VW Scirocco GTX Fahrbericht

Sportcoupé im Disco-Stil der 80er

Erstes Auto, erste Liebe. Der VW Scirocco II katapultiert dich mit Wonne zurück in die Achtziger. Pass auf, dass du nicht in der nächsten Disco landest – er dich nicht unversehens auf eine Verjüngungstour mitnimmt.

VW Scirocco GTX, Frontansicht Foto: Frank Herzog 11 Bilder

Juvenile Sportcoupés stehen im gesetzteren Alter selten auf der Wunschliste. Zu wenig Leistung, mangelnde Exklusivität, wenig Prestige. Wer Manta B, Capri III oder Honda CRX in der Jugend verpasst hat, den machen sie in der Mitte des Lebens nicht jünger, sondern eher peinlich. Ein Porsche 928 ja, ein BMW 635 CSi jederzeit, ein Opel Monza 3.0 E, warum nicht? Aber ein VW Scirocco II GTX? Der Typ 53B?

Dann noch einer aus der weichgespülten zweiten Serie, die ein bisschen feminin und mit dem Kamei-Spoilersatz X-1 auch noch etwas überschminkt daherkommt. Es funktioniert doch als Wunschvorstellung nur, wenn du vor 25 Jahren genauso einen VW Scirocco II GTX (Typ 53B) gefahren hast. Heute willst du ihn wieder, weil er die Erinnerungen an deine schönste Zeit im Leben so herrlich in dieser hübschen Blechdose konserviert.

VW Scirocco II GTX gibt es für 5.000 Euro

Ich hatte nie einen VW Scirocco II, vergeudete die schönsten Jahre meines Lebens mit ebenso ernsthaften wie uncoolen Opa-Autos wie Audi 100, VW K 70 oder Ford Granada. Ich dachte, ich sei immun gegen solch ein leichtfüßiges Spielzeugauto, knapp über vier Meter, keine 1.000 Kilo, gerade mal 1.800 Kubik und 90 PS. Schon sein Preis von knapp 5.000 Euro verstößt gegen mein gelebtes Grundprinzip, das sich mit „viel Auto fürs Geld“ einfach charakterisieren lässt.

Für 5.000 Euro kaufe ich einen Jaguar XJ 40, einen BMW 750i oder einen Mercedes 280 SLC, keinen VW Scirocco II GTX. Originalität lautet mein zweites Credo, und da kann dieser diamantsilberne Typ 53B schon gar nicht punkten. Falsche Räder, falsches Lenkrad, falscher Schaltknauf, falsches Radio und ein paar überflüssige Zierteile, die ich am liebsten gleich abpflücken würde. Doch wo bleibt die Toleranz? Waren wir nicht alle einmal jung? Ja, alle außer mir. Ich habe da was verpasst.

Der 1,8-Liter-Motor ist agil, sparsam und effizient

Also gut, ich versuche es mal mit diesem Friseusen-Sportler, das Einsteigen klappt ja noch ganz gut. Eine Prise Wunderbaum „Grüner Apfel“ streift meine Nase, scheu blicke ich mich um, ob mich einer sieht. Ich, fünfzig plus im VW Scirocco II GTX, wäre ja irgendwie peinlich, wäre so, als würde ich heimlich auf der Schaukel sitzen.

Wohlwollend konstatiere ich den perfekten Zustand des VW Scirocco II GTX-Interieurs im provinziell sportlichen Look. Die hoch aufgeschäumte Polyurethan-Landschaft, sprich Instrumententafel, ohne Risse. Die dünnhäutig bezogenen Sportsitze im Karo-Look absolut unversehrt, das macht die 146.000 Kilometer mehr als glaubhaft. Ich sitze tief, entspannt mit leicht angewinkelten Armen, die rechte Hand fällt automatisch vom glatten hochglanzpolierten Raid-Holzlenkrad auf den Schalthebel.

VW Scirocco wird bei Karmann gebaut

Der bei Karmann in Osnabrück gefertigte VW Scirocco GTX (Typ 53B) basiert noch auf dem Golf I, der Radstand von nur 2,40 Meter verrät dies. Trotzdem erinnert nichts an die schmale, hochbeinige, ja asketische Kiste, die als Organspender diente. Ein Zündschlüsseldreh, und der sogenannte Langpleuelmotor erwacht zum Leben, nur noch ein paar Gasstöße, um den Stoffwechsel im Vergaser zu stabilisieren, dann brummt er so vertraut wie einst mein 75er Audi 100 L, Sonderserie Marathon. Der hatte den gleichen Motor, in der frühen 1.600er-Ausführung mit 85 PS. Intern heißt der nach dem Käfer-Boxer erfolgreichste deutsche Vierzylinder aller Zeiten entweder Tassenstößelmotor oder kurz EA 827.

Konstruktiv nicht besonders gebildet, also weder Querstromkopf noch Hemi-Brennräume, und durch den Rotstift zum Zahnriemen und zu Blech statt Alu-Anbauteilen verdammt, ist sein thermodynamisches Talent beachtlich. Audi-Konstrukteur Franz Hauk schuf ein Wunder an Effizienz. Der 827 ist auch im VW Scirocco II GTX extrem haltbar, sparsam und ziemlich drehfreudig. Er taugt dank seines robusten Kurbeltriebs auch zum Diesel, läßt sich als EA 828 zum Fünfzylinder weiterzüchten, später hat man ihm im Golf II GTI 16 V auch noch einen gescheiten Vierventil-Kopf mit ein paar Nockenwellen aufgesetzt.

Langhuber macht in dem Sportcoupé Freude

Im VW Scirocco II GTX (Typ 53B) ist der langhubige, bassig grummelnde Vierzylinder eine wahre Freude, die 90 PS haben leichtes Spiel mit nur 960 Kilo. Der Antritt überzeugt, die Durchzugskraft auch. Es darf schaltfaul gefahren werden. Aber ich sehne mich nach beherztem Zugriff, sortiere die fünf Gänge möglichst oft. Der Scirocco ist schließlich kein Hängematten-Coupé mit Automatik, Federkernsitzen und Mittelarmlehne vorn.

Ich will fahren, wie ich damals mit einem VW Scirocco II GTX gefahren wäre, offensiv, wach, meiner Beifahrerin imponierend, die ich nicht hatte. Mal ohne mein striktes 4.000er-Spaßbremsen-Limit, das ich mir keusch auferlegt habe, um das Material der Opa-Autos zu schonen.

Der EA 827 hält es, schön warmgefahren, locker aus, jetzt im VW Scirocco erfolgt der Gangwechsel auch schon mal bei 5.000/min. Ein bisschen zu langwegig, wie ich finde, Tribut an den quer eingebauten Motor. Doch dem Spaß tut es keinen Abbruch, stille Nebenstrecken rund um Fürstenfeldbruck, zwischen Wenigmünchen und Mammendorf, laden zum fröhlichen Kurvenslalom geradezu ein.

Unfassbare 80er-Sondermodelle

Der VW Scirocco II GTX liegt gut, untersteuert für einen Fronttriebler gar nicht so stark, wie ich es erwartet hätte. Übermütig kann ich um die Ecken zirkeln, ein Handling fast so leichtfüßig wie das des Ur-Mini. Keine Servolenkung verwässert den Straßenkontakt, der VW Scirocco II GTX (Typ 53B) ist ein Auto ohne Weichmacher und bis auf den überraschend guten Fahrkomfort erstaunlich ungefiltert. Das Fahrwerk mit Mc- Pherson-Vorderachse und Verbundlenker- Hinterachse ist wie der Motor: Es holt aus einfachen Mitteln das Beste raus und macht aufwendigere Konstruktionen neidisch.

So ein Nachmittag im VW Scirocco GTX vom Typ 53B fühlt sich an wie eine Zeitreise in die Unbeschwertheit, die irgendwo zwischen 20 und 30 liegt. In entspannten Phasen zügigen Geradeausfahrens fallen mir die Scirocco II-Sondermodelle ein, die ich damals peinlich fand und heute liebenswert. Modelle wie Scala, White Cat oder Tropic in Farben wie Kiwibraun, Perlmuttweiß oder Madisontürkis.

Autos so traumhaft schön wie die Bacardi-Werbung. „Come on over, have some fun ...“ Hübsches Gesicht, gute Figur, so heiter und unbeschwert zu fahren, dass es einem vorkommt wie Beachvolleyballspielen. Dazu Schiebedach, pardon, Sunroof, grün getönte Scheiben als Sonnenbrille und die herrlichen VW Avus-Leichtmetallräder als dezentes Make-up. Wäre ich nochmal 25, würde ich vielleicht einen Kredit für den VW Scirocco II GTX aufnehmen, den Typ 53B, der damals stolze 26.230 Mark gekostet hat. Plötzlich empfinde ich den Scirocco gar als unerfüllten Jugendtraum. VW K70, Audi 100 und Ford Granada kann man noch mit fünfzig fahren.