Kaufberatung Mercedes S-Klasse (W140) 1991-1998

Stärken und Schwächen des Super-Youngtimers

Verspottet, angefeindet, bewundert: So verbrachte die S-Klasse der Kohl-Ära ihre ersten Jahre in Deutschland. Dann wurde sie ins Ausland verklappt. Nun ist sie begehrt. Ist der W140 ein Auto für die Ewigkeit?

Mercedes-Benz 600 SEL, W 140, Baujahr 1992 Foto: Hardy Mutschler 18 Bilder

Revierpolizist Krause wäre genau der richtige Typ für einen Mercedes W140. Nachdem er letztens still und bescheiden im Brandenburger „Polizeiruf 110“ in Ruhestand gegangen ist, ohne sich um die Abschiedsfeier der Kollegen zu scheren, könnte er ja mal für den goldenen Herbst seines mit Gelassenheit und Beharrlichkeit gemeisterten Lebens von seiner alten BMW absteigen, den zu kleinen Helm final an den Lenker hängen und seiner treuen Vera die Fondtür eines W140 öffnen.

Mercedes S-Klasse W140, Getriebeautomatik Foto: Archiv
Was haben wir getastet: Für jede Funktion eine Taste oder einen Schalter, Einarbeitungszeit ist erforderlich. Doch wenn man sich dran gewöhnt hat, beherrscht man die W140-Klaviatur.

Luxusauto mit 177-PS-Diesel

Die Schäferhündin würde elegant auf die karierte Decke springen, die Krause über die Velourspolster gelegt hätte. Ruhig würde er die schwere Tür in die erste Schließraste drücken und den Rest der Zuziehautomatik überlassen, langsamen Schrittes um das Heck des deutlich über fünf Meter langen Mercedes W140 schreiten, sich mit zufriedenem Seufzen hinters Lenkrad fallen lassen und den Zündschlüssel drehen, bis das Vorglühlämpchen erlischt.

Nun noch etwas weiter nach rechts drehen, der Turbodiesel des Mercedes W140 springt leise an. Natürlich ist es der Dreiliter der Baureihe OM606, der 1996 den bis dato verbauten OM603 abgelöst hat. Die 150 PS des Dreieinhalb-Liters hätten Krause natürlich auch gereicht. Doch die 177 Pferde des OM 606 sind robuster, da der moderne Vierventiler nicht wie der alte Zweiventiler zu Zylinderkopfschäden neigt.

Bewusste Entscheidung für den Diesel

Krause hat sich halt informiert – und sich bewusst für den Diesel entschieden, der mit Praxisverbräuchen von reichlich zehn Litern zwar kein Sparmobil ist, Krauses Naturell aber sehr gut entspricht. Wer heute einen Mercedes W140 sucht, findet kaum noch verlockende Diesel und generell lediglich runtergerittene Kilometerfresser oder Perlen aus Liebhaberhand.

Die allermeisten Exemplare des sehr gut gegen Rost geschützten Mercedes W140 und des 1992 nachgeschobenen Kolossal-Coupés C 140 sind längst vom Markt verschwunden. Denn der Überflieger-Mercedes ging durch ein tiefes Tal der Tränen. Für kleines Geld wurden gute Gebrauchte in den letzten Jahren verramscht über die Grenzen nach Osten, denn sie waren viele Jahre lang noch umstrittener als bei der Premiere

1991. Da versuchte Mercedes mit ambitionierten Werbeclips und guten Argumenten zu erklären, wieso diese neue S-Klasse eben so mächtig daherkommt und so monolithisch, so kühl, ja fast arrogant.

Der W140 ist ein Ingenieursauto

Mercedes S-Klasse W140, Peilstäbe Foto: Archiv
Was haben wir gelacht: Die Peilstäbe sorgten lange für Gespött, doch mittlerweile - mit dem Abstand von einem Vierteljahrhundert - wirken sie wohltuend verspielt-analog.

Die ungelenken Peilstäbe am Heck, die 1995 mit der Einführung der sensorgesteuerten Parktronic verschwanden, das aufgebauschte Bohei um zu schmale Reisezüge, der hausgemachte Schlamassel mit der anfangs zu gering bemessenen Zuladung der 600er-Modelle, das enorme Leergewicht und vieles mehr prägten in großen Teilen der Öffentlichkeit das Bild dieses Mercedes W140. Bei Licht besehen aber war und ist er nur ein ungemein gutes, konsequent gemachtes Ingenieursauto.

Drei Milliarden Mark hatte Mercedes-Benz seit Beginn der 1980er-Jahre in die Entwicklung investiert, den Serienanlauf im Streben nach Perfektion um Jahre verschoben und dann 1990/1991 das vielleicht tatsächlich beste Auto der Welt vorgestellt.

Innen ungekannt komfortabel und leise

Mercedes S-Klasse W140, Motor Foto: Archiv
Was für eine Pracht: Sechsliter-V12 M120 mit 300 kW.

Gemacht für die lange Strecke, an deren Ende für den S-Klasse-Nutzer oft nicht Erholung, sondern eben konzentriertes Arbeiten steht. Also ist dieser Mercdes ungemein komfortabel durch eine enorme Raumfülle (die beim kurzen Mercedes W140 im Fond gar nicht so üppig ist, wie von vielen vermutet) und durch den wiegenden Komfort des komplett neu konstruierten Fahrwerks mit seiner aufwendigen Raumlenkerachse sowie durch eine hochwirksame Schalldämmung.

Die Sitze, deren Passform auf Wunsch durch Ankreuzen der Optionen 404 und 405 (Multikonturlehne links und rechts) pneumatisch optimiert werden kann, halten viel Abstand zueinander und zu den Seitenscheiben, die mit Isolierglas vor Hitze und Lärm schützen. Und das klar und klassisch eingerichtete, mit glänzendem Holz veredelte Armaturenbrett hat sogar ein eigenes, fein ausgeschlagenes und wie alles an diesem Auto perfekt schließendes Fach für die Sonnenbrille. Schnell stellt sich jenes „Willkommen daheim“-Gefühl ein, das Gutverdiener vom jeweils besten Mercedes einfach erwarten.

Die Motoren sind keine Leisetreter

Perfektionsdrang bis ins Detail – und im Detail wiederum gelegentlich bis ins Absurde kultiviert. Das zeichnet den Mercedes W140 aus und ist auch heute noch spürbar, wenn er leise und stolz über die Straßen gleitet und gar nicht mehr so viel größer ist als die anderen. Effektiv isoliert er seine Besatzung von Motor- und Abgasschall oder dem leisen Summen der Reifen, die selbst beim 500er auf 16-Zoll-Felgen sitzen, die heute schon an einem Kleinwagen unterdimensioniert wirken.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die V8-Motoren des 420er und 500er, die bis Ende 1992 noch per Volllastanreicherung besonders bullig ans Werk gehen und mit Fortfall dieser Technik ein wenig schwächer und sparsamer werden, sind keine Leisetreter. Wird ihr Potenzial abgerufen, ist ihr Hämmern durchaus im Innenraum zu hören.

Doch bei konstantem Tempo und geringerer Last verschwinden ihre Lebensäußerungen ebenso wie die der kleineren Sechszylinder der Baureihe M104. Die waren wegen der immensen V8-Aufschläge durchaus beliebt bei Erstkäufern, zumal ihre Reihenbauart sie sehr schwingungsarm laufen lässt.

Coupé gab's nur mit V8 oder V12

Mercedes S-Klasse W140, Seitenansicht Foto: Archiv
Geschmackssache: Das Coupé wirkt auch heute noch relativ massig.

Das höhere Drehzahlniveau eines Mercedes 320 SE ist daher unter Komfortaspekten kein Manko. Nur der Anfang 1993 als Einstiegsmodell nachgereichte 2,8-Liter mit 193 PS des 300 SE 2.8 arbeitet in diesem Auto oft am Limit. Selbst der niedertourige Krause würde mit ihm nicht wirklich glücklich, denn ohne ein Mindestmaß an motorischer Souveränität fühlt sich ein Mercedes W140 nicht echt, nicht authentisch an. Wohl deshalb wurde das Coupé C140, von dem insgesamt 26.025 Exemplare gefertigt wurden, lediglich mit V8- und V12-Motoren produziert.

Natürlich mit Automatik

Wenn Krause denn einen Mercedes W140 mit Sechszylinder-Benziner fahren wollte, müsste er auf jeden Fall nach einem Modell mit der Fünfgangautomatik Ausschau halten. Denn die senkt das Drehzahlniveau deutlich gegenüber der Viergangautomatik, die in den ersten Baujahren ebenso als aufpreispflichtige Alternative zur Handschaltung zur Wahl stand.

Handgeschaltete Mercedes W140 sind ohnehin rar gesät und zumeist eher sparsam ausgestattet. Exoten also, denn wer wer will in diesem Tempel des Ingenieursluxus noch selbst die Gänge sortieren, zumal die Schaltgetriebe aus dem Hause Mercedes-Benz zu dieser Zeit ja im Umgang freudlose Konstruktionen waren. Hinzu kommt, dass wegen der weichen Lagerung des Antriebsstrangs bei nachlässigem Einkuppeln jener berühmte Bonanza-Effekt auftreten kann, der dieser stolzen Limousine schlicht unwürdig ist.

Automatiköl lieber alle 60.000 km wechseln

Die Automatikgetriebe des Mercedes W140 – bei den V8-Modellen und beim V12 bis Herbst 1995 mit vier Vorwärtsgängen, danach mit elektronisch gesteuerten fünfen – verlangen allerdings kontinuerliche Pflege, um wie die Motoren gut zu sein für Laufleistungen jenseits der 500.000 Kilometer.

Alle 60.000 Kilometer, so empfehlen Kenner, sollten Öl und Filter gewechselt werden, obwohl Mercedes, wie auch BMW, sehr optimistisch von einer Lebenszeitbefüllung ab Werk spricht. Lässt sich der Rückwärtsgang beim Mercedes W140 nur verzögert einlegen, kommt es bei Rückwärtsfahrt zu Rattergeräuschen oder erfolgen die Gangwechsel mit spürbarem Rucken, sollte man schon einmal 3.000 Euro für eine Revision einkalkulieren – oder am besten ein anderes Auto kaufen.

Vernetzte Elektronik

Mit dem W140 führte Mercedes auch die vernetzte Elektronik ein, der CAN-Bus kam ins Auto (Controller Area Network). Die Steuergeräte (und das sind schon bei Fahrzeugen, die nicht bis unters Dach mit Sonderausstattung vollgestopft sind, nicht wenige) kommunizieren miteinander über eine Datenleitung, und das kann im Alter schon mal zu Pleiten, Pech und Pannen führen. Funktionieren nicht alle Elektrik-Gimmicks, also auch ABS und ASR, erlöschen nach dem Start nicht alle Kontrollleuchten, ist Vorsicht geboten.

Sehr genau sollte man auch den Motorkabelbaum des Mercedes W140 prüfen, denn wegen organischer Weichmacher versprödet die Umhüllung mit den Jahren und die Isolation wird löchrig. Heftige Eletronikdefekte bis hin zu zerschossenen Steuergeräten sind möglich. Dies gilt vor allem für die Achtzylinder M119 und den Sechsliter-V12 M120.

Mercedes übertrumpft BMW-V12 um mehr als 100 PS

Mit dem Zwölfender zeigte Mercedes lässig, wo Barthel den Most holt: Schließlich entsprach die Leistung des 408-PS-Urmodells in Kilowatt gerechnet genau dem Wert, den der BMW 750i als stärkster V12 aus deutschen Landen in PS brachte: 300. Die großen Motoren heizen den Vorderwagen so stark auf, dass die Kabelbäume verspröden und zerbröseln. Re-Importe aus Japan sind hierfür wegen des hohen Stauanteils besonders anfällig.

Relativ sorglos kann man den Mercedes W140 in Bezug auf Motordefekte einkaufen. Bei den Sechszylinder-Benzinern kann die Zylinderkopfdichtung schwächeln, tickende Hydrostößel können Ungemach andeuten. Bei den V8 und dem V12 sollte der Motorlauf absolut unauffällig sein, um verschlissene Drosselklappen ausschließen zu können. Hat sich die Duplexkette zu den Nockenwellen gelängt, wurden die Gleitschienen schon gewechselt? Die Gleitschienen aus Kunststoff brechen im Alter gern und kündigen das nicht an. Fachleute empfehlen einen Tausch bei 180.000 bis 200.000 km.

Kleinkram bei so einem Auto. Der Rest des Mercedes W140 hält ja fürs Leben, auch wenn einige dem Vorgänger W126 eine bessere Lederqualität zuschreiben. Dass im Mai 1995 das ESP eingeführt wurde, im Juni 1996 Bremsassistent und Xenon-Licht, kann die Wahl zwischen zwei guten Exemplaren vereinfachen.

Doch ehe man sich um Zustand, Motor und Ausstattung Gedanken macht, gilt es, sich selbst zu prüfen: Bin ich ein Mercedes W140- oder C140-Typ? Passt dieses Auto zu mir, wie es zum ollen Krause passen würde? Das Coupé wirkt noch immer kolossal, aber auch die Limousine verströmt diese elitäre Haltung: Das Beste oder nichts.

Karosserie-Check

Der Mercedes Benz W 140 ist neben dem SL-Roadster R 129 der rostresistenteste Mercedes seiner Epoche. Nur ungepflegte Exemplare erwischt es an Kotflügeln, Radläufen und Wagenheberaufnahmen unter den Abdeckkappen. Abplatzer beim Wasserbasislack sind anders als beim W 124 selten. Doch das Leder scheint nicht so haltbar wie bei den Vorgängern zu sein. Die Sitze wirken speckig, und der Bezug wirft heftige Falten. Wie bei den Vorgängern läuft die Verbundglasheckscheibe milchig an. Räder und Reifen sind auf Originalität zu prüfen. Die Zuziehhilfe der Türen und der Heckklappe versagt oft ihren Dienst.

Technik-Check

Hoffentlich geht nichts kaputt. Dieses Flehen begleitet viele Mercedes Benz W 140-Besitzer im Alltag. Autos mit 400.000 bis 600.000 Kilometern in Internet-Anzeigen machen Mut. Die V8- und V12-Motoren und die Automatikgetriebe sind bei regelmäßiger Wartung problemlos. Aber die elektronische Vernetzung über Can-Bus-Steuergeräte hat im Alter ihre kostspieligen Tücken. Besonders die Spitzenmodelle sind vollgepackt mit komplexer Elektronik, deren Fehlerdiagnose und Reparatur heftig ins Geld geht. Besonders heimtückisch ist der Kabelbaum, dessen Isoliermaterial im heißen Motorraum zerfällt.

Preise

Wenn wir von Marktpreisen des Mercedes W140 sprechen, dann im guten Zustand, denn Zustand-4-Exemplare dieser S-Klasse liegen allesamt - egal ob 6-oder 12-Zylinder im Bereich von 2.700 bis 3.500 Euro. Die Coupés liegen meist rund 500 bis 1.000 Euro darüber.

Classic-Analytics listet das Einstiegsmodell 300 SE mit 8.300, den 300er-Diesel mit 8.000 Euro. Der Vierliter-V8 im 400 SE will mit 600 Euro mehr bezahlt werden. Den S 420 gibt es für 9.600 Euro. Für die repräsentativen Topmodelle 500 SE (mit V8) und 600 SE (V12) muss man 10.900 respektive 11.300 Euro auf den Tisch legen.

Die nur 26.025 mal gebauten Coupés sind teurer: Ein 500 SEC kostet rund 12.800 Euro, ein 600 SEC 13.300 Euro. Das 1994 eingeführte S 420 Coupé ist für rund 12.500 Euro zu haben.

Bei Einführung 1991 (Mercedes-Benz 600 SEL) :
126.597 Mark
Bei Produktionsende 1998 (Mercedes-Benz S 600 L) :
212.048 Mark

Ersatzteile

Stark dezimiert zeigt sich der W 140-Bestand den Youngtimerfreunden. Sechszylinder- und Dieselmodelle erlauben den preiswerten Einstieg. Die V8- und V12-Kandidaten sind in Topzustand begehrt. Ersatzteile gibt es wie für W 116 (meistens) und W 126 morgen beim lokalen Mercedes-Vertreter. Beten, dass nichts kaputtgeht, ist angebracht.

Schwachpunkte

  1. Wagenheberaufnahmen
  2. Zuziehhilfe der Türen
  3. Sitzpolster, Türverkleidungen
  4. Can-Bus-Steuergeräte
  5. Kabelbaumisolierung
  6. Sonderausstattungen (Funktion)
  7. Tragegelenke, Spurstangenköpfe
  8. Klimaanlage, Lüftung
  9. Bosch LH-Jetronic
  10. Zylinderkopfdichtung
Mercedes-Benz W 140, V8/V12

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Der Mercedes-Benz der Baureihe W140 ist die größte S-Klasse aller Zeiten. Trotz Wasserbasislack ist Rost kaum ein Thema. Nur stark vernachlässigte Autos blühen an den mercedestypischen Stellen. Aber Elektronik und technische Komplexität sind Handicaps.