis für einen vergleichsweise raren Sechser ist allerdings happig: Gute Exemplare werden für 45.000 bis 50.000 Euro gehandelt, wohingegen ein tadelloser Vierzylinder bereits für etwa 20.000 Euro den Besitzer wechselt. Es ist also nicht nur eine Frage des Geschmacks.

Vollwertige Sportwagen sind beide

Die erste Runde gehört dem älteren Fahrzeug. Der 914/6-Sechszylinder aus dem Hause Porsche lässt keinen Zweifel aufkommen, wessen Herz er trägt - weil der Boxer direkt im Rücken der Besatzung hängt, ist dessen einmaliges Fauchen sogar noch eine Spur präsenter als im Elfer. Ab 3.500 Touren aufwärts brüllt dieses famose Aggregat seinen Fahrer ohnehin nur noch an, dringt zusätzlich das Geräusch des schrill pfeifenden Gebläses immer vehementer durch die dünne Trennwand. Bei Nenndrehzahl (5.800/min) schaufelt es 1.320 Liter Luft in den Motorschacht. Pro Sekunde.

Doch der 914/6 klingt nicht nur wie ein ernst zu nehmender Sportwagen, er ist auch einer. Sprintet von null auf 100 in nur 8,5 Sekunden, rennt im Ernstfall über 200 Sachen und verschiebt in Kurven die Haftgrenze in ungeahnte Dimensionen. "Der 914/6 ist mehr Fahrauto als der 911. Er gibt die bessere, schnellere Response." Harte Worte. Aber der Mann, von dem sie stammen, muss es wissen: Walter Näher, einst Fahrwerksentwickler bei Porsche.

Käfersound, aber viel Kraft: Der 914/2.0

Selbstverständlich gilt dieses Statement ebenso für den 914/2.0, der über ein identisches Fahrwerk verfügt. Also alles wie gehabt. Wie der mittig angeordnete Drehzahlmesser, der Tacho, der bis 250 reicht und das Gefühl, direkt auf der Straße zu sitzen. Nur das eine Nummer größere Lenkrad - 40 statt 38 Zentimeter - signalisiert im direkten Vergleich weniger Sportlichkeit. Wie das typische VW-Motorengeräusch. Schade. Könnte auch ein Käfer sein, der da vom Hof fährt. Doch der 914/2.0 Zweiliter geht gut. Ab 4.000 Touren sogar richtig gut. Der 100 PS starke Vierzylinder schiebt den 950 Kilo leichten 914 bei Bedarf in knapp zehn Sekunden auf Tempo 100, und Kraft, um ehrenhaft aus Kurven herauszubeschleunigen, ist in jeder Gangstufe ausreichend vorhanden. Darauf mussten 914/4-Fans fast drei Jahre warten. Eine exakte Schaltung ist beiden Kandidaten hingegen bis zum Ende ihrer Bauzeit verwehrt geblieben. Die Suche nach Gängen entpuppt sich als Mischung aus Teig rühren und Lotterie-Spiel.

Und welcher darf es schließlich sein? Gute Frage. Spaß machen beide, weil sie Fahrmaschinen erster Güte sind. Leicht, handlich und alltagstauglich obendrein. Ein guter Sechser zum Preis eines guten Vierzylinders. Das wär‘s irgendwie.

Fazit
Natürlich erscheint der VW-Porsche 914/6 auf den ersten Blick als die begehrenswertere Option. Das Auto geht richtig gut und klingt dabei phänomenal. Ein Sportwagen für Fahrer, die das Understatement lieben und bereit sind, für dieses exklusive Vergnügen viel Geld auszugeben. Gemessen an den reinen Fahrleistungen ist der 914/4 mit der Zweiliter-VW-Maschine erstaunlich nahe am Sechser dran, günstiger in der Anschaffung und verfügbarer obendrein. So gesehen wäre er am Ende meine Wahl. Und am Sound lässt sich ja auch etwas machen.