Villa d'Este-Auktion 2011

Die keilsten Bertone-Prototypen

Update mit Ergebnissen +++ Sechs Bertone Concept-Cars werden am 21. Mai an der Villa d'Este versteigert - darunter der Stratos-Prototyp, eine Schildkröte und ein Chevy.

Lancia Stratos HF Zero, 1970 Foto: Tom Wood ©2011 Courtesy of RM Auctions 45 Bilder

Der Anlass für die Bertone Concept-Car Versteigerung ist eigentlich ein trauriger: 2008 musste Bertone Konkurs anmelden und ein Konkursverwalter wurde eingesetzt. Immerhin konnte Lilli Bertone, die Witwe von Firmengründer Nuccio Bertone, einen Großteil des Bertone-Museums retten. 84 der insgesamt 90 Fahrzeuge gingen in ihren Besitz über - rund 2,4 Millionen Euro soll sie dafür gezahlt haben.

Die Rosinen der Bertone-Historie sollen mehrere Millionen bringen

Die sechs übrigen Fahrzeuge werden jetzt bei dem Concorso d'Eleganza Villa d'Este von RM Auctions versteigert. Die Estimates liegen zusammengenommen für alle sechs Bertone Concept-Cars bei 2,8 bis 5,5 Millionen Euro.

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Update, hier die Ergebnisse: Alle sechs Bertone-Prototypen wurden verkauft, die Resultate sind durchwachsen. Zwei der angebotenen Bertone-Prototypen erzielten einen deutlich höheren Preis, zwei blieben im Rahmen ihrer ihrer Estimates und zwei blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der Top-Performer war der Lamborghini Athon von 1980, der 347.200 Euro erzielte - und damit 57 Prozent mehr als das Estimates von 150.000 bis 220.000 Euro. Ein ähnlich gutes Resultat erzielte der Lamborghini Bravo von 1974, der für 588.000 Euro einen neuen Käufer fand. Das Estimate lag ebenfalls bei 150.000 bis 220.000 Euro. Lancia Sibilo von 1978, verkauft für 95.200 Euro, (Estimate: 60.000 bis 100.000 Euro) und Lamborghini Marzal, verkauft für 1.512 Millionen Euro (Estimate: eine bis 1,8 Millionen Euro), erfüllten die Erwartungen. Der Chevrolet Testudo sowie der Lancia Stratos HF Zero blieben allerdings hinter der Erwartungen zurück. Der Testudo brachte 336.000 Euro (Estimate 500.000 bis 800.000 Euro), der erste Stratos enttäuschte mit 761.600 Euro (Estimate: eine bis 1,8 Millionen Euro).

Giorgio Giugiaros Frühwerk- eine Schildkröte

Das älteste Concept-Car dieser Bertone-Sammlung ist ein Chevrolet Testudo von 1963. Das Besondere bei ihm ist vor allem sein Designer: Im Alter von gerade mal 25 Jahren zeichnete Giorgietto "Giorgio" Giugiaro diesen außergewöhnlichen Sportwagen auf Basis des Chevrolet Corvair. Das Chassis wurde gekürzt und verstärkt, der Antriebsstrang mit dem luftgekühlten Sechszylinder-Boxermotor im Heck blieb unangetastet.

Der Name Testudo ist die lateinische Bezeichnung für eine Gattung der Landschildkröten, sie dienten als Vorbild für den Aufbau. Vor allem die Fahrzeugkanzel erinnert an den runden Panzer dieses Tieres. Für das Unikat, das erstmals am 3. März 1967 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wird ein Estimate von 500.000 bis 800.000 Euro angeboten.

Schon 1959 wurde der 21-jährige Giugiaro zum Leiter des Bertone Styling Center ernannt, Nuccio Bertone förderte den jungen Designer, der für die Entwicklung des Automobildesigns eine prägende Bedeutung hat. Er schuf später solche Ikonen wie BMW M1, Golf I, Bugatti EB 118, Maserati Ghibli oder DeTomaso Mangusta. 

Drei Meisterwerke von Marcello Gandini

1965 wechselte Giugiaro zu Ghia und an seinen Platz bei Bertone trat Marcello Gandini - ein Glücksgriff für Nuccio Bertone, denn schon mit seinem ersten Entwurf, dem Lamborghini Miura, traf er ins voll ins Schwarze und sollte bis 1980 den Stil des Hauses Bertone prägen. Drei seiner Meisterwerke versteigert RM Auction nun bei der Villa d'Este-Auktion. 

Keil as Keil can: Lancia Stratos HF Zero

Am bedeutendsten für die Bertone-Geschichte ist dabei der Lancia Stratos HF Zero, der 1970 bei der Turiner Motor Show präsentiert wurde. Der Antrieb kann dabei vernachlässigt werden, es war der der Lancia Fulvia 1,6 HF mit gerade mal 115 PS. Doch die Haut, die Marcello Gandini darum geschneidert hatte, bedeutete einen Bruch mit allem Konventionellen. Hier gab es nur Ecken, Kanten und messerscharfe Linien. Einzig die Räder mussten zwangsläufig mit einem Radius realisiert werden.

Der Lancia Stratos HF Zero scheint direkt aus der Zukunft gekommen zu sein. Ein Blick ins Cockpit scheint dies zu bestätigen. Statt eines Armaturenbrettes im herkömmlichen Sinne wurde links neben dem Fahrer ein großes grünes Anzeigeinstrument eingebaut, das über die wichtigsten Parameter dieser fliegenden Untertasse informiert. RM Auctions gibt für diesen messerscharfen Keil 800.000 bis 1.000.000 Euro als Estimate an.

Geadelter Prototyp: Lamborghini Marzal

Der gleiche Betrag wird auch für den Lamborghini Marzal von 1967 erwartet, den Vorläufer des Espada, der ab 1968 in Serie gefertigt wurde. Auch dieser Sportwagen gibt offenherzig Einblick in Technik und noble Ausstattung. Konzipiert als schneller, luxuriöser Gran Turismo bietet der Marzal Platz für vier Erwachsene und sorgt dank eines 175 PS starken Reihensechszylinders für recht angenehmes Fortkommen. 

Dieser Motor ist - wie das Concept-Car - ein Unikat und basiert auf dem Vierliter-V12-Motor des Miura, der einfach halbiert wurde. Eine Zylinderbank des Miura-Motors muss genügen, mehr Platz ist im Heck des Marzal nicht. Zudem muss der Motor quer eingebaut werden und wird von horizontal liegenden Weber-Vergasern mit Gemisch versorgt.

Berühmt wurde der Lamborghini Marzal durch adelige Insassen. Am 7. Mai 1967 fuhr Fürst Rainier von Monaco mit seiner Frau Gracia Patricia (der Schauspielerin Grace Kelly) auf dem Grand Prix-Kurs von Monaco eine Runde mit dem Bertone Concept-Car.

Wundervolle Flunder: Lamborghini Bravo

1974 verschönerte Bertone die Autowelt mit zwei Neuheiten: Dem Lamborghini Countach, der zum Traumwagen vieler Halbwüchsiger Quartettspieler wurde und der bis 1990 gebaut wurde - soweit ist es den meisten bekannt. Doch neben dem V12-Supersportler präsentierte Bertone im selben Jahr auch noch einen Zweisitzer in der niedriger angesiedelten V8-Baureihe, die mit dem Urraco ab 1973 einen günstigeren Einstieg in die Lamborghini-Sportwagenwelt bot. Diesem 2+2-Sitzer wollte Bertone den Bravo zur Seite stellen.

Am Lamborghini Bravo sind einige Details des Countach zu entdecken, etwa das Felgendesign oder das Heck, doch Marcello Gandini schuf mit dem Bravo einen gelungenen, ganz eigenständigen Zweisitzer. Im Heck sitzt der Dreiliter-Urraco-V8 mit 300 PS. Das Estimate wird mit 150.000 bis 220.000 Euro angeboten.

Neuer Designer, alte Linie: Lamborghini Athon

Als 1980 der Chefdesigner Marcello Gandini von Marc Deschamps abgelöst wurde, erwarteten viele einen Schnitt im Bertone-Design - doch sie wurden enttäuscht. Dessen Nachfolger Marc Deschamps folgte mit seinem ersten Entwurf für Bertone, dem Lamborghini Athon, der Linie seines Vorgängers - immer Keil geradeaus. Der Athon basiert auf dem Lamborghini Silhouette und wird von einem Dreiliter-V8 angetrieben. Auch für den Athon liegt das Estimate bei 150.000 bis 220.000 Euro.

Das Sextett komplett macht der Lancia Sibilo von 1978, der mit einem Estimate von 60.000 bis 100.000 Euro das günstigste Fahrzeug im Angebot ist. Er basiert auf dem Lancia Stratos. Seine futuristische Karosserie ist allerdings um etwa 100 Millimeter länger und ist deutlich schwülstiger ausgeführt. Besonders das Interieurdesign sorgte bei der Vorstellung 1978 auf der Turiner Motor Show für Überraschung. Es wirkte wie die Kanzel eines Raumschiffs.